20. Januar 2009

"Wir wollten keinen Scheiß-Hit!"

Interview geführt von

Mnemic-Gitarrist Mircea Gabriel Eftemie erzählt von den Aufnahmen zu "Sons Of The System" und den Ansprüchen an die eigene Arbeit.Anfang Dezember ebbt die Veröffentlichungsflut so langsam ab und man kann sich in aller Ruhe auch um Interviews kümmern. Entsprechend relaxt ist die Stimmung, als Mircea Gabriel Eftemie gegen Abend mal durchklingelt.

Im Gespräch outet sich der Gitarrist als Vollblutmusiker, der seine Band über alles andere stellt. Gleichzeitig aber auch offen und ehrlich genug ist, seine eigene musikalische Vergangenheit kritisch zu sehen und mit sich selber hart ins Gericht zu gehen. Dabei gibt es am neuen Album "Sons Of The System" doch kaum was auszusetzen. Zumindest darin sind wir beide uns weitgehend einig.

Hi Mircea, musstest du dich heute schon mit vielen Interviews abquälen, oder gehts noch einigermaßen?

Hi, ehrlich gesagt, bist du heute mein erstes Interview. Von daher bin ich also noch frisch und ausgeruht und ganz heiß drauf, über unser neues Album zu sprechen.

Klingt, als wärst du sehr zufrieden mit eurer neuen Scheibe.

Oh ja, das kannst du laut sagen. Schließlich haben wir uns die letzten zwei Jahre die Ärsche wund gearbeitet. Du glaubst gar nicht, wie viel wir von dem ganzen Material erst mal wieder in die Tonne getreten haben. Was jetzt auf dem Album steht, ist wirklich das Beste, was wir je auf die Reihe bekommen haben.

Mir gefällt die Scheibe auch richtig gut. Man findet deutlich leichter Zugang zu den Songs, als das noch auf den ersten beiden Alben der Fall war.

Oh, klasse. Schön zu hören. Das war auch genau die Absicht dahinter.

Warum habt ihr euch denn so lange Zeit gelassen?

Naja, sooo war das jetzt auch nicht. 2007 haben wir "Passenger" veröffentlicht und waren mehr oder weniger das komplette Jahr auf Tour. Dann begann irgendwie alles schief zu laufen. Unser Management baute nur Scheiß, wir selber trafen ein paar ziemlich dämliche Entscheidungen und die lange Tour hatte uns ziemlich ausgebrannt. Im Nachhinein bin ich mit dem letzten Album auch überhaupt nicht mehr glücklich. Nach "Transition" ging alles drunter und drüber. Wir hatten mit Guillaume einen neuen Sänger in der Band, wir mussten an neuen Songs arbeiten, ohne Guillaume wirklich bei Mnemic integriert zu haben und alles bewegte sich irgendwie in eine falsche Richtung. Und dann auch noch mit einem Album so lange auf Tour zu sein, das lange nicht so stark war, wie wir eigentlich dachten, hat schon sehr an den Kräften gezehrt.

Wir haben uns also dazu entschlossen, erst einmal eine Auszeit zu nehmen. Wir sind wieder studieren gegangen, und ich hab meinen Bachelor abgeschlossen. Bei diesen ganzen Aktivitäten haben wir uns immer mehr aus den Augen verloren, bis wir merkten, dass Mnemic eigentlich doch der Mittelpunkt unseres Lebens ist. Kreativ zu sein, neue Musik zu schreiben, genau das wollten wir wieder machen. Also haben wir uns zusammen gerauft, miteinander geredet und stimmten vor allem darin überein, dass wir uns keine verdammte Deadline mehr setzen wollten. Wie lange das Album auch immer braucht, um fertig zu werden, so lange wird es eben nichts Neues von uns geben. Wir wollen keinen Scheiß-Hit im Radio haben, wir schreiben unsere Songs so, wie wir sie hören wollen. Wenn davon ein Song dennoch im Radio landet und uns den Durchbruch bringt – Rock'n'Roll! Klasse! Aber wir legen es da echt nicht drauf an. Das Album muss heavy sein und in die Eier treten! Darauf kommt es uns an.

Ok, heavy ist die Scheibe auf jeden Fall, aber auch deutlich simpler gehalten. Zumindest was die Rhythmik angeht. Ich habe fast ein wenig das Gefühl, dass ihr auf einmal den Reiz des 4/4-Taktes entdeckt habt.

