14. Juni 2010

"Bei Unheilig mach ich mir in die Hosen - vor Lachen!"

Interview geführt von

Genauso überraschend wie beim letzten Mal kommt eines schönen Tages im Mai eine Mail herein geflattert, in der Ralf Hubert ganz nebenbei erwähnt: "Hab da die neue Mekong Delta fertig, willste vielleicht mal hören?"Was ist das denn für ne Frage? Hätte der Papst gern nen gesunden Satz Eier? HER DAMIT! Und so sitz ich wenige Tage später auch schon wieder am Schreibtisch und warte auf den Anruf aus Hamburg, um mal den Stand der Dinge im Hause Mekong Delta zu erfahren.

Moin Ralf, wie sieht es denn jetzt bei euch aus mit Label und Vertrieb und allem anderen?

Alles geklärt, war aber auch wieder ein ziemlicher Ärger. Grundsätzlich hatten wir ne ganze Reihe an Angeboten, aber was die meisten Labels heutzutage anbieten, ist eigentlich eher peinlich. Ok, wir haben hier mit meinem Studio und dem ganzen Equipment, was jeder von uns schon rumstehen hat, eigentlich das meiste vor Ort und müssen dafür nicht erst blechen. Aber alles in allem dürfte die Produktion der neuen Scheibe schon 20.000 Euro gekostet haben. Wenn dann irgendwelche Labels mit 10-15.000 Euro an Vorschuss kommen – was im Endeffekt meist eh alles ist, das du je von denen siehst – dann kann ich da nur müde lächeln. Also hab ich mir erst mal ein paar Vertriebe angeschaut, was die so vorschlagen. Ich werde das letztendlich mit verschiedenen Vertrieben handhaben. Den Hauptteil mit H'Art übernehmen und ich mach die Veröffentlichung einfach wieder über mein eigenes Label Aaarrgh Records.

Damit schließt sich der Kreis also wieder und du hast alles wieder in der eigenen Hand.

Absolut und das macht für mich auch am meisten Sinn. Die anderen Labels haben viel zu viel Schiss vor allem, was die letzten Jahre in der Musikindustrie passiert ist. Die sollen einfach mal vernünftige Musik veröffentlichen, dann sieht das wieder ganz anders aus. Der Scheiß, der da auf den Markt kommt und im Radio oder Fernsehen läuft, für sowas geb ich doch kein Geld aus.

Da sagste was. Und das ist ja nicht nur im Mainstream Bereich so, sondern greift auch immer mehr auf den Metal über. Allein die Masse an Veröffentlichungen ist ja schon kein Spaß mehr.

Man hat manchmal wirklich den Eindruck, dass so Zeug wie Youtube und Twitter mittlerweile auf die Musikindustrie übergegriffen hat. Dort wird auch jeder Furz, den einer lässt, veröffentlicht und scheinbar greifen viele Labels dieses Prinzip ebenfalls auf. Sowas KANN auf Dauer gar nicht funktionieren. Aber ich muss auch sagen, dass ich den Sinn in diesem ganzen Net 2.0-Kram nur bedingt erkennen kann. MySpace war und ist für Bands bestimmt noch ne interessante Sache, aber mir geht das langsam aber sicher auch auf den Sack. Wie willst du das als Musiker denn noch alles machen, wenn du nicht ein paar Leute hast, die das für dich erledigen? Ich teil mir den meisten Kram ja noch mit Martin (LeMar, d.Verf.), unserem Sänger, der ist Netztechniker. Das ist ne feine Sache. Von daher sind wir auch auf Facebook und all dem Kram, aber persönlich finde ich das alles andere als spannend. Was soll denn dieser ganze Scheiß mit diesen Farmspielchen oder Mafia oder was weiß ich alles? Das klaut dir doch nur irgendwelche Lebenszeit, die du nie wieder zurück bekommst. Und es wird wirklich jeder Furz publiziert!

Das sagste was! Was juckt es mich denn, ob sich jemand am Arsch kratzt?

