laut.de-Kritik

Der einfache Rocksong genügt nicht mehr.

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"This could be the end" tönt es im Opener. Prophetisches Bauchgefühl oder listige Tiefstapelei? Auf jeden Fall wissen die Gebrüder und Cousin Followill, dass sich die Zeiten geändert haben. Der Vorgänger "Only By The Night" verabschiedete sich gänzlich vom ursprünglichen Southern-Sound und schoss gleichzeitig mit 6 Millionen verkauften Tonträgern komplett durch die Decke. Viel höher geht es kaum. Soweit der Erfolgsdruck, so unvorteilhaft die Ausgangssituation für "Come Around Sundown".

Nach wenigen Hörminuten ist klar, dass es kein zurück mehr gibt. Trugen sie schon vor zwei Jahren beim Gitarrensound dick auf, so haben Caleb und Matthew nun ganz und gar das Effektboard von The Edge geklaut, um damit eine sphärische Gitarrenfläche nach der anderen rauszuhauen. Es hallt wie in Kathedralen, aus einzelnen Gitarrenriffs formieren sich mächtige Wall of Sounds. Bombast an jeder Ecke, der einfache Rocksong genügt auch diesmal nicht mehr. Stattdessen blickt man zum Horizont. Vom simplen, direkten Sound eines "Aha Shake Heartbreak" ist jetzt gar nichts mehr übrig.

Auch an das vielseitige und coole "Because Of The Times" erinnert nur Weniges. Vielmehr ist es eine Weiterführung des "Only By The Nights"-Sounds, mit wenigen Ecken und Kanten, dafür mit meterdicken Gitarrenwänden und viel Emotion. Das ist der eingeschlagene Weg, das ist die künstlerische Entwicklung, die respektiert werden will.

Nach "The End" macht sich der Tennessee-Vierer mit den folgenden Tracks allerdings nicht viele Freunde. Fast zu relaxt plätschern Songs wie "Pyro" und "The Face" daher, "Mary" reißt auch das Blues-Gitarrensolo nicht raus. Das wirkt wie Jammern auf hohem Niveau, teilweise fehlen aber einfach der Biss und die Konsequenz, um nicht in die Eintönigkeit abzudriften.

Die Single "Radioactive" mit seinen spirituellen "it’s in the water"-Chants hat genug Drive, um als erstes Highlight durchzugehen. Ungleich größer ist aber der Vogel, den sie mit "The Immortals" abschießen. Ein unkonventioneller Drumbeat im Vers und wie immer eine herausragende Bassline bereiten einen absoluten Killer-Chorus vor, bei dem der Hang zum Hymnischen voll und ganz aufgeht. Wenn, dann richtig. Dazu ist nach knapp dreieinhalb Minuten alles gesagt: Hammer-Track.

Die Nummer tanzt wie vieles auf "Come Around Sundown" auf dem schmalen Grat zwischen Kitsch und ganz großem Tennis, den die Jungs spätestens seit "Only By The Night" mit verbundenen Augen meistern müssten. Runter fallen sie eher selten. Über zuwenig Gefühl in Calebs unverwechselbarer Stimme kann man sich sowieso nicht beklagen. Rau, kratzig und Whiskey-getränkt wie eh und je klagt und jubelt er über Frauen und die Heimat, Rauferein von damals und den kinderreichen Tagen der Zukunft.

Die ersten Sonnenstrahlen auf dem Heimweg scheinen der netten Ode an die Heimat "Back Down South" ins Gesicht, die mit Violine und Lapsteel-Gitarre richtig nach Süden klingt. Am Schluss darf sich hier auch die Crew verewigen, die hier zum I'm going back down South-Chor anstimmt.

Über die hier vermiedene Belanglosigkeit kommt das folgende "Beach Side" leider nicht hinweg. Zu unpassend ist der versuchte 70er-Soul, der zu Beginn mehr verspricht als er hält. Das schafft der nächste Dreier dafür umso besser. Zwar hätten sie den Chorus von "Birthday" vor ein paar Alben noch um einiges knackiger abgerockt, die atmosphärischen Gitarrenflächen fügen sich trotzdem angenehmer ins Gesamtbild als zuvor. Das sonst viel zu selten dominierende, großartige Zusammenspiel von Bass und Schlagzeug trägt auch das coole "Pony Up" mit rhythmischer Brillanz auf das nächste Level. Und in "No Money" treten sie auch aufs fast schon verloren geglaubte Gaspedal, dazu klingt noch "Black Thumbnail" vom dritten Album durch. Große Momente, die erst jetzt daher kommen. Würde diese Qualität auf voller Länge durchgehalten, man würde nicht nur im Süden den Königen mehr Tempel und Götzen bauen.