Jahaha, ich weiß genau was du meinst. AC/DC rocken immer und das liegt einfach an dem simplen, eingängigen Groove. Aber ganz genau darin liegt die Schwierigkeit. Simple, eingängige Songs zu schreiben, die trotzdem was Besonderes haben, sei es eine Melodie oder was auch immer – das ist verdammt harte und schwere Arbeit. Deswegen haben wir uns auch so lange Zeit gelassen und von über 25 Songs nicht mal die Hälfte verwendet. Die Songs, die es nicht auf das Album geschafft haben, sind alles andere als schlecht, aber sie klingen einfach zu sehr, wie wir früher klangen. Das reizt uns nicht mehr sonderlich. Schnelle, aggressive und komplexe Songs zu schreiben, ist für uns nach wie vor kein Problem, aber es ist auch kein großer Anreiz mehr. Wir haben mittlerweile andere Einflüsse in Sachen Musik und das äußert sich eben in den Songs auf der neuen Scheibe. Letztendlich sind wir immer noch eine Metalband, aber mittlerweile hören wir privat so viele unterschiedliche Sachen, dass das eben unseren Geschmack und unser Songwriting anders beeinflusst als früher.

Wie hat sich euer Songwriting denn verändert? Habt ihr früher immer versucht so komplex und progressiv wie möglich zu sein? Sprich, habt ihr auch gute Riffs mal verworfen, weil sie nicht kompliziert genug klangen?

Nein, nicht wirklich. Was allerdings oft vorkam, war dass wir Riffs wieder verworfen haben, weil sie uns zu sehr an andere Bands erinnert haben. Wir haben immer versucht, so eigenständig wie möglich zu klingen. Dabei sind die Einflüsse auf unserer ersten Scheibe nur allzu deutlich: Fear Factory, Meshuggah und Strapping Young Lad (lacht). Aber das war eben früher der Fall. Ich meine, als wir zum ersten Mal zu unseren Instrumenten gegriffen haben, waren wir alle massiv vom Death Metal beeinflusst. Diese Entwicklung zu immer neuen Einflüssen und somit anderer Musik ist doch ganz natürlich. Aber in gewisser Weise hast du schon recht. Es ging uns am Anfang durchaus auch darum, die Leute zu beeindrucken, was wir doch für tolle Musiker sind (lacht). Entsprechend kompliziert musste es bei einigen Sachen zugehen. Heute müssen wir niemandem mehr was beweisen. Wir wissen, was wir drauf haben, versuchen diese Fähigkeiten aber nun in flüssigen Songs zu verarbeiten. Heute geht es uns um starke Nummern mit guten Melodien, die man vielleicht auch mal mitsingen kann.

Hat soweit echt gut funktioniert, wie ich finde. Hat sich Guillaume mittlerweile eigentlich in Dänemark einquartiert oder lebt der noch in Frankreich?

Der wohnt immer noch in Frankreich. Zu den Proben müssen wir ihn dann immer einfliegen, aber da wir nie proben, hält sich der finanzielle Aufwand in Grenzen (lacht). Wenn wir auf Tour gehen, holen wir ihn zu uns und proben ein paar Tage, bevor es los geht. Anfangs hätte ich nicht gedacht, dass das alles so funktioniert, aber mittlerweile habe ich da überhaupt keine Bedenken mehr.

"Hah, da ist sie. Die Million Dollar Frage!"

Was genau war denn das Problem mit Michael, eurem alten Sänger?

Hah, da ist sie. Die Million Dollar Frage (lacht). Ganz einfach, weil sich mit dieser Band so gut wie kein Geld verdienen lässt. Wir waren die ganze Zeit auf Tour, waren aber auch ständig pleite und das war für ihn auf Dauer kein Leben. Dann musste er recht plötzlich den Laden seiner Eltern übernehmen, seine Freundin wurde schwanger. Da spielten so viele Dinge zusammen. Letztendlich hatte er eigentlich keine andere Wahl, als in den sauren Apfel zu beißen und die Band zu verlassen. Und bei uns war das ja nicht großartig anders. Wir müssen auch jeden Tag kämpfen, um über die Runden zu kommen. Allerdings hat mir mein Abschluss an der Uni echt die Augen geöffnet. Mnemic ist einfach genau das, was ich machen will und wenn es ein harter Kampf sein muss, um zu überleben, dann soll es eben so sein. Die Band wirft lange nicht genug ab, um fünf Menschen den Unterhalt zu sichern. Das wird wahrscheinlich nie der Fall sein. Wir alle müssen uns mit Nebenjobs durchschlagen, was verdammt ärgerlich ist, da uns das natürlich Zeit klaut, die wir in die Band investieren könnten.

Was hast du eigentlich studiert?

So was in der Art von Medienwissenschaften mit Schwerpunkt auf Computersprache und Programmierung. Da spielen viele Bereiche und andere Sachen mit rein. Kennst du zum Beispiel das Spiel "Counter-Strike"?

Äh, natürlich!

