20. August 2012

"Ich will nie wieder ins Morgenmagazin"

Interview geführt von

Dass sich Ex-Fink-Sänger Nils Koppruch mit Gisbert zu Knyphausen zum Singer/Songwriter-Duo verbündet, sickerte schon vor Monaten durch. Wenig später stellten die zwei extravaganten Künstler ihre Band Kid Kopphausen vor und kündigten das schlicht betitelte Debüt "I" an. Dazu hat Wahlberliner Gisbert natürlich einiges zu sagen.Seit fünf Jahren tourt zu Knyphausen als Solokünstler mit Band durch die Gegend. Und auch bei der Entstehung seiner beiden Platten sind ihm Sebastian (Drums), Frenzy (Bass), Jens (Gitarre) und Gunnar (Gitarre, Tasteninstrumente) merklich ans Herz gewachsen. Dass er nun mit Nils Koppruch und drei anderen Instrumentalisten als Kid Kopphausen fremdgeht, bedeutet für das eingeschworene Quintett einen vorübergehenden Bruch.

Die Promo-Maßnahmen für den neuen Act laufen vor dem Albumrelease natürlich auf Hochtouren. Doch Gisbert nutzt das Wochenende, um seine langjährigen Mitstreiter mit zwei Konzerten würdig in deren Schaffenspause zu verabschieden.

Eines davon findet direkt am schönen Bodensee im großen Zelt des Friedrichshafener Kulturufers statt. Zwischen Soundcheck und Auftritt bei Kaffee und Kippe nimmt sich der sympathische Rheingauer Zeit für ein informatives Gespräch. Dabei gehts neben seinem neuen Projekts und dem daraus entstandenen Album u.a. um Majorlabels, Wein und die Hilflosigkeit der Künstler gegenüber dem komplexen Weltgeschehen.

Du spielst heute einen der letzten Gigs mit deiner eigenen Band, bevor es erst mal mit Kid Kopphausen auf Tour geht. Liegen da schon Abschiedsgefühle in der Luft?

Ja, schon. Wir sind alle ein bisschen wehmütig und genießen die letzten zwei Konzerte. Die Bandmitglieder machen natürlich auch noch andere Sachen. Aber was die Musik angeht, war unsere Band schon deren Hauptbeschäftigung, in die sie wirklich sehr viel Zeit gesteckt haben. Und mit der sie in den letzten Jahren zum Glück ein bisschen Geld verdient haben. Als ich ankündigte, dass ich jetzt mit Nils eine Platte machen will, war es für sie natürlich nicht sooo geil. Aber wir werden danach sowieso wieder ein Album in der Besetzung machen.

Und du nutzt so lange mal die Gelegenheit, um etwas Neues zu sehen.

Genau, ich wollte einfach zwischendurch mal was anderes machen, mal aus diesem Gisbert zu Knyphausen-Film aussteigen.

Du hast dir mittlerweile einen guten Namen gemacht. Gehst du davon aus, dass ihr mit Kid Kopphausen an dieses Level und diesen Bekanntheitsgrad direkt anknüpfen könnt? Oder müsst ihr mit dem neuen Pseudonym voraussichtlich bei Null anfangen?

Bei Null müssen wir wahrscheinlich nicht anfangen. Wir machen ja kein Geheimnis daraus, dass Kid Kopphausen Gisbert und Nils sind. Und ich kündige das neue Projekt auch auf meiner Facebook-Seite und auf meiner Homepage an. Aber vermutlich wird das nicht alle Leute interessieren, die sich für meine Musik interessieren. Ich gehe also nicht davon aus, dass es die gleiche Größe erreicht.

Wahrscheinlich sind viele Leute neugierig, was Nils oder ich Neues machen. Daher werden die ersten Konzerte glaube ich gut besucht sein. Und bei der großen Tour wird sich zeigen, was für eine Resonanz übrig bleibt und wie sehr die Leute auch diese Songs in ihr Herz schließen.

