12. Juni 2003

Die Hüter der verlorenen Konzerte

Interview geführt von

Sie waren Virtuosen an den Instrumenten, und die Fans liebten sie für ihre ekstatischen Shows. Nur mit den Medien hatten Led Zeppelin immer ihre Probleme. Die Radiostationen ignorierten ihre Platten, weil Led Zeppelin keine Singles veröffentlichten, und die Kritiker mäkelten an den vermeintlich simplen Songstrukturen herum. Aber vor allem Fernsehauftritte waren der Band zuwider. Denn dort saßen Techniker hinter dem Mischpult, die, überfordert von den Soundexperimenten der Rockband, zu oft unhörbaren Klangbrei produzierten. Led Zeppelin entschieden sehr früh in ihrer Karriere, nicht mehr im TV aufzutreten.

Es muss also an den fortgeschrittenen technischen Möglichkeiten liegen, wenn Robert Plant, Jimmy Page und John Paul Jones jetzt mit glänzenden Augen von ihrem jüngsten Projekt erzählen. Die gealterten Rockstars haben eine DVD über ihre eigene Geschichte erstellt und rare Konzertaufnahmen, TV-Gigs und Interviews aus den Jahren 1969 bis 1979 zusammen getragen. 18 Monate lang hat das Trio mit Regisseur Dick Carruthers das vorhandene Material gesichtet und geschnitten. Das Ergebnis stimmt sie sichtbar zufrieden.

John Paul Jones: "I love it. Oh, I love it. Als ich diesen fantastischen Surround-Sound im 5.1-Format im Studio hörte, war ich einfach nur platt. Es war ... ich saß da, mein Mund stand offen und es klang einfach richtig, richtig gut. Surround-Sound ist wie geschaffen für Live-Aufnahmen. Es fühlt sich an, als ob man mitten im Publikum steht."

Robert Plant: "Es klingt geil! Einfach nur großartig. Frisch. Damals, die Zeit, die Band, das war mein Leben, das war zu 110 Prozent mein Leben. Ich habe es geliebt, gestreichelt, geschüttelt und gehasst und ihm dann wieder Drinks ausgegeben. Und jetzt kann ich darauf zurückschauen und denke ... wow, was für'n Typ!"

In der Tat ist die die Dreifach-CD "How the West was won" mit einem bisher unveröffentlichten Konzert-Mitschnitt von 1972 imposant; ein besonders beeindruckendes Dokument aber ist die fünfstündige Video-Biografie der Live-Band Led Zeppelin geworden. Die DVD/VHS erzählt über eine heute kaum vorstellbare Musikepoche, in der sich Rockbands noch vier Stunden Zeit nahmen für ein Konzert. Doch der Weg zum fertigen Produkt war beschwerlich. Gitarrist Jimmy Page stolperte zufällig über Aufnahmen eines Gigs in der Londoner Royal Albert Hall. Das Material war unvollständig, aber in gutem Zustand, und so beschloss die Band, nach weiteren der wenigen Aufnahmen zu fahnden. Fündig wurde sie in den eigenen Kellerräumen, bei dänischen und französischen TV-Stationen, denen sie Aufnahmen abkaufte, oder in verschiedenen Lagerhallen in London.

Robert Plant: "Niemand hatte sich das Zeug je angeschaut und so wussten wir auch nicht, wo es lagerte. Ein wenig hatte ich im Keller, aber diese Lagerhallen waren im Laufe der Jahre etliche Mal umgezogen. Zum Glück fanden wir diesen einen Mitarbeiter einer dieser Miethallen. Er ist Led Zeppelin-Fan und er war uns eine sehr große Hilfe. Er durchkämmte alle Kartons und nach und nach tauchten Bänder auf. Wenige zuerst - manche unserer Kartons waren mit "Pink Floyd" beschriftet -, aber langsam füllten sich die Lücken. Manche Aufnahmen waren allerdings gar nicht auffindbar. Ich erinner mich an ein Konzert in Seattle, zum Beispiel. Das haben wir filmen lassen, sind dann allerdings weiter gereist, ohne das Band mitzunehmen. Wo es heute ist? Keine Ahnung. Konzertaufnahmen interessierten uns damals nicht sonderlich."