So isses doch, aber vielleicht sind wir dafür einfach nicht geschaffen. Vielleicht ist das Problem einfach, dass wir noch denken (lacht). Menschen, die ihr Gehirn benutzen, kommen langsam echt ins Hintertreffen, das nimmt kein Ende. Ich hab mich neulich erst richtig weggeschmissen vor Lachen, als unser von und zu Guttenberg den Spruch abgelassen hat: "Wir befinden uns in einem Zustand, den man umgangssprachlich als Krieg bezeichnet!" Was soll denn bitte der Scheiß? Wenn will man mit sowas verarschen? Wie kommen sich die Jungs, die in Afghanistan den Kopf hinhalten müssen, bei so etwas denn vor? Denen fliegen die Kugeln um die Ohren, haben aber selber keine Schießerlaubnis ...

Was dir medial mittlerweile geboten wird, ist unter aller Sau. Wenn ich morgens ins Büro komme gibt's erst mal Kaffee, ne Kippe und dann check ich Nachrichten im Netz, auf allen möglichen Plattformen. Da herrscht natürlich überall der Zwang, Neuigkeiten zu erzeugen. Dass die dann stellenweise immer flacher und dämlicher werden, muss eigentlich nicht verwundern. Mann MUSS ja ständig irgendwie präsent sein und über etwas berichten. Das färbt irgendwie auf die Privatpersonen und ihren Social Network-Kram ab.

Das ist schon klar, aber wenn man dann wirklich mal ne sinnvolle Information reinstellt, wie, dass man mit der eigenen Band am Wochenende irgendwo spielt, bekommt man von seinen sogenanten 'Friends' nur Antworten wie: "Wieso soll ich vor die Tür gehen, ich bekomm hier im Netz doch alle Musik die ich will." Ja, du Arsch und wir als Band gehen dabei vor die Hunde ...

In Anthony Burgess Buch "A Clockwork Orange" steht ein großartiger Satz, der im Film, glaube ich, leider gar nicht vorkommt: "Es ist erstaunlich, dass Blut nur auf der Leinwand echt wirkt!" Und das kannste genau so auf alles andere übertragen. Gerade die Amis mussten schon immer erst einmal ins Fernsehen kommen, um sich real zu fühlen. Das ist mittlerweile überall der Fall. Daher kommt der ganze Mist, der nachmittags im Fernsehen läuft. Die Leute sind sich selbst nicht mehr real oder präsent genug und müssen sich dementsprechend im Netz produzieren. Aber was willste machen? Die sollen ihr Ding machen, ich lass lieber alle zwei Jahre mal Taten sprechen in Form neuer Musik.

Sehr schöne Überleitung zum eigentlichen Thema. Ich bin ja schon froh, dass es dieses Mal nicht wieder Ewigkeiten gedauert hat.

Ja, dabei hat es dieses Mal doch auch wieder länger gedauert. Das lag aber weniger am Komponieren, sondern eher an unserem Nesthäkchen Alex (Landenburg), unserem Drummer. Der hatte verdammt viel um die Ohren, weil er mittlerweile der Vorführdrummer für zwei Firmen ist und das weltweit. Der ist also dauernd auf irgendwelchen Messen in Hongkong oder Tokio oder sonst wo unterwegs. Das hat dann die Aufnahmen ein bisschen verzögert.

Aber Japan ist doch auch für euch ein großer Markt. Warum packt ihr nicht alle mit ein, fliegt mit rüber und hängt ein paar Shows dran?

Japan ist mit der größte Markt für uns, aber so einfach ist das dann doch nicht. Angebote bekommen wir mehr als genug, das sind dann aber so Sachen wie: "Hey, wollt ihr nicht bei uns spielen? Wir geben euch 500 Euro." Äh, hallo? Ich will durch die Gigs nicht reich werden, aber wenn ich meine Kosten gedeckt habe, sollte ich mir mindestens noch ne Kiste Bier kaufen können. Ich weiß echt nicht, was für Vorstellungen die Leute langsam haben. Da sollste irgendwo in den Appalachen für 800 Euro spielen. Ja, klar. Ich komm dann mit meinem iPod vorbei (lacht). Ich weiß auch nicht. Ich hab das Gefühl, dass alles langsam vor sich hin bröckelt. Ob das reinigend ist oder nicht, werden wir dann sehen. Aber alles, was nicht mehr im Fernsehen in irgendeiner Form präsent ist, wird von der Bevölkerung kaum mehr wahrgenommen.