Aber es ist alles cool, wir haben uns keine großen Ziele gesetzt. Das Ziel war, eine Platte zu machen, auf die wir beide stolz sein können - und Spaß daran zu haben. Das haben wir erreicht und jetzt kommen die Zugaben. Ob das vor 100 im kleinen Club oder vor 500 bis 800 Leuten stattfindet, ist nicht so wild.

Empfindest du das musikalische Ergebnis denn als gewagten Schritt? Das Album klingt ja nicht immer nach dem, womit man bei euch beiden vielleicht gerechnet hätte.

Wobei es ja auch nicht allzu weit davon entfernt ist, was Nils und ich auf unseren Platten sonst so gemacht haben. Natürlich sind neue Elemente drin, die in meiner Musik bis jetzt noch nicht aufgetaucht sind. Aber so richtig gewagt finde ich es auch nicht. Wir hätten ja auch Hip Hop oder Elektro machen können, das wäre für mich ein gewagter Schritt. (lacht)

Aber es ist letztendlich Gitarrenmusik, und man erkennt vieles aus meinen Songs oder aus Nils' Herangehensweise wieder. Ich freu mich jedoch trotzdem darüber, dass viele Sachen auf dem Album sind, die in unser bisheriges Schaffen noch eine neue Ebene bringen.

Glaubst du, dass die Gisbert-Fans, die du dir über die Jahre erspielt hast, am Sound etwas vermissen werden?

Das kann ich noch nicht sagen. Soundmäßig wahrscheinlich eher nicht, aber es kann gut sein, dass den Leuten die Texte zu wenig persönlich sind. Denn auf meinen zwei Platten habe ich zwar nicht nur autobiografische Geschichten, aber doch sehr viel Gisbert-Eigenes eingebaut. Meine Texte zum Kid Kopphausen-Album bestehen viel mehr aus ausgedachten Geschichten. Es kann natürlich sein, dass manche Leute das nicht geil finden - oder andere Leute umso besser. Mal schauen.

Beim Sound fällt im Vergleich zu deinen Soloalben doch auf, dass der gerade auf deinem Debüt sehr prominente, ganz natürliche Akustikgitarren-Sound nicht wirklich vertreten ist. Eine bewusste Entscheidung?

Ja, das kam so, weil wir alle Akustikgitarren über den Verstärker eingespielt und nicht ganz pur aufgenommen haben. Das war schon eine bewusste Entscheidung, weil wir es ein bisschen dreckiger haben wollten. Und wir wollten auch bewusst keine pure Singer/Songwriter-Platte machen, so mit zwei Typen mit Akustikgitarren. Es war von Anfang an klar, dass wir auch eine Band dazu holen und dass das ruhig auch einen dreckigen, schroffen Sound haben darf. Das war uns wichtig.

Du und Nils, ihr habt euch bei gegenseitigen Supportgigs auf gemeinsamen Tourneen gut kennengelernt und euch dann irgendwann auch für eine Zusammenarbeit im Studio entschlossen. Wann und wie fiel denn die Entscheidung, ein ganzes Album aufzunehmen? Und wie lange seit ihr dran gesessen?

Also die Arbeit am Album hat ungefähr ein Jahr gedauert. Für die Tour 2010 von meiner Band und mir haben wir Nils in unser Vorprogramm geholt. Da haben wir zwei dann mal im Hotelzimmer beschlossen, dass wir wirklich viel Zeit frei machen und eine gemeinsame Platte versuchen.

Dann war natürlich erst mal die Frage, ob das Ganze denn wirklich hinhaut. Wir haben uns erst mal zusammengesetzt und geguckt, wie die Ideen sprudeln. Als wir dann merkten, dass es läuft, haben wir den Plan weiter verfolgt. Im Endeffekt war es eine Spanne von einem Jahr: Wir haben uns im Februar 2011 zum ersten Mal zusammengesetzt und waren im April 2012 im Studio.

