laut.de-Kritik

Schwerkraft, nein danke!

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Selbst wenn auf der CD kein Bandname stünde, wäre es ein Leichtes, dieses Produkt den alten AOR-Helden Mr. Big zuzuordnen. Denn der auf der Rüsselspitze balancierende Elefant auf dem Cover reiht sich nahtlos in die Reihe absurd-bizarrer Artworks von früheren Platten der Gruppe ein. Egal, ob man die ein Bahnhofsgebäude durchbrechende Dampflok von "Lean Into It", den aus einem Kanalschacht auftauchenden Straßenarbeiter von "Bump Ahead" oder das geflügelte Schwein von "What If ..." betrachtet, all diese Covers zeugen von einem gewissen Humor und einer Portion Unbekümmertheit der mittlerweile gestandenen Herren aus Los Angeles.

Weitere untrügliche Kennzeichen von Mr. Big sind die sehr vielschichtige und kompetente Gitarrenarbeit von Paul Gilbert und der mächtige, unverwechselbare Bass von Billy Sheehan, der bei seiner früheren Band Talas so extrem nach vorne gemischt war, dass er praktisch das Lead-Instrument darstellte. Zusammen mit der klaren, cleanen Stimme von Eric Martin ergeben diese Zutaten ein einwandfrei identifizierbares Soundbild. Das ist auch beim neuesten Streich nicht anders.

Mr. Big-Fans (davon soll es ja doch einige geben) können also jubeln. Denn "Defying Gravity" bietet alles, was man von diesen technisch höchst versierten Mainstream-Rockern erwarten kann. Das erste Stück "Open Your Eyes" verblüfft zunächst mit geradezu 'zeppelinesker' Heavyness und dann mit wieselflinken Gitarrenläufen, das Titelstück an zweiter Stelle lebt von einer ungeheuren Leichtigkeit, die tatsächlich der Schwerkraft zu trotzen scheint, Der folgende Shuffle "Everybody Needs A Little Trouble" mit ein bisschen Axl Rose-Farben im Gesang und einem wuchtigen Bass hält das Ganze trotz der vielen Gitarrennoten obendrüber eisern am Boden.

Natürlich liefern Mr. Big auch wieder Schmusig-Akustisches wie "Damn I'm In Love Again" oder "Nothing Bad (Bout Feeling Good)" ab, denn damit sind sie schon seit "To Be With You" und "Wild World", einem Cat Stevens-Cover, sehr gut gefahren. Aber auch heftige Rock-Ausbrüche wie in "1992" stehen Mr. Big gut zu Gesicht - alles in allem ist "Defying Gravity" wirklich ein grundsolides Rock-Album, das von echten Könnern eingespielt wurde.

Leider bleiben die Herren aber insgesamt ziemlich genau in der Mitte, spielen ihre enormen Fähigkeiten nicht vollständig aus und schielen wahrscheinlich zu sehr auf das Mainstream-Publikum. Das ist nachvollziehbar, aber ein bisschen schade und verhindert Höchstnoten. Wer einfach guten AOR und Melodic Rock mit einer etwas speziellen Note haben will, ist hier aber bestens bedient.

Trackliste

  1. 1. Open Your Eyes
  2. 2. Defying Gravity
  3. 3. Everybody Needs A Little Trouble
  4. 4. Damn I'm In Love Again
  5. 5. Mean To Me
  6. 6. Nothing Bad (Bout Feeling Good)
  7. 7. Forever And Back
  8. 8. She's All Coming Back To Me Now
  9. 9. 1992
  10. 10. Nothing At All
  11. 11. Be Kind

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3 Kommentare mit einer Antwort

  • Vor 6 Jahren

    Was ist jetzt gleich nochmal AOR?

  • Vor 6 Jahren

    Dieser Kommentar wurde vor 6 Jahren durch den Autor entfernt.

  • Vor 6 Jahren

    Siehe Wiki > "Adult Orientated Rock (AOR)" > "AOR war stark nordamerikanisch geprägt: Die wichtigsten Bands wie Journey, Foreigner, Toto, REO Speedwagon, Styx oder Survivor stammten aus den USA und waren hier auch am erfolgreichsten, wichtige Vertreter aus Kanada waren vor allem Bryan Adams und Heart. Auch in Europa war AOR erfolgreich, hier dominierten jedoch eher Trends wie New Wave, Disco oder Synthie Pop. Dennoch stammen zumindest aus England einige namhafte AOR-Bands wie Asia, Magnum oder Def Leppard. Aufgrund des großen kommerziellen Erfolgs dieser Bands näherten sich auch Hard-Rock-Bands wie Aerosmith, Van Halen, ZZ Top, Nazareth (mit ihrem letzten Welthit Dream on) oder Rainbow im Laufe der 1980er Jahre an den keyboardlastigen AOR-Sound an." So etwa ...