Bestes Beispiel sind da wohl Unheilig ...

(Schallendes Gelächter tönt mir entgegen) Du meine Fresse, als ich den zum ersten Mal gesehen hab, bin ich beinahe abgebrochen. Wie ist das aufgesetzt. Das kauft dem doch keiner ab, wenn der vor einem steht. Ich würd mir glaub ich in die Hose machen vor Lachen. Manchmal kann ich gar nicht so viel fressen, wie ich kotzen möchte. Ich hab die zweimal im Fernsehen gesehen und hoffe, damit hat sich das erledigt. Da setzt bei mir sofort immer eine Fluchtbewegung ein, aber manchmal kann ich gar nicht so schnell wegrennen, wie ich das gern hätte.

Jede Generation bekommt, was sie verdient!

Lass uns doch bitte einmal über etwas Erfreuliches reden. Über euch zum Beispiel. Im letzten Interview hast du noch erzählt, dass sich AFM so darüber gefreut hätten, wie zahlreich die Vorbestellungen zu "Lurking Fear" gewesen wären.

Das lief auch ganz gut. Wir haben rund 10.000 Alben verkauft, weltweit dürften das 20 - 25.000 gewesen sein. Damit kann man eigentlich schon zufrieden sein. Nachdem die Promo raus war, ging es nicht lange und du hast das Album auf etwa 27 Servern bereits zum Download gehabt. Das stört mich aber grundsätzlich nicht, weil sich viele Fans das Album eh kaufen, wenn sie es gut finden. Wobei ich wirklich nicht verstehe, dass sich viele Leute MP3-Files von Rockmusik aus dem Netz ziehen. Das geht vom Klang her einfach überhaupt nicht!

Das Ding ist halt: Wo hören die Leute denn die Musik noch? Nur in den seltensten Fällen tatsächlich über eine gute Anlage daheim. Maßgeblich eigentlich nur noch auf dem iPod.

Ja, ja, da haste wohl recht. Das Thema hatten wir bandintern erst neulich. Ich kann mich über Mpeg und MP3 immer fürchterlich aufregen. Unser Gitarrist Erik meinte, dass seine Gitarrenschüler alle immer nur mit dem iPod ankämen und dann immer ganz überrascht sind, wenn er im Studio mal die richtigen Boxen anmacht. Da bekommen die ganz große Augen, wenn man auf einmal nen Bass hören kann… Aber man soll nicht drüber jammern, jede Generation bekommt, was sie verdient (lacht).

Hartes Urteil! Aber in vielen Fällen verdient. Aber einmal mehr zurück zu euch. Du hast ja mittlerweile schon wieder ein komplett neues Line-Up am Start.

Das war leider zwingend notwendig. Wir hatten eigentlich nach "Lurking Fear" eine komplette Tour mit 15 Shows stehen, die auch relativ hoch dotiert war, aber dann hat sich ein Aushilfsmann den Arm gebrochen und danach hatten Peter (Lake) und die anderen Jungs keine Zeit mehr. Ich wollte aber unbedingt live spielen und Uli (Kusch – Drummer) hat mir geholfen und schließlich Alex empfohlen. Der hat sich daraufhin bei mir gemeldet, ich habe ihm etwas zugeschickt und das Zeug war in kürzester Zeit perfekt eingetrommelt. Über den Alex hab ich den Benedikt (Zimniak – Gitarrist) kennen gelernt und den Erik kannte ich ja eh schon. Damit waren wir dann fast komplett, bis auf den Sänger. Das war dann wieder das übliche Spiel, das mich schier zur Verzweiflung getrieben hat. Auf der anderen Seite kannste mit so Gesangsdemos auch immer herrliche Lachabende machen. Einfach ne Flasche Wein, Tapes anhören und nicht schauen, wer da gerade versucht zu singen. Irgendwann bin ich jedenfalls über den Martin gestolpert. Der kommt aus einer Familie, in welcher die Eltern professionelle Opernsänger sind. Er ist Tenor und für ihn war das quasi ne Kleinigkeit, sich in meine Sachen rein zudenken. Auf Tour war das für ihn erst mal was Neues, aber was er auf dem Album singt, finde ich absolut gigantisch!