Warst du denn im Laufe der Zeit immer überzeugt, dass etwas Gutes herauskommt? Oder gab es auch mal einen Punkt, an dem du Angst hattest, dass das Projekt scheitert?

Also ich habe nie daran gezweifelt, dass die Zusammenarbeit zwischen Nils und mir funktioniert. Aber beim Texten habe ich das sowieso immer. Da kommt irgendwann eine Phase, in der ich denke: Ach, das ist alles Schwachsinn. Und in der ich Angst habe, dass keine guten Texte heraus kommen und dass das Ganze daran scheitert. Aber das sind eigentlich die normalen Ängste. Die Zusammenarbeit war erstaunlicherweise von Anfang an sehr inspirierend. Schon nach der ersten Session war für uns beide klar, dass das was wird und dass wirs durchziehen.

War es denn eher befreiend oder eher anstrengend, mit einem erfahrenen und sehr eigenen Künstler wie Nils zusammenzuarbeiten?

Sowohl als auch. Es war in erster Linie sehr befreiend. Die Textarbeit war für uns beide aber die große Herausforderung. Denn wir haben versucht, nicht nur die Musik, sondern auch so viel Texte wie möglich zusammen zu schreiben. Das war echt nicht einfach. Normalerweise sitzt man in seinem stillen Kämmerlein, macht alles mit sich selbst aus und zeigt dann den Leuten, mit denen man musiziert, den fertigen Text.

Jemanden in seinen Arbeitsprozess hineinschauen zu lassen, war für uns beide eine sehr große Herausforderung. Für mich wahrscheinlich die noch größere als für Nils. Er ist einfach viel offener, ich brauchte da meine Zeit. Wir haben schließlich auch sehr unterschiedliche Arten zu texten. Es war schon sehr interessant, einen Weg zu finden, um das zusammenzubringen.

"Wir sind kauzige Schreiber"

"Wer was singt, wurde quasi ausgelost", heißt es in eurem Pressetext. War das tatsächlich so oder handelt es sich dabei um einen Gag?

Das hört sich eben gut an. (lacht) Aber es gibt tatsächlich Songs, bei denen ich singe, obwohl der Großteil des Textes von Nils stammt. Oder umgekehrt. Das wollen wir nicht auflösen, damit es für die Leute spannender ist. Vielleicht hört man jedoch oft ganz gut, wer was geschrieben hat. Aber ausgelost wurde es nicht. (lacht)

Eine gewisse musikalische Handschrift erkennt man bei manchen Songs ja schon. Gerade die "Mörderballade" klingt deutlich mehr nach Gisbert zu Knyphausen, als "Jeden Montag" oder "Moses".

Ja, das stimmt schon.

Wolltet ihr genau das vermeiden? In vielen anderen Fällen wäre euch das ja durchaus gelungen.

Natürlich war die Herausforderung, dass man es gar nicht mehr heraushört. Aber ich glaube, das ist bei solch, naja, kauzigen Schreibern wie uns schwer zu vermeiden. Ich finde es überhaupt nicht schlimm, dass das so ist. Aber es wär natürlich auch richtig geil gewesen, wenn man richtig überlegen müsste, wer was geschrieben hat. Klar, ein Song wie "Moses" klingt natürlich deutlich mehr nach dem, was Nils bisher so im Programm hatte.

Hast du denn persönliche Lieblingssongs?

Ja, also gerade "Moses" gefällt mir richtig gut. Und vor allem auch "Wenn Der Wind Übers Dach Geht", das ist so schön düster. "Das Leichteste Der Welt" finde ich auch sehr gut gelungen.

Das war auch mein bisheriger Favorit, gerade der Text.

Da kannst du dich bei dem Mann auf meinem T-Shirt bedanken: Nils Koppruch.

Gerade durch den rauen Sound ist das Album finde ich zu einer sehr eigenständigen Sache geworden. Hörst du im Endergebnis dennoch Einflüsse anderer Musiker heraus?

