laut.de-Kritik

Gnadenlos belanglose Gassenhauer des Grauens.

Review von

Mit "Im Auge Des Sturms" machen die Dresdener das runde Dutzend voll. Alles soll anders werden. Mehr Gothic-Rock und eine fette Absage an jegliches Programming, Sampling und Elektro-Getüdel. "Aufwühlend und nachdenklich" soll es klingen. Doch so hehr ihr Anspruch auch sein mag: Die Letzte Instanz scheitert einmal mehr an den eigenen vollmundigen Vorgaben und liefert die womöglich langweiligste Schallplatte des Jahres ab.

Die Verpackung erscheint auf den ersten Blick recht schön. Die trügerische Ästhetik liegt nahezu ausschließlich an Violine und Cello. Im Dialog mit Gitarren und Drums entsteht typischer Folkrock, der im Ergebnis recht viel mit Fiddler's Green und Konsorten zu tun hat, rein gar nichts mit Gothic- oder Dark-Rock.

Nun fiele dieser Hauch Etikettenschwindel kaum ins Gewicht, ginge es songwriterisch ordentlich zur Sache. Leider versagen die Instanzler hier auf ganzer Linie. Hinzu kommt eine unentschlossene Produktion, die sich zwischen geglättetem Formatradiosound und gelegentlichem Baukastenrock tot läuft. Sänger Holly präsentiert dazu Texte, die genau so viel Volumen haben wie sein Gesang. Das ist wahrlich kein Kompliment.

Schon der Opener bestätigt eindrucksvoll, was alles nicht funktioniert. Unglaublich viele Füllworte, überforderte Prosa, die zu gern Lyrik sein möchte, dafür aber keine einzige originelle Idee jenseits ausgelatschter und plumper Pennälerpoesie parat hat. "Immer sagt man, dass alles bleibt, wie es ist (...) Tragisch, tragisch (...) Können wir nicht noch mal beginnen, uns etwas zu geben, das nicht an der Zeit zerbricht? Etwas, das unsterblich und so wie früher aus dem Rahmen fällt?"

Bei so viel überflüssigen Silben und Backfischtagebuch-Tammtamm kann nur noch jener Hörer zugreifen, den auch das lyrisch finstere Lacrimosa-Frühwerk nicht abschreckt. Ein Lektor plus ein wenig Hemingways'sche Reduktion hätten geholfen. Stattdessen gibt es nicht einmal vernünftigen Gesang dazu. Monotone, kraftlose Vocals, schön lecker nach vorn gemischt, damit die schwächelnde Stimme nicht von den Instrumenten erschlagen werde. Ganz schlimmes Klangbild!

Im Verlauf der Scheibe wird es selten besser, oft aber schlimmer. Gnadenlos belanglose Gassenhauer des Grauens lauern an jeder Ecke. "Ganz Egal" beerdigt mit seinem Bügelbrett-glatten Sound und Kirmes-tauglichem Wolle Petry-Chorus alles, das echte Folkrocker wie etwa die New Model Army je aufbauten. "Wir wehren uns gegen jeden Furcht!" Nein, sie lehren jeden das Fürchten, der künstlerisch noch etwas merkt.

Die guten Ansätze manches potenziell angedeuteten Streicherarrangements ("Traum Im Traum") ersaufen im Pathos sich selbst überschätzender Kindergartenzeilen à la "Wenn ich dich nachts betrachte, weil ich den Schlaf verachte". Spätestens ab diesem Punkt toppen Holly und Co. sogar den Horror vom Unheilig-Verdruss bis zum aktuellen Mono Inc-Erguss.

Zwischendurch gibt es zum Aufpimpen der Mogelpackung ein paar kurze, rein instrumentale Intermezzi. Diese Skizzen machen noch am meisten Spaß und unterstreichen dabei das Scheitern der "richtigen" Songs unfreiwillig deutlich.

Als einzige Ausnahme steht das Titelstück allein auf weiter Flur. Eine sensible Melodie hypnotisiert mit Hilfe des zarten Arrangements. Mit einem echten Sänger wäre das höchst eindrucksvoll und weniger nölig geworden.

Doch eine Instanz gewinnt noch längst keinen Prozess. Spätestens mit der Hinrichtung von Rilkes wundervollem "Der Panther" fährt jeder gute Ansatz mit lauten Knall zur Hölle. Die schönen Zeilen des Originals rocken sie dermaßen lieblos leiernd herunter. Man fragt sich unwillkürlich, ob sie die melancholische Wucht des Gedichts überhaupt verstanden haben.

Als ob das noch nicht reichte, kleben Letzte Instanz dem armen Rilke zu allem Überfluss noch eimerweise eigene Schlagerstrophen an, um ihn textlich zu sich herunter zu ziehen. "Wann kommt die Zeit zur Flucht? Die Sehnsucht hält nichts auf." Die Flucht vor solchen Liedern wäre ein Anfang.

So liefern sie einmal mehr jenen biederen Schwarzszene-Schmand, der auch im zwölften Anlauf keine Besserung zu bieten hat. Wer hingegen echten deutschen Gothic-Rock mit großartigen Texten genießen möchte, dem sei an dieser Stelle so manche CD von Die Art wärmstens empfohlen.

Trackliste

  1. 1. Alles Anders
  2. 2. Ganz Egal
  3. 3. Traum Im Traum
  4. 4. Deuxieme Mouvement
  5. 5. Das Letzte Mal
  6. 6. Der Panther
  7. 7. Im Auge Des Sturms
  8. 8. Koma
  9. 9. C3H5
  10. 10. Nein
  11. 11. Verweht
  12. 12. Die Zeit
  13. 13. Opus III
  14. 14. Zusammen

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