Ok, das wäre zum Beispiel ein Spiel, das ich mittlerweile ohne größere Probleme programmieren könnte. Auch irgendwelche Software für das iPhone, oder ich hab auch meinen eigenen Gitarren-Controller entwickelt. Das sieht so aus, dass ich keine Bodenpedale mehr habe, sondern mit Hilfe von zwei Sensoren an meiner Gitarre, kontrolliere ich die Sounds jetzt einfach mit meinen Händen. Lauter solche Sachen. Es ist also ebenfalls ein sehr kreatives Feld, aber auch sehr technisch und ziemlich hart.

Verstehe, aber das klingt für mich jetzt so, als könntest du viele dieser Sachen von überall aus erledigen, so lange du einen leistungsstarken Laptop dabei hast.

Ja, in gewisser Weise schon, aber so einfach, dass ich dieser Arbeit dann auch auf Tour im Bus oder in der jeweiligen Halle nachgehen könnte, ist die Sache dann leider doch nicht. Das ist schon Arbeit, auf die man sich wirklich konzentrieren muss und da ist ein entsprechender Arbeitsplatz fast unumgänglich. Kleine Programmierarbeiten ließen sich bestimmt erledigen, aber irgendwann muss ich ja auch betrunken werden (lacht).

Klar, alles andere wäre ja grober Unfug! Lass uns mal auf euern Plattentitel eingehen. Hat "Sons Of The System" eher eine positive oder eine negative Bedeutung für dich?

Auf jeden Fall negativ. Wir haben etwa vor einen Jahr angefangen, uns per E-Mail diverse Vorschläge für einen Albumtitel zu machen. Da war jede Menge Bullshit dabei und als der Titel aufkam, waren sich auf einmal alle einig. Sobald das stand, haben wir das Konzept und die Story des Albums ausgearbeitet. Das 'System' kann sowohl als das Böse an sich oder einfach nur als eine korrupte Regierung angesehen werden. Die 'Sons' sind diejenigen, die sich dagegen auflehnen, so wie sich der Sohn oftmals irgendwann gegen den Vater und dessen Lehren auflehnt. Es haben nicht alle Songs einen roten Faden, einige handeln auch eher vom Einfluss der Technik auf unser Leben und wie sich das weiter auswirken wird, aber auch menschliche Bedürfnisse und die Vereinsamung sind Themen, die wir aufgreifen.

Mit "The Erasing" habt ihr einen Song auf dem Album, der mit seinem symphonisch-epischen Stil deutlich aus dem restlichen Material heraussticht.

Ja, stimmt. Der Song hat einen leicht orientalischen Vibe, und das macht ihn auf der Scheibe sehr einzigartig. Die Freundin von Rune (Stigart, zweiter Gitarrist bei Mnemic, d. Verf.) singt in der Nummer. Auch das ist für uns absolutes Neuland, dass wir eine Frau bei uns singen lassen (lacht). Das war auch ein sehr spontaner Track, der eigentlich nur als Idee existierte und erst im Studio wirklich Form angenommen hat. Mit dem Ergebnis bin ich allerdings sehr zufrieden, so andersartig es auch klingt.

Das wäre womöglich sogar eine potentielle Single fürs Radio.

Yeah, das hab ich dem Label auch gesagt, aber … naja du kennst das ja (lacht).

In Sachen Bonustracks habt ihr euch ja auch was Besonders einfallen lassen und für die unterschiedlichen Märkte (Europa, USA, Asien) unterschiedliche Songs auf dem Album.

Tja, im Prinzip das gleiche Problem, wie gerade angesprochen. Das ist einfach Labelpolitik und wir wollten den unterschiedlichen Märkten dann eben auch was Besonderes bieten und haben mehrere Bonustracks geschrieben. Naja, eigentlich war es so, dass wir eine ganze Anzahl an Songs noch übrig hatten, die nicht offiziell auf das Album gekommen sind. Da konnten wir entsprechend in aller Seelenruhe auswählen und auch spendabel sein (lacht). Normalerweise haben wir immer zehn, zwölf Songs geschrieben und sind dann ins Studio gerannt, um sie aufzunehmen. Dieses Mal haben wir uns schon im Vorfeld deutlich mehr Zeit gelassen.

"Ich HASSE Alborg"

Ihr habt aber auch noch zusätzlich von Claus Larsen von Leæther Strip ein paar Remixe anfertigen lassen.

