laut.de-Kritik

Die Vokalspur darf getrost ausgeblendet werden.

Review von

"We're number one. We're number one on this rap shit, we're number one on the charts. I'm number one", tönt es schon gewohnt breitbrüstig aus dem Eröffnungstrack. Das Pflaster ist ab, das Oberlippen-Bärtchen frisch getrimmt, der Ohrring blingblingt – willkommen in Nellys Popgame der Überheblichkeit und Mainstream-Gefälligkeit.

Warum genau der Herr aus St. Louis immer noch von "Rap Shit" spricht und sich der Hip Hop-Kultur zugehörig fühlt, er weiß es womöglich selbst nicht genau. Zurück bleibt die Frage nach dem größeren Fauxpas: der Diss gegen KRS-One oder die Rap- und Ghetto-unerprobte Gästeliste des oberflächlichen Radio-Undergrounds auf "5.0".

Auf Nellys Silberling kollidieren schillernde Gangsterklischees gnadenlos mit dem Image und Wesen seiner angeheuerten Protagonisten. Das steuert daher nicht wirklich auf eine witzige Block Party zu, sondern endet eher in einem Totalschaden von chartdienlichem R'n'E('n'P). Rhythm & Electro (& Pop). Teil des berüchtigten Demolition-Derbys sind unter anderem T.I., T-Pain, Akon, Chris Brown, DJ Khaled, Keri Hilson und Kelly Rowland. Die üblichen Verdächtigen, wenn ein arbeitsarmer Coup großzügige Beute verspricht.

Auf instrumentaler Ebene finden sich zum Teil halbstarke, clubtaugliche Ansätze für Qualität. Dann scheppern Handclaps mit Hi-Hats um die Wette während es sich dezent platzierte und dynamisch arrangierte, flickernde Synthesizerflächen im Hintergrund gemütlich machen. Gute Beats, die einen gar kopfnickenden Groove verwirklichen, aber als Song nicht überzeugen.

Spätestens bei Textstellen wie "diamond round my neck, diamond on my teeth, diamond on my bitch, diamond on my ..." was-auch-immer ("I'm Number 1") oder "my crib is plush plush, I'm talking elevator. So don't touch touch, don't feed the alligator" ("Broke"), kann die Vokalspur getrost ausgeblendet werden. So rettet ein heroischer Bläsereinsatz des Intro-gerechten Beats, wie auch ein satter Basslauf auf roher Beatkost nicht über den lyrischen Kollateralschaden hinweg. Auch "1000 Stacks" verschleudert auf diese Weise sein nostalgisches B.I.G.-Sample samt stützender Bongoapparatur.

Schwach bis unterirdisch schnulzig träufeln dagegen "Just A Dream", "Long Gone", "Gone", "Making Movies" wie auch "Nothing Without Her". Nelly jammernd, verliebt, reumütig, pseudo-romantisch und affektiert betroffen, als Liebestester auf der Suche nach weiteren gebrochenen Herzen. Bei Aufforderungen wie "If you ever loved somebody, put your hands up" ist es übrigens auch erlaubt, einfach nur den Kopf zu schütteln. Was diese leidige Gospel-Gang erst von sich gibt, wenn es ihr tatsächlich einmal nicht viel zu gut geht. Ohweh.

Den Höhepunkt seines Debakels findet "5.0" in dem Trance-Polterabend-Soundtrack "Liv Tonight". Ein herrlicher Billig-Proll-Beat mit der afroamerikanischen Antwort auf Scooters H.P. Baxxter, die das sinnlose Mithüpfen durch plump euphorische Animationsversuche ("Hey! Hey!" oder "New York, L.A., Chicago, V.A., Saint Louis!") vorgibt. Eurodance trifft auf Auto-Scooter trifft auf eine trashige Party.

"5.0" ist zum Großteil billiger synthetischer Hip Hop für Großraum-Discos, Dance-Pop für Chart-Partys und R'n'B für Gleichgesinnte der minderen Grenzwertigkeit. Wären manche der wenigen guten Beats in anderen Händen gelandet, das Resultat wäre sicherlich nicht unspannend geworden.

Das Schlusswort bleibt dem Hausherren selbst. Etwas Romantik aus dem Hause Backenpflaster: "So they say she's a bad girl. Some say she's a bitch, she's a liar. Fucking with her is like playing with fire. So I'll say (so I'll say) hey that's my girl (that's my girl). And Imma be the one that's gon' make her better. And you can always see the two of us together" ("Nothing Without Her").

Trackliste

  1. 1. I'm Number 1 feat. Baby & DJ Khaled
  2. 2. Long Gone feat. Plies & Chris Brown
  3. 3. She's So Fly feat. T.I.
  4. 4. Just A Dream
  5. 5. Making Movies
  6. 6. Move That Body feat. T-Pain & Akon
  7. 7. 1000 Stacks
  8. 8. Gone feat. Kelly Rowland
  9. 9. Don't It Feel Good
  10. 10. Broke feat. Yo Gotti & Sophie Greene
  11. 11. Liv Tonight feat. Keri Hilson
  12. 12. Nothing Without Her

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Nelly

St. Louis, in Musikkreisen bisher nur eingefleischten Blues-Freunden ein Begriff erhält durch Cornell Haynes alias Nelly ein neues Kapitel Musikgeschichte.

10 Kommentare

  • Vor 13 Jahren

    ich habe noch nicht in das album reingehört. von daher kann ich nichts dazu sagen.

    ich hatte ihn schon fast vergessen. aber als ich "just a dream" irgendwo im supermarkt (!!!) hörte, dachte ich sofort "das ist doch NELLY!!!". wiedererkennungswert hat er, das muss man ihm lassen... liegt aber vielleicht auch daran, dass er sich abgesehen von den "neu hinzugekommenen" elektro bits noch immer wie vor 8 jahren anhört.

  • Vor 13 Jahren

    Wie kann man nur einen Track Gone und nen anderen Track long Gone bennen. Auf EINEM Album... mir fehlen die Worte...

  • Vor 13 Jahren

    so schlimm ists nicht...

    just a dream eine der single des jahres, rest vom album erwartbar aber ok, 3-4/5