Der gemütliche Blues-Schieber "Mi Amigo" entpuppt sich verspätet als reduzierter und kompakter Rock-Track, der keiner Fliege was antun kann. Das abschließende "Pickup Truck" lässt über einem knappen Groove noch einmal viel Raum für Calebs Organ, mit dem er sich ganz groß über das Vehikel des neuen Typen der Ex-Freundin lustig macht und ihm schließlich (nur für die Frau natürlich) dezent eine Abreibung verpasst. So macht man das halt im Süden.

Ein ausgezeichnetes Ende für dieses Album, das die anfänglichen Abenteuer der ausufernden Gitarren gegen Ende mit großen Vocals und fetter Rhythmus-Sektion wieder wettmachen kann. Unter dem Strich wird diese Scheibe die Fangemeinde so spalten wie bisher: Die "Young Manhood"- und "Heartbreak"-Anhänger sparen sich ob der allumfassenden Soundveränderung die Begeisterung, Fans der jüngsten Stunde sind mit dem aktuellen Ding mehr als zufrieden. Ihrem eigenen Sonnenuntergang sind die Kings Of Leon mit diesem Album noch fern. Und dem prophezeiten Ende auch.

Trackliste

  1. 1. The End
  2. 2. Radioactive
  3. 3. Pyro
  4. 4. Mary
  5. 5. The Face
  6. 6. The Immortals
  7. 7. Back Down South
  8. 8. Beach Side
  9. 9. No Money
  10. 10. Pony Up
  11. 11. Birthday
  12. 12. Mi Amigo
  13. 13. Pickup Truck

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13 Kommentare

  • Vor 13 Jahren

    Die Single hat irgendwie nach Veriss geschrien, weshalb ich gerade ziemlich überracht bin! Werd ich mir dann doch mal anhörn

  • Vor 13 Jahren

    Die Single hat mir auch nich sonderlich gefallen, das Albun ist aber auf jeden Fall gelungen. Die 4 Sterne gehen in Ordnung.

  • Vor 13 Jahren

    "Bombast an jeder Ecke, der einfache Rocksong genügt auch diesmal nicht mehr."

    hmm sehr schade. klingt nicht nach einem album das mir gefallen könnte.
    hatte molly's chamber damals im tv gesehen und mir umgehend das album und danach auch alle weiteren blind gekauft. naja, mit ihrer entwicklung hin zum bombast machen sie nun andere glücklich, mich nicht.
    dabei hatte ich noch ein wenig hoffnung, nachdem ich ein interview gelesen hatte, bei dem einer der followills meinte, sie möchten mit dem neuen album den "neuen" fans zeigen, wo sie musikalisch herkommen...

  • Vor 13 Jahren

    Muss zugeben ich habe das Album erst 2 mal durchgehört.
    Nicht weil ich es so schlecht finde, sondern weil ich mir zur gleichen Zeit noch andere, bessere Alben zugelegt habe.

    Fazit bisher:
    1. Durchlauf: leicht enttäuscht, weil es fast ohne Höhepunkte dahin plätschert, allerdings ohne wirklich ganz schlecht zu sein.
    2. Durchlauf: gefiel mir schon besser als beim 1. mal, allerdings haut es mich immer noch nicht von den Socken

    Because of the Times, ihr meiner Meinung nach bestes Album (kenne allerdings die ersten beiden Alben nur flüchtig) bekommt von mir 5 Sterne,
    Only by the Night 4 Sterne, und meine Prognose (für zukünftige Rotationen der CD in meinem Player) für Come Around lautet 3 Sterne

  • Vor 13 Jahren

    "Fast zu relaxt plätschern Songs wie "Pyro" ... daher"... bitte ? "Pyro" ist wohl das beste was se bis dato rausgebracht haben...

  • Vor 13 Jahren

    @48Stunden
    Pyro ist so ziemlich das geilste was ich die letzte Zeit gehört habe.