Der Gesang ist stark, aber was sofort auffällt, ist, dass er stimmlich tiefer angesiedelt ist als seine Vorgänger.

Das ist richtig. Der Einzige, der da extrem flexibel war, war der Bobo (Wolfgang Borgman), unser erster Sänger. Der konnte sowohl hoch, als auch tief. Alles, was danach kam, ging irgendwie immer weiter nach oben. Leo (Szpigiel) war Falsett, was einfach verdammt hoch ist. Ich kannte dann immer nur den Unterschied zwischen Gröhler und diesen hohen Stimmlagen. Da fand ich Martin dann echt schon ein Gottesgeschenk, denn er passt perfekt in die Tonlagen rein und füllt sich richtiggehend aus. Das gefällt mir persönlich super. Versteh mich nicht falsch, ich will keinen meiner alten Sänger abwerten, die waren alle klasse! Aber Martins Stimme ist einfach perfekt für die neuen Stücke.

Werdet ihr die alten Nummern für ihn transponieren oder singt er die in den entsprechenden Tonlagen.

Das singt der locker! Bei manchen Extremlagen zieht er die halt runter, aber das ist durchaus legitim. Die Leute, die das bislang live erlebt haben, vor allem in Russland, waren von Martin hellauf begeistert. Vor allem live macht der Junge richtig was her und ich kanns kaum erwarten, endlich wieder mit den Jungs auf die Bühne zu kommen.

Als wir uns das letzte Mal unterhalten haben, hattest du Peter Lake ja noch nicht einmal getroffen. Kam es eigentlich jemals zu einem Treffen, nachdem die Tour geplatzt ist?

Ja, auf jeden Fall. Der war ein Wochenende hier und wir haben uns ein wenig beschnuppert. Wir haben das damals in der Wohnung von Leo gemacht und waren innerhalb kürzester Zeit alle hackedicht (lacht). Das war schon ein netter Abend, aber leider wurde ja nichts mehr draus, da sich die Tour im Sande verlaufen hat. Wir stehen nach wie vor per Mail in Kontakt und das Solo im dritten Satz stammt auch von ihm. Ich finde das ne ganz interessante Sache, mit ein paar Gastmusikern zu arbeiten und werde das auch in Zukunft öfters versuchen.

Was spielst du eigentlich im Studio alles und was machen die anderen Jungs?

Also ich spiel natürlich den Bass und sämtliche Konzertgitarren. Und den Rest, das machen die anderen Jungs nach dem gleichen System wie immer. Die Partitur wird angelegt, das geht mit dem neuesten Steinbach-Produkt recht locker. Das wird auf Midi-File verteilt mit einem simulierten Bass, ein anderer Synthie simuliert die Gitarren und das bekommt dann jeder zugeschickt. Dann treffen wir uns, um etwaige Frage zu klären oder ein paar Veränderungen vorzunehmen und dann wird das Zeug auch schon eingespielt. Die Gitarren und den Gesang von Martin haben wir alles bei Erik im Studio aufgenommen. Die Drums und meine Sachen haben wir bei mir im Studio aufgenommen. Drums mach ich, da führt kein Weg dran vorbei (lacht).

Und wie weit ist der Einfluss der anderen?

Nicht vorhanden (lacht). Nein, die haben ja ihre Notation. So muss das gespielt werden, oder gar nicht. Mekong Delta ist mein Baby und ich sag, wo es lang geht. Die Soli sind natürlich das Ding der Gitarristen und die Drums sind auch weitgehend frei. Das arbeite ich immer mit den Drummern zusammen aus. Mit Martin hab ich die Gesangslinien auch zusammen ausgearbeitet, wobei es mit meinem Gehuste natürlich schwierig ist, die Ideen rüber zubringen. Aber Jungs wie Bobo, Leo oder Martin wissen relativ schnell, was ich meine und können das perfekt umsetzen. Vor allem, wo ich die Schwerpunkte in der Rhythmik sehe. Der Martin kam vorbei, als wir die Gitarren bei Erik aufgenommen haben. Wir haben uns dann ein paar Bier genehmigt und dann gesungen, bis kein Bier mehr da war.

