laut.de-Kritik

Wie man die Rolling Stones überwindet.

Review von

Mick Jagger, der Global Player der Rockmusik. Während seine Band, die Rolling Stones, den Thron des Rockolymps wohl nie mehr räumen müssen, wackelt Sir Micks Solothron mehr oder weniger seit 1985. Vier Platten ohne seine Stones hat Jagger veröffentlicht. Nun streiten Fans über die erste Best-Of des Meisters.

Warum? Von den üblichen Meinungsverschiedenheiten abgesehen (Welche Songs gehören auf eine Best-Of? Welche Soloplatte taugt überhaupt etwas?), dürfte das grundsätzlich daran liegen, dass Jagger in seiner Soloarbeit andere Akzente setzte.

So dürfte der Stones-Frontmann aus Sicht mancher Fans den R'n'R geradezu verraten haben, wich er doch vom gewohnten Schema zuweilen stark in Richtung Pop ab: Keyboard-Sample-Sounds, Streichersätze, programmierte Beats, ein Synthie-Soundgewand, Reggae oder gar ein wenig Dance.

Fakten, an die man zu Beginn der Werkschau dank der Power des fetten Openers "God Gave Me Everything", bei dem Lenny Kravitz mal kurz an die Instrumente langte, kaum denkt. Ein Track, nach dem sich ein Keith Richards die Finger lecken sollte - einfach cool. Das hervorragend rock'n'rollende "Put Me In The Trash" könnten die Stones problemlos ins Repertoire aufnehmen.

"Just Another Night" kennzeichnet im Anschluss dann besagte programmierte Elemente. Ein Paradebeispiel bleibt in dieser Hinsicht auch die Bowie-Coverkollabo "Let's Work". "Sweet Thing" aus den frühen 90ern klingt basslastig, fast schon hip hoppig (hinter den Reglern stand jemand, der sich damit auskennt: Rick Rubin). Kollabos mit Bono ("Joy") oder der Reggae mit Peter Tosh (das Tempations-Cover "You Got To Walk And Don't Look Back") finden ebenfalls außerhalb des Stones-Kontexts statt.

Dies leisten schon eher "Don't Tear Me Up" bzw. die späten "Don't Call Me Up" und "Old Habits Die Hard" (eine Koop mit Dave Stewart zum Remake des Films "Alfie"). Alle drei Songs fußen trotz unterschiedlicher Tempi zwar mehr oder weniger auf ähnlichen Akkordfolgen, sind dafür aber mit den typisch prägenden Jagger-Melodielinien versehen.

Einen Kaufanreiz für Stones-Fans bilden eher die Extra-Bonbons. So erscheint "The Very Best Of" auch mit zusätzlicher DVD. Mick erzählt hier ausführlich über seine Solokarriere, die Zusammenarbeit mit berühmten Kollegen, zeigt Clips zu den Filmen "Performance" und "Being Mick" sowie sieben Musikvideos. Die Platte featuret außerdem drei unveröffentlichte Nummern.

Für viele Schlagzeilen sorgte hier das von John Lennon produzierte "Too Many Cocks (Spoil The Soup)", ein temporeich groovender, mit Motown-Bläsersätzen durchsetzter Track von 1973, der in L.A. entstand. Das Dance-angehauchte und von Rubin produzierte "Charmed Life" gehört ebenfalls zu diesem Trio. Hörenswert bleibt der R'n'B von "Memo From Turner" (1970), ein Beitrag zum Film "Performance", in dem Mick in der Hauptrolle zu sehen war - im Studio spielte Ry Cooder Gitarre.

Jagger selbst versteht vorliegende Compilation als Überblick über seine Errungenschaften. Dies leistet die Platte schon in soundtechnischer Hinsicht: Aufnahmen aus 30 Jahren dokumentieren die Fortentwicklung der Studiotechnik genauso wie Jaggers stilistisch breit angelegte Versuche, die Grenzen der Stones zu überwinden.

Jenes Vorhaben gelingt zwar oft, hört man sich allerdings den dritten unveröffentlichten Song an, das zu Beginn der 90er mit der L.A.-Band Red Devils entstandene Blues-Cover "Checking Up On My Baby", drängt sich gegen Ende der Gedanke auf, dass Jagger in seinem ureigenen Terrain vielleicht doch am besten funktioniert. Den R'n'R verraten hat er deshalb noch lange nicht.

Trackliste

  1. 1. God Gave Me Everything
  2. 2. Put Me In The Trash
  3. 3. Just Another Night
  4. 4. Don't Tear Me Up
  5. 5. Charmed Life
  6. 6. Sweet Thing
  7. 7. Old Habits Die Hard
  8. 8. Dancing In The Street
  9. 9. Too Many Cooks (Spoil The Soup)
  10. 10. Memo From Turner
  11. 11. Lucky In Love
  12. 12. Let's Work
  13. 13. Joy
  14. 14. Don't Call Me Up
  15. 15. Checkin' Up On My Baby
  16. 16. (You've Got To Walk And) Don't Look Back
  17. 17. Evening Gown

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7 Kommentare

  • Vor 16 Jahren

    Mick ist Mick und die Stones sind die Stones.
    In einem Interview mit dem stern sagte Mick einmal, dass sich die einzelnen Mitglieder der Band nie ähnlich waren und das man auch nicht sagen kann, sie wären Freunde. Sie sind nur auf der Bühne eine Gemeinschaft.
    Da ist es kaum verwunderlich, dass er sich immer wieder an dem Strohhalm "Soloalbum" klammert - sicher ist es kein Vergleich zu den Bandalben, aber wenn es seinem Ego hilft seis ihm gegönnt. :cool:

  • Vor 16 Jahren

    "Lucky in Love" mit Herbie Hancock an den Keyboards und Jeff Beck an der Gitarre - alles andere als ein Strohhalm. Was für ein cooler Song. Ich liebe ihn.

  • Vor 16 Jahren

    das erste lied ist ein feger. obwohls mit lenny kravitz ist.