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Carrie Brownstein - "Hunger Makes Me a Modern Girl: A Memoir"

43 oder jünger ist kein Alter, um eine Autobiographie zu schreiben. Es sei denn, man heißt Ronaldo oder Justin Bieber. Von beiden ist die Co-Gitarristin und Co-Sängerin der Frauen-Punkband Sleater Kinney zum Glück weit entfernt.

Mehr als eine Abrechnung mit den Erlebnissen ihres Lebens ist Carrie Brownsteins Buch eine schonungslose Analyse ihrer Persönlichkeit und ihrer Fehlbarkeiten. Stellenweise naiv, oft mit ironischen Anflügen versehen, durchgehend lesenswert. Dabei ist der Titel der englischen Originalausgabe aufschlussreicher als der gekürzte deutsche: "Hunger Makes Me A Modern Girl". Auch wenn Brownstein immer wieder betont, wie schwer das Tourleben einer Band unter Star-Niveau ist, mit schäbigen Unterkünften und endlosen Fahrten von einem Ort zum nächsten, ist natürlich nicht Ernährungsmangel gemeint, sondern die Suche nach Anerkennung.

So prangert sie den Sexismus der Mainstream-Musikindustrie, der Medien und allgemein der Gesellschaft an, andererseits beschreibt sie ihre schwierige Jugend in einer gefühlsarmen Familie der Mittelschicht. Aufgewachsen in Redmond, Washington, dem Sitz von Microsoft, blüht sie während des College-Studiums in der lebendigen Musikszene der nahen Ortschaft Olympia auf. So schüchtern sie auch ist, gibt sie auf der Bühne und in ihrer Musik ihr Innerstes preis. Als Riot grrrl macht sie sich international einen Namen.

Drogen und Sex spielen in ihrem Leben eine untergeordnete Rolle. "Ich werde oft nach Groupies gefragt, und ob ich schnellen und total heißen Sex gehabt hätte. Die Antwort lautet: nein. Zu allem. Wir hatten nie Groupies," stellt sie ernüchternd fest. Beziehungen zu führen sei bei einem Leben on the road so gut wie unmöglich, auch wenn ihre Bandkollegin Corin Tucker, zu Beginn von Sleater Kinney 1996 noch ihre Lebensgefährtin, seit 2000 verheiratet ist und zwei Kinder hat.

In den Memoiren auch keine Rolle spielt die Fernsehserie "Portlandia", mit der sie 2011 mehr Erfolg und mehr Preise eingeheimst hat als in 20 Jahren mit der Band. Nur einmal erwähnt Brownstein sie, nämlich als sie Tucker 2010 die erste Episode zeigt und die zwei beschließen, ihre Schaffenspause zu beenden und SleaterKinney wieder ins Leben zu rufen.

2015 ist zudem ein neues Album des Trios (wie gewohnt ohne Bass und mit Schlagzeugerin Janet Weiss) erschienen, samt anstrengendem Tourleben. Über die nächsten Jahre, hoffentlich Jahrzehnte, wird Brownstein also noch zu erzählen haben.

Carrie Brownstein, "Modern Girl: Mein Leben Mit Sleater-Kinney". Benevento, 328 Seiten, 24 Euro. Wertung: 4/5.

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