Schwer zu sagen. Also wir haben bis zur Probephase mit den drei anderen Bandmitgliedern ganz viel offen gelassen. Und ganz bewusst gesagt, dass die Musiker auch gleichwertigen Einfluss auf das Arrangement und den Sound haben sollen.

Unsere Ursprungsidee war eigentlich, etwas sehr Reduziertes zu machen. Aber nicht im Sinne von zwei Akustikgitarren, sondern eher im Sinne von Timber Timbre zum Beispiel. Die machen so ganz sparsamen Sound mit viel Orgeln, das war eigentlich der Ausgangspunkt. Aber dann läuft es ja doch immer ganz anders, als man es sich vornimmt.

Einflüsse anderer Künstler sind auf dem Album schwer zu benennen. Man hört so viel Musik und es hat alles einen großen Einfluss. Die Bands, die ich am meisten höre, hinterlassen wahrscheinlich die größten Spuren. Das sind Radiohead, Bright Eyes und Wilco. Und Sophie Hunger. Die Sachen kann ich eigentlich immer hören. Aber ob man das in meiner Musik wiedererkennt, weiß ich nicht.

Viele Leute wundern sich, dass die Liedermacher bzw. Singer/Songwriter heute ganz im Gegensatz zu früher keine politischen Songs mehr schreiben. Diese Linie setzt ihr auch auf dem Kid Kopphausen-Album fort. Seid ihr denn auch unpolitische Menschen? Oder woran liegt es aus deiner Sicht, dass keiner mehr derartige Texte schreibt.

Also wir sind keine unpolitischen Menschen, sind aber vielleicht nicht so dahinter, wie andere Leute es sind. Wir tun uns beide schwer damit, politische Songs zu schreiben. Das ist ja ein schwieriges Feld. Was ist ein politischer Song? Will man da irgendwelche Parolen raushauen, wie "Keine Macht Für Niemand"? Das kann ja heutzutage keiner mehr ernsthaft machen. Das war ja eine ganz andere Zeit.

Natürlich kann man kritische Elemente in seine Texte einbauen. Zum Beispiel Seitenhiebe auf die Finanzwelt oder auf kleine Sachen, die man im Alltag erlebt. Aber eine richtige politische Aussage zu treffen, finde ich schwierig. Und je älter man wird, desto schwieriger wird es auch, weil die Themen einfach sehr komplex sind. Das dann in einem Popsong unterzubringen, ist echt nicht einfach.

Es macht ja allgemein kaum mehr jemand.

Ja, das liegt vielleicht an einer gewissen Hilflosigkeit gegenüber der Komplexität der Themen. Weil ja alles mit allem zusammenhängt, dadurch, dass die ganze Welt miteinander vernetzt ist. Mir fällt sogar bei Bands auf, die sich als politisch begreifen, dass man keine wirklich politischen Aussagen in den Songs findet. Die schimpfen dann zwar auf Leute wie mich, die etwas mehr über Gefühle singen. Aber so einen Riesenunterschied hör ich dann auch nicht. (lacht)

Allgemein finde ich es aber cool, bin überhaupt nicht dagegen. Ich finde es super, wenn es jemand schafft, kritische Statements in den Texten unterzubringen. Aber ich habe mich bis jetzt noch nicht in der Lage gefühlt, damit was Gutes zu machen. Das klang dann für mich meistens nicht wertvoll genug.

Kommen wir nochmal zu deinem musikalischen Schaffen. Mit "Sommertag" und "Erwischt" hast du auf dem ersten Album meiner Meinung nach zwei richtige Hits geschrieben. Seitdem kamen zwar immer noch einige Ohrwürmer, aber gerade die Kid Kopphausen-Platte empfinde ich als noch weniger eingängig. War das deine Absicht?

Das stimmt. Und letztendlich kam es eben einfach von selbst. Das hat auch viel mit dem Arrangement zu tun. Ich höre eigentlich viel Musik, die gar nicht so eingängig ist. Ich mag diese verschachtelten, sperrigen Bands oder Songwriter sehr gerne. Vielleicht nähere ich mich über die Jahre einfach dem Sound an, den ich eigentlich machen will. Anstatt so ganz direkte Popsongs zu machen.

