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Alfred Hilsberg - "Zick Zack Prinzip"

Sein Name ist unbekannter als er es verdient: Alfred Hilsberg, Förderer von F.S.K. und Einstürzende Neubauten und Blumfeld und Die Regierung und Jens Friebe und Gott und die Welt. Eine Biografie über diesen Mann war überfällig. Der Berliner Journalist Christof Meueler hat sich dieser Sache nun angenommen und folgt dem Lebenszeit-Rebell von den Kindertagen in Wolfsburg (ehemals "Stadt des KdF-Wagens") an, wo er erstmals aufbegehrt und sich dem beruflichen Werdegang seines Vaters, dem Weg ins örtliche VW-Werk, widersetzt.

Etwas zäh erscheint, wenn Hilsbergs Politisierung anhand seiner Engagements für sozialistische Film-Initiativen und Auseinandersetzungen mit den K-Gruppen bis ins kleinste gewerkschaftliche Detail seziert wird. Aber dann explodiert in London Punk und Hilsberg ist mittendrin: Er sieht The Damned und ist hingerissen. Verkauft er zunächst noch UK-Punk-Platten und Badges in Hamburg aus dem Kofferraum, holt er schon kurz darauf die Vibrators als erste UK-Punkband in die Hansestadt. Von da an ist der Schritt zum Veranstalter von Festivals mit jungen deutschen Bands in der Hamburger Markthalle ab 1979 nicht mehr groß.

Meueler arbeitet schön heraus, wie Hilsberg die reine Punkrock-Doktrin verabscheute, indem er zum Beispiel stets stilistisch verschiedene Bands für die Markthallen-Shows buchte. Als er sein Label Zick Zack gründet, verfolgt er diese Richtung weiter. Es gab und gibt daher keinen Zick Zack-Sound, sondern, wie Hilsberg auch selbst betont, einen Zick Zack-Spirit. In der Musikzeitschrift "Sounds" kippt er gemeinsam mit Poptheoretiker Diedrich Diederichsen bald den Hippie-Riegel der Autorenschaft und setzt den Fokus auf neue, junge Talente, vorzugsweise die, die er selbst für Zick Zack unter Vertrag nimmt.

"Das Zick Zack Prinzip" ist dennoch keine freigegebene Biografie. Der ursprüngliche Plan einer gemeinsam verfassten Autobiografie scheiterte angeblich an einer längeren Krankheit Hilsbergs. So stand er Meueler lediglich für Interviews zur Verfügung, wie unzählige bekannte Szenefiguren (Blixa Bargeld, Peter Hein, Carol von Rautenkranz) auch. Hilsberg kommt als Getriebener rüber, als Berufsalkoholiker ("Alkfred Pilsberg") und Misanthrop, der stur seinen Weg beschreitet, um seine Idee einer unabhängigen Plattenfirma in Deutschland zu etablieren. Dazu zählt auch, keine persönlichen Bindungen zu Künstlern zuzulassen. So entsteht der Mythos Hilsberg.

Seine alternativen Popvorstellungen fallen 1980/81 zwar noch auf fruchtbaren, also finanziell einträglichen Boden. Doch dann bricht der NDW-Fluch über Zick Zack herein und nach einer kurzen Phase der von Majorlabels betriebenen Kommerzialisierung von inhaltsleerem Rock (Nena und Konsorten) unter dem NDW-Banner will kein Mensch mehr deutschsprachige Musik hören, nicht einmal Hilsberg. Desillusioniert gründet er das Label What's So Funny About? und nimmt auch fremdsprachige Künstler unter Vertrag (The Gun Club).

Mit Blumfeld erlebt Hilsberg seinen zweiten Frühling. Distelmeyer wird sein neuer Bargeld, dessen Musik und Aura ihn wegbläst. Etwas überraschend entscheidet sich der Blumfeld-Sänger Anfang der 90er für Zick Zack, obwohl seine Musik und sein Alter eher für die aufstrebende Hamburger Label-Konkurrenz L'Age d'Or (Tocotronic) gesprochen hätten. Doch Distelmeyer ist Zick Zack-Fan. Der alte Recke Hilsberg ist wieder obenauf, hatte er doch in seiner Mittachtziger-Bräsigkeit schon Mutter und Kolossale Jugend verpasst. Nach dem Blumfeld-Kapitel holpert es beim Bogen in die Jetztzeit noch mal etwas. Sicher hätten sich einige auch für Hilsbergs Meinung zum Aufstieg der US-Alternative Rock-Bewegung um Nirvana (oder zuvor Sonic Youth) interessiert, zumal Hilsberg Ende der 80er immerhin Henry Rollins auf Tour holte.

Dennoch ist Christof Meueler mit "Das Zick Zack Prinzip" eine interessante Kulturgeschichte gelungen, die Hilsberg als großen Underground-Vorkämpfer preist. Und er hat durchgehalten: Zick Zack existiert nach wie vor, L'Age d'Or schloss die Pforten bereits 2007.

Christof Meueler, "Das Zick Zack Prinzip. Alfred Hilsberg - ein Leben für den Underground", Heyne Hardcore, 384 Seiten, 22,99 Euro. Wertung: 4/5.

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