Dann hat nur noch Martin gesungen …

Ich hab dann auch noch gesungen, aber ich glaube nur schmutzige Seemannslieder oder etwas in der Art (lacht). Davon gibt es aber leider keine Aufnahmen mehr. Leo hat allerdings angedroht, meine Gesangsvorschläge der letzten Scheibe irgendwann mal zu veröffentlichen und das wäre seeeehr bedenklich.

Warum erscheint gerade jetzt eine Fortsetzung von "Dances Of Death"? War das für dich schon immer ein Thema, dass noch nicht abgeschlossen war?

Auf jeden Fall! Das hat damals schon mit dem Cyborg auf der "Principle Of Doubt" angefangen. Auf "Dances Of Death" hab ich die Geschichte dann fortgeführt und wollte jetzt neben meiner Arbeit an "The Heart Of Darkness" - die ja immer noch läuft – einfach mal die Geschichte des Geigers weiterführen. Musik kann man ja unterschiedlich umsetzen. Man kann einfach nur mal was Schnelles, mal was Langsameres komponieren, oder man versucht, das Ganze auf emotionaler Basis umzusetzen. Das hab ich jetzt mit der neuen Scheibe versucht. Für mich ist das ne Art Vorstudie zu "The Heart Of Darkness".

Wie oft trefft ihr euch eigentlich um die Sachen zu proben.

Eigentlich eher selten, weil ich Proben nicht allzu viel abgewinnen kann. Ich hasse es, vor einer Show mehr als drei Stunden zu proben, weil ich der Meinung bin, entweder man kann das Zeug oder man kann es nicht. Aufeinander eingespielt sind wir sowieso und dann erwarte ich von allen Beteiligten, dass die Sachen sitzen. Da ist es mir auch egal, ob das ne wichtige oder ne unwichtige Show ist. Ich bekomm ne halbe Kiste Bier und dann bin ich wieder weg (lacht). Mich hat das schon von jeher angekotzt, wenn ich geprobt habe und irgendeiner konnte seine Sachen nicht spielen. Das sind Hausaufgaben, die du daheim erledigen musst. In der Probe kommt es dann auf das Zusammenspiel an, da reichen auch drei Stunden. Wenn die Gitarristen ihre Soli abstimmen, oder absprechen, wie man die unzähligen Gitarren der neuen Songs am besten aufteilen kann, dann muss ich doch nicht dabei sitzen. Der Alex ist auch so ein Einzelkämpfer und spielt das Zeug meist nur für sich alleine.

"2012 geht die Welt unter? Bis dahin kann ich noch fünf Alben schaffen!"

Korrigier mich, wenn ich mich irre, aber einen solch eingängigen Song wie "Affection" hat es von dir noch nie gegeben.

Nein, gar nicht. Die Eingängigkeit stammt vor allem von Martin, der bei der Nummer sogar den Text geschrieben hat. Ich wollte eigentlich nur eine bestimm'te Tonabfolge auf der Konzertgitarre spielen und Martin war davon so begeistert, dass er das gleich als seinen Song deklariert hat (lacht). Ich hab jeden Tag neue Melodien von ihm bekommen, der war echt Feuer und Flamme. Das merkt man dem Song an, gerade mit den Chören. Sowas hatten wir bislang noch nicht, aber das kann man eben auch nicht bei jedem Song machen. Da hat Martin doch großen Einfluss drauf genommen. Den Song finde ich richtig cool! Ich werde auf den kommenden Alben immer ein wenig mehr experimentieren, vor allem mit der Konzertgitarre. Da ist das Potential noch lange nicht ausgeschöpft. Ich will die Leute jedoch nicht vor den Kopf stoßen, sondern lieber häppchenweise ein bisschen locken (lacht). Ich brauche einfach unterschiedliche Ausdrucksmöglichkeiten und will mich nicht einschränken. Der Expressionismus, der die letzten Scheiben maßgeblich beeinflusst hat, ist für mich ausgeschöpft. Da könnte jetzt nur noch ganz wirres Zeug kommen, bei dem kein Mensch mehr durchblickt und das muss nicht sein. Mit dem neuen Album habe ich versucht, die Komplexität zu erhalten, diejenige des Gesangs in eine andere, harmonische Ebene zu bringen und sobald die Band alleine spielt – volle Breitseite!