Wobei wir mit "Das Leichteste Der Welt" finde ich schon einen sehr poppigen Song auf der Kid Kopphausen-Platte haben. Aber ansonsten liegt das vielleicht einfach daran, dass ich nicht so die hittauglichen Texte geschrieben habe. Und ich versuche auch nicht bewusst, Hits zu schreiben. Das interessiert mich nicht. (lacht)

Ihr releast eure Platte beim Independent-Label Trocadero, habt aber angedeutet, dass es auch von anderen Seiten Interesse gab. Wie ist die Entscheidung gefallen?

Interesse bestand natürlich auf Seiten meines Stammlabels PIAS. Und bei Grand Hotel von Cleef, wo Nils seine letzte Platte veröffentlicht hat. Entweder man verprellt eines der Labels oder beide müssen eben zusammenarbeiten. Wir wussten ziemlich schnell, dass uns das alles zu stressig ist und wir zu einem dritten gehen. Und da wollten wir einfach ein kleines, sympathisches Label.

Wäre es denn möglich gewesen, mit einem Major zusammenzuarbeiten?

Wir hatten für die Platte jetzt keine konkreten Angebote, waren aber auch nicht auf der Suche danach. Es kommt aber schon mal vor. Nachdem meine zweite Platte rauskam, haben zwei Majors angeklopft. Ehrlich gesagt sehe ich jedoch überhaupt keinen Grund, mein Label zu wechseln. Man kann da im Voraus vielleicht mal Geld abstauben, um eine fetter produzierte Platte aufzunehmen. Aber ansonsten sehe ich eigentlich nur Nachteile darin.

Auch künstlerisch? Das streiten ja viele Künstler ab, die beim Major gelandet sind.

Ich glaube, der Erwartungsdruck ist schon höher. Die hätten mich ja nie im Leben am Anfang gefragt. 2010 hat sich meine zweite Platte dann ziemlich gut verkauft. Das haben die auch gesehen und gedacht: Vielleicht können wir den ja noch größer machen und ein bisschen Geld verdienen. Aber wenn du die Erwartungen nicht erfüllst, bist du auch ganz schnell wieder weg vom Fenster. Das erleben jährlich so viele Bands.

Außerdem habe ich einfach keine Lust, ständig mit den Leuten vom Label darüber zu diskutieren, was ich mache und was nicht. Zudem versuchen die Majors ja, dich größtmöglich zu vermarkten. Dann musst du auch wirklich alle Promogeschichten mitmachen, die sie gerne hätten. Da habe ich einfach keine Lust drauf. Einmal war ich im Morgenmagazin, das will ich nie wieder.

Du trennst das Morgenmagazin als noch mal von anderen Formaten, wie zum Beispiel MTV Home.

(lacht) MTV Home ist auch albern. Aber das war ein ausdrücklicher Wunsch von Klaas, der ein großer Fan von meiner Musik ist. Dann finde ich es auch cool, da hinzukommen. Es ist natürlich eher eine Spaßsendung.

Unter dem YouTube-Video ist ja eine Riesendiskussion entstanden. Darüber, ob es respektlos ist, wie die Moderatoren während dem Auftritt im Hintergrund herumhampeln.

Oh ja, die habe ich auch mal gelesen. (lacht) Ich finde, das darf man nicht so ernst nehmen. Mir war ja klar, in was für eine Sendung ich da gehe. Es ist ja logisch, dass die dann Quatsch machen.

"Deutsche Singer/Songwriter find ich gerade überpräsent"

Angesichts des aktuellen deutschen Musikgeschehens sprechen viele Medien und Promoter von einem Singer/Songwriter-Hype. Würdest du so weit gehen?

'Hype' ist immer ein schwammiger Begriff. Aber es ist natürlich von allen möglