5. April 2017

"Zum entscheidenden Schritt fehlt der Mut"

Interview geführt von

Singer/Songwriter Max Prosa steht kurz vor der Veröffentlichung seines dritten Albums "Keiner Kämpft Für Mehr".

Wir erreichen Max Prosa während seiner Promotour durch die Republik inklusive Filmportrait, und das auch noch einen Tag vor Release. Trotzdem erscheint der Musiker am Telefon als überaus entspannter Gesprächspartner und spricht über das Texten, das Filmen und das "Mehr".

Du stellst aktuell dein Album mit einem einstündigen Porträt-Film vor. Erzähl uns von den Dreharbeiten?

Wir haben uns die Frage gestellt, mit welchen Bildern und Videos wir die Geschichte des Albums erzählen, welcher Kontext dazu passend sein könnte. Meine Plattenfirma hatte dann die Idee, den Regisseur M. A. Littler anzusprechen und wir haben uns sofort gut verstanden und hatten eine Idee im Kopf. Er hat mich dort eingefangen, wo ich grade bin und wo ich hin will. So erklärt sich auch der Titel: Auf der Suche nach mehr.

Im Gegensatz zur bildenden Kunst spielt der Kontext bei Musik recht selten eine Rolle ...

Dabei ist Kontext so wichtig. In dieser Zeit, in der so viele Sachen auf uns einprasseln, die nur für kurze Aufmerksamkeitsspannen gemacht sind, ist es um so reizvoller, etwas zu schaffen, das einen längeren Bogen schlägt und tiefer geht. Vielleicht ist uns das mit dem Film gelungen.

Bei so einem Projekt muss man die Kamera ziemlich nahe an sich ran lassen – ist das nicht irgendwie unangenehm?

Wir sind gemeinsam nach Irland gefahren und haben dort eine Woche zusammen gelebt. Und da wurde die Kamera immer mehr zu einem Begleiter, an den man sich mehr und mehr gewohnt hatte. Später sind dann auch vor der Kamera Sachen passiert, an die zuvor nicht zu denken war.

"Mehr" finden, "mehr" verlieren!

Du beschreibst deine Texte als Komprimierung, die möglichst viele Leute ansprechen soll. Wie lange feilst du teilweise an deinen Formulierungen?

Ich brauche wirklich lange für meine Texte. Den Titelsong "Keiner Kämpft Für Mehr" trage ich bereits seit meinem ersten Album mit mir herum und ich habe immer daran gearbeitet. Und so hat der Text wohl noch bestimmte Situationen und Erfahrungen gebraucht, bis ich ihn fertig schreiben konnte. Ich habe aber auch schon Texte überarbeitet und dann festgestellt, dass der Text zuvor viel besser und prägnanter war. Im Arbeitsalltag versuche ich morgens eine Art Leere zu schaffen, um dann festzustellen, was mich am jeweiligen Tag berühren kann.

Im Zentrum des Ganzen findet sich dieses ominöse und abstrakte "Mehr". Was ist das? Was suchst du?

Das muss auch abstrakt bleiben, weil es etwas Übergeordnetes ist, das auf unterschiedlichen Ebenen stattfindet. In "Keiner Kämpft Für Mehr" treffen sich Freunde nach einer langen Zeit wieder und anstatt über das Entscheidende zu sprechen, das da im Raum steht, sprechen sie über etwas ganz anderes. Der Schritt zum "Mehr" wird nie gegangen, dazu fehlt der Mut. Oder: Alle bedauern, dass es da draußen Kriege gibt, aber zu wenige sind so konsequent zu sagen: Wir stellen jetzt die Waffen hier bei uns nicht mehr her, mit denen diese Kriege geführt werden. Solche Vorgänge finden zum Teil in gesellschaftlichen Diskursen statt, aber der konsequente Schritt wird trotzdem nicht gegangen, weil er ein Risiko bedeutet, in diesem Fall ein ökonomisches. Aber nur dann kann eine bessere Welt entstehen, irgendwo muss es anfangen. Vielleicht dauert es seine Zeit. Ich hab das "Mehr" für mich immer mal wieder gefunden. Aber eben auch immer wieder verloren.

"Es ist so paradox ..."

Aber warum sucht man nach "Mehr", wenn man doch "Glücklich Mit Nichts" ist?

Das ist eine andere Ebene. "Glücklich Mit Nichts" handelt eigentlich davon, dass wir täglich so viel Zeit damit verbringen, materiellen Reichtum anzuhäufen. Für den geistigen Reichtum planen viele vielleicht eine halbe Stunde vor dem Schlafengehen ein – obwohl wir alle wissen, dass dieser geistige Reichtum viel mehr zu unserem Glück und Wohlbefinden beiträgt. Es ist so paradox.

Wir erwischen dich heute direkt vor dem Release-Tag: Wie fühlt sich das an? Fällt da der Druck gerade ab und ist er auf dem Höhepunkt?

Ich bin natürlich gespannt auf was alles, was jetzt noch in den nächsten Wochen kommt. Aber im Prinzip existieren die beiden Prozesse, also das Schreiben einerseits und die Veröffentlichung andererseits, nebeneinander. Ich bin deshalb eigentlich auch schon viel weiter und arbeite bereits an neue Sachen. Es geht also abermals darum "Mehr" zu finden. Trotzdem bin ich schon gespannt und freue mich.

Mindestens die Vorboten des Album klingen sehr poppig – bewusste Entscheidung? Und: Werden deine kommenden Projekte in eine ähnliche Richtung oder eher zurück zu Wurzeln gehen?

Das weiß ich noch nicht, da ist beides möglich. Aber ich bin sehr glücklich damit, dass alle meine drei Alben ganz unterschiedlich klingen. Dieses Mal habe ich erstmals mit einem Produzenten gearbeitet. Und der ist im Pop zu Hause, dementsprechend hört man auch seinen Einfluss auf dem Album, das fand ich spannend und jetzt mal sehen, wie es weitergeht.

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