Ich hab noch so viele Notationen von Sachen, die ich gerne mal machen und ausprobieren will. Ich weiß echt nicht, ob ich die noch alle schaffe, oder vorher schon abgenippelt bin (lacht). Wir haben ja noch ein bisschen Zeit. Wie war das? 2012 geht die Welt unter? Bis dahin kann ich noch fünf Alben schaffen.

Dann ist ja gut. Bis dahin ist Roland Emmerich hoffentlich explodiert. Haste eigentlich mal wieder in deinen Perry Rhodan-Romanheften geblättert?

Wirst lachen, nach unserem letzten Gespräch hab ich mir ein paar Wochen später die Bücher geholt und weißte was? Ich war schlagartig wieder in der Science Fiction-Welt und hatte auf einen Schlag die ersten zwei Bücher durch. Auf einmal war ich wieder 20, 25 Jahre jünger und bin vollkommen in meiner Fantasie aufgegangen. Dafür brauch ich keinen Film oder etwas in der Art, da reicht eine gute Story, ein gutes Buch und die eigene Fantasie. Dies geht mittlerweile aber leider vielen Leuten ab. Das finde ich traurig. Das hängt aber auch damit zusammen, dass viele einfach so den Arsch voll zu tun haben, dass sie sich gar nicht mehr die Zeit nehmen können für sowas. Es zählt nur noch die schnelle Unterhaltung. Alles, was ein wenig Mitdenken erfordert, ist nach dem Feierabend schon zu viel des Guten.

Das zieht sich aber durch alle Bereiche. Schau doch mal, was einem von Politikern und Konzernen für eine Scheiße vorgesetzt wird. Keiner bekommt mehr den Arsch hoch um auf die Straße zu gehen und zu sagen: "Nicht mit mir!"

Ich glaube, das wird irgendwann ganz gewaltig kommen.

Ach ne, von wem denn?

Von mir!!!

Gib rechtzeitig Bescheid, ich bin dann dabei. Aber gelebte Demokratie bedeutet nun mal, dass man sich selber auch dafür einsetzen und stark machen muss. Das machen leider nur noch die Wenigsten.

Da hast du auf jeden Fall Recht. Die andere Seite sieht aber so aus, dass jeder meint, er müsste zu allem ne Meinung haben. Wenn ich mir auf spiegel.de die Kommentare von den Usern durchlese, wird mir immer ganz anders. Abgesehen davon, dass Spiegel mittlerweile auch unter aller Sau ist. Aber der Ton und der Inhalt der Kommentare ist meist noch unter Stammtischniveau. Und da fragen sich die Leute, wie ich bei manchen Diskussionen stundenlang dabei sitzen kann, ohne eine Wort zu sagen. Verdammte Axt, wenn ich zu einem gewissen Thema nichts sagen kann, weil ich mich damit nicht auskenne, halt ich lieber die Schnauze und hör zu. Im Idealfall lernt man noch etwas. Aber das scheint heute nicht mehr gefragt zu sein. Heute muss anscheinend jeder zu allem seinen Senf dazu geben. Das hatten wir aber vorher schon mit Twitter und allem.

Was benutzt du eigentlich live an Equipment?