Ja, richtig. Ich und Rune waren schon lange große Fans von Leæther Strip. Auf "Sons Of The System" wollten wir bewusst Gastmusiker raushalten, weswegen ich schließlich mit der Idee von einem Remix ankam. Wir hatten das auf dem Debüt schon, als Rhys Fulber für uns gearbeitet hat. Ich hab Claus einfach über MySpace angeschrieben und ihm gesagt: Hey, ich bin seit Jahren großer Fan von dir und Leæther Strip und hab ne eigene Band namens Mnemic. Wir arbeiten grad an einem neuen Album, und es wäre echt großartig, wenn du vielleicht einen Remix machen könntest. Kurze Zeit später hatte ich schon die Antwort, in der er meinte: Hey, ich hab alle eure Alben und find die richtig gut. Klar mach ich da mit, das wäre eine Ehre für mich! Ich fand das total abgefahren und hab mich gefreut, wie ein kleines Kind.

Hast du ihn den persönlich kennen gelernt und habt ihr zusammen im Studio gearbeitet?

Nein, leider nicht. Wir haben uns immer mp3 hin und her geschickt. Mehr war bislang leider noch nicht drin. Dabei haben wir sogar beide erst vor kurzem auf einem Festival hier in Dänemark gespielt. Leider war er bereits am Freitag mit Leæther Strip dran und wir konnten erst Samstag für unseren Gig anreisen. Da war er dann auch schon wieder weg, shit.

Einer der Japan-Bonustracks heißt "Alborg City". Ist das die Hymne auf die Stadt, oder was?

Knapp vorbei. Ich HASSE die Stadt wirklich und ich wohne hier immerhin (lacht). Es regnet andauernd, und auch ohne das wäre die Stadt schon grau, langweilig und deprimierend genug. Entsprechend handelt es sich bei der Nummer auch um eine melancholische Akustiknummer.

Der dänischem Metalszene scheint es mittlerweile ja wieder blendend zu gehen. Habt ihr da irgendwelche Veränderungen festgestellt?

Nur bedingt. Wir waren vor allem mit dem letzten Album hauptsächlich im Ausland auf Tour. Wir haben uns nie sonderlich auf Dänemark konzentriert und das tritt uns nun ganz schön in die Eier (lacht). In Alborg ziehen wir zwar ne ganze Reihe Leute, aber im Rest des Landes sieht das anders aus. Die Szene hier ist schon relativ groß, aber es ist auch ein recht kleines Land.

Du sagtest vorhin, dass ihr mit "Passenger" über ein Jahr auf Tour wart. In Deutschland habt ihr euch aber nicht sonderlich oft blicken lassen.

Stimmt, das waren nur ein paar Dates. Wie waren hauptsächlich in den USA unterwegs und sind dann ein paar kleinere Headlinertouren durch Portugal oder Russland gefahren. Außerdem hatten wir noch ein paar Shows im Vorprogramm von Metallica und haben dann tatsächlich mal versucht, auch in Dänemark was zu reißen (lacht).

Welches Land hat dir denn auf der Tour am besten gefallen?

Italien! Die Leute da sind alle warmherzig, offen und freundlich. Das Essen ist großartig, das Wetter ist fantastisch. Ich hab mich da richtig wohl gefühlt. In Spanien und Portugal war das ähnlich.

Schon mal dran gedacht, vielleicht dort hinzuziehen?

Oh ja (lacht) und zwar mehr als nur einmal. Ich sogar schon damit angefangen, italienisch zu lernen, damit ich mich da unten auch verständigen kann. Vielleicht schaff ich es ja eines Tages und siedel mich dort an.

Das scheint ja echt so was wie der klassische Dänentraum zu sein. Ich hatte vor ein paar Monaten erst ein Interview mit einem Typen, der von Dänemark nach Italien gezogen ist.

Ah, du meinst bestimmt Hendrik von Chaoswave.

Stimmt, genau!

Jahaha, das ist ein sehr guter Freund von mir. Ich hab ihn auch besucht, als wir in Italien auf Tour waren. Sein Wohnort ist einfach der Hammer. Das ist wunderschön, da würde ich auch sehr gern hinziehen. Das ist eine kleine Insel. Er ist damals wegen seiner großen Liebe nach Italien gezogen. Aber cool, dass du auch mit ihm gesprochen hast. Die Welt ist ein Dorf (lacht).

So, dann schlag unserer Leserschaft doch mal ein Buch vor, das jeder gelesen haben sollte.

Ich lese sehr viele Sachbücher und Non-Fiction Sachen. "Fast Food Nation" von Eric Schlosser fand ich ganz gut und "Die Kultur Des Krieges" von John Keegan hat mich schwer beeindruckt. Auch "Behold A Pale Horse" von William Cooper, aber das ist was recht spezielles. Es geht viel um Verschwörungen und solchen Kram, doch einige seiner Ansätze sind wirklich faszinierend. Klar, da ist auch jede Menge Bullshit dabei, aber wenn man das Buch mit einem wachen Verstand angeht, ist es auf jeden Fall interessant.

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