Nach der abenteuerlichen Suche und der Restaurierung der wertvollen Raritäten - manche hatten in feuchten und verrosteten Boxen gelagert und mussten drei Wochen lang in einem Spezialofen gebacken werden - folgte ein aufwändiges Puzzlespiel. Wie sich heraus stellte, waren etliche Songs zu sehen - aber nicht zu hören. Die Audiospur fehlte. Die Band kontaktierte zahlreiche Händler und Sammler und fragte "Bootlegs" von verschiedenen Auftritten an, darunter die Gigs aus dem Madison Square Garden von 1973 oder die Konzerte in Knebworth 1979. Diese einst illegal entstandenen Mitschnitten der Fans - Led Zeppelin ist noch immer eine der am häufigsten "gebootlegten" Bands - legten die Techniker über das Videomaterial. Und die Fans bekamen als Gegenleistung eine Erwähnung im Booklet der DVD versprochen.

Noch vor ein paar Jahren wäre dieses Projekt so nicht möglich gewesen. Besonders beeindruckt vom Soundstandard, überlegt die Band inzwischen, den gesamten Backkatalog Led Zeppelins auf diesen Stand zu bringen.

Jimmy Page: "Das wäre wirklich sehr interessant. Und wir haben noch alternative Mixe und andere Versionen von Songs auf Band, die keiner kennt. Aber vielleicht dauert es noch 20 Jahre, bis die aufbereitet werden. Denn das ist eine fast schon gefährliche Aufgabe, um ehrlich zu sein. Wenn nämlich die Welt der Kunst auf die Welt des Business trifft, wie es in diesem Fall einfach passiert, dann zehrt das einen Künstler aus. Bevor ich dieses Projekt also wiederhole, muss ich erstmal meine Batterien aufladen. Aber, und das offensichtlich: Viele Fans haben inzwischen eine hochwertige TV- und Stereoanlage zu Hause stehen und wären sehr interessiert. Ein solches Projekt müsste aber vernünftig gemacht sein ..."

Auf eine neue Tour warten die Fans derweil vergeblich. Die Erklärung dafür ist einfach - die ehemaligen Rocker sind schlichtweg in die Jahre gekommen. Jimmy Page zum Beispiel wird im nächsten Jahr 60. Außerdem fehlt ihnen ein ganz entscheidender Mann: John Bonham. Der Schlagzeuger war 1980 gestorben. Kurz darauf hatte das verbliebene Trio das Ende Led Zeppelins erklärt.

John Paul Jones: "Für mich als Bassist war John ein Traum. Er war nicht nur ein Schlagzeuger, er war auch ein Musiker [ lacht ]. Er wusste immer, was er machte, er hörte zu und hatte so viel ... Gefühl, Soul. Wir haben sehr gerne zusammen gearbeitet und ich habe es geliebt, mit ihm zusammen auf der Bühne zu spielen."

Robert Plant: "Bonzo war mehr als ein Schlagzeuger. Er war ein Teil von Led Zeppelin. Es gibt kein Led Zeppelin ohne ihn. Led Zeppelin starb, als er starb. Wir haben nie einen Ersatz für John gefunden, weil wir nie gesucht haben. Und wir werden es auch nicht tun. Deswegen gibt es auch keine Tour. Außerdem ist diese Vorstellung lächerlich, dass wir alten Leute einfach unsere Gehhilfen wegwerfen und wieder die Stadien rocken könnten."

Aber wer weiß: Vielleicht ist die Technik in einigen Jahren so weit. Darauf nämlich müssen die Fans hoffen. Das gefundene Material reicht nicht für eine weitere DVD aus.

Mit Robert Plant und John Paul Jones sprach Marc Winkelmann bei der PK in Hamburg.

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