laut.de-Kritik

Dan Auerbach poliert den Sound des alten Soul-Grantlers.

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In den letzten Jahren hat sich am Musikhimmel mit Sharon Jones, Charles Bradley und Lee Fields ein nahezu unfehlbares Dreigestirn des Souls gebildet. Liebhaber des Genres wissen, dass sie bei jedem der drei Künstler blind zugreifen können. "Emma Jean", Lee Fields drittes Album in Zusammenarbeit mit The Expressions, bildet keine Ausnahme. Auch wenn mein Chef mich jetzt schlägt, weil ich hier den Peter Lustig mache: Ihr braucht im Grunde nicht weiterlesen, könnt euch die Platte umgehend zulegen und werdet auch diesmal ganz sicher nicht enttäuscht.

Noch jemand da? Gut. Ein wenig hat sich nämlich schon seit "My World" und "Faithful Man" verändert. Noch immer hört man das barbarische Yawp des Sängers über den Dächern der Welt erschallen. Das Tempo fährt "Emma Jean", das Fields nach seiner Mutter benannte, deutlich herunter. Gemeinsam mit Dan Auerbach (The Black Keys) und dem allgegenwärtigen Leon Michels erfindet er sich zwar nicht neu, dreht aber an interessanten Rädchen. Deutlich spröder zündet nicht jede Idee im ersten Augenblick, doch von Durchgang zu Durchgang bildet sich mehr Magie.

Auerbach hinterlässt mit Blues-Rock und Country-Ansätzen erkennbare Spuren im Sound des alten Soul-Grantlers. Das ergreifende und vom The Black Keys-Mastermind geschriebene "Paralyzed" bringt dies deutlich ans Licht. Massive Bläser, zarte Gitarrenlicks und manch kleines Glöckchen begleitenden den knurrenden und keuchenden Fields, wenn er schmerzerfüllt von der verlorenen Liebe klagt.

Mit der klassischen J.J. Cale-Ballade "Magnolia" verbeugt sich der Sänger vor dem vor einem Jahr verstorbenen Künstler. Mit ausgefülltem Arrangement, schwärmerischer Hammond-Orgel, dröhnender Bassline und wehmütigem Pedal-Steel-Gitarren-Solo passen der leidenschaftliche Fields und seine Freunde von Truth & Soul Records das Stück perfekt in das eigene Repertoire ein. Als gäbe es kein Original, übernehmen sie durch ihre gemächlich zündelnde Energie die Kontrolle über den bittersüßen Song.

"In The Woods", das im Leon Russel-Original noch den Titel "Out In The Woods" trägt, fällt mit seinem grollendem Voodoo-Groove am deutlichsten aus der Reihe. Ein überhitzter Southern-Rock-Sumpf, dessen Gitarren-Solo wie ein Moskito zusticht. Man die Schweißperlen auf Lee Fields Stirn hören.

Mit einem einzigen Wehruf zu Beginn von "Talk To Somebody" unterstreicht der 63-jährige Barde seine Liebe zu James Brown. Dramatisch holen The Expressions in diesem Uptempo-Funk zum alles zermalmenden Punch aus. Die finale Ballade "Don't Leave Me This Way", das Sahnehäubchen auf einem nahezu perfekten Album, bietet wundervoll ergreifenden Soul im Stile eines Al Green. Voller Verzweiflung schreit Fields seinen Kummer und seine Sehnsucht aus dem Tal der zerbrochenen Herzen heraus.

Instrumente und Arrangements klingen auf "Emma Jean" kuschelig angestaubt, die hundertprozentige Hingabe von Lee Fields & The Expressions bleibt zeitlos. Feinheit, Wucht und Authentizität gleichen die zu Beginn fehlende Eingängigkeit der beiden Vorgänger aus. Lee Fields kopiert auf "Emma Jean" nicht den Sound früherer Tage, er selbst ist die klagende Stimme der Vergangenheit in unserer Gegenwart.

Trackliste

  1. 1. Just Can't Win
  2. 2. Magnolia
  3. 3. Paralyzed
  4. 4. Standing By Your Side
  5. 5. Eye To Eye
  6. 6. In The Woods
  7. 7. All I Need
  8. 8. Still Gets Me Down
  9. 9. Talk To Somebody
  10. 10. Stone Angel
  11. 11. Don't Leave Me This Way

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