Ich hab hier ne Highend-Anlage von Hartke stehen, die kann ich aber nicht immer mitnehmen. Ich hab von Fernandez jetzt einen guten Bass gestellt bekommen, der meinem alten sehr ähnelt, vor allem wiegt der mal ne halbe Tonne weniger (lacht). Das kann schon was ausmachen. Live spiel ich aber über ne ganz normale Ampeg-Anlage. Da gibt es mit meinem Steinberger gar keine Probleme, weil ich mit dem Ding überhaupt keine Klangregelung brauche. Das Ding wird eingesteckt und fertig. Im Studio benutze ich die Hartke-Anlage und hab auch einige Sachen von Steinberg hier rumstehen, mit denen ich gerne arbeite. Meist spiele ich die Sachen direkt in den Rechner ein und wenn das gut klingt, bau ich den Amp auf und mach re-amping. Das merkt man vor allem auf der neuen Scheibe, weil dadurch der Bass eine richtig schöne Tiefe bekommt.

Warum liest man eigentlich nirgendwo etwas über den Privatmann Ralf Hubert?

Ganz einfach, weil ich großen Wert drauf lege, dass mein Privatleben privat bleibt (lacht). Ich geb mit meiner Musik schon genug von mir Preis, das muss reichen.

Ok, kann ich akzeptieren. Dann wüsste ich aber noch gern, was denn für dich einen guten Bassisten ausmacht?

Hah, das is ne gute Frage. Standartmäßig muss ein Bassist natürlich ein sehr gutes Rhythmusgefühl haben und dementsprechend mit jedem guten Drummer klarkommen. Das ist für mich die Basis eines jeden Bassisten. Dann kommen eben ein paar Sachen, die ICH sehr wichtig finde und andere bestimmt nicht so sehen. Zum Beispiel finde ich es wichtig, dass ein Basser ein Tasteninstrument beherrscht, um sich über Harmoniestrukturen Gedanken machen zu können. Wenn ich von meinem Bassspiel ausgehe, ist das so, dass ich nur äußerst selten ausschließlich den Grundton halte, sondern oftmals auch Akkorde spiele, da ich von der Konzertgitarre her komme. Aber dass sich der Basser und der Drummer wirklich gut verstehen, halte ich für den wichtigsten Punkt. Die müssen gut zusammen saufen können, dann passt das (lacht). Die notwendige Technik am Bass setz ich jetzt einfach mal voraus. Allerdings seh ich oft genug Leute mit nem Sechssaiter auflaufen, die noch nicht mal einen Viersaiter beherrschen. Ich hab so ein Ding hier stehen, hab mich aber noch nicht getraut, den einzusetzen. Schon allein deswegen, weil die Möglichkeiten damit so fantastisch sind, dies aber für mich ein völliges Umdenken erfordert. Gerade auf so einem Ding bist du ohne die Kenntnisse, über die ich gerade gesprochen habe, vollkommen aufgeschmissen. Oder du bist einfach nur ein Poser.

Was steht denn als nächstes bei dir auf dem Plan.

Ich bin schon kräftig dabei, den Geiger von unserem Cover zu animieren. Das ist ne Höllenarbeit aber macht auch Spaß. Vor allem sieht das Ding schon richtig geil aus. Allein das Coverartwork von Eliran Kantor ist schon wieder überragend. Es wird davon eine LP geben und da wird das erst richtig zur Geltung kommen. Das Digipack ist schon ne feine Sache, aber im LP-Format lassen sich doch mehr Details erkennen.

Meine Abschlussfrage an dich: Abgesehen von Perry Rhodan, was würdest du unseren Lesern als Buch empfehlen?

Hm, ein Buch, das mich sehr beeindruckt hat, war "Die Jagd Nach Zero Point" von Nick Cook. Das hab ich wirklich verschlungen. Es geht um Apparaturen und Instrumente, mit denen man die Schwerkraft aufheben kann. Das Buch ist schon eher dokumentarisch, aber geschrieben wie ein Roman. Der Autor ist relativ bekannt und in der Luft- und Raumfahrtszene durchaus etabliert. Bei seinen Nachforschungen ist er schließlich auf jede Menge Dinge und Apparaturen gestoßen, die bereits im Dritten Reich entwickelt und getestet wurden. Da wird dir schwindlig, wenn du das liest. Fand ich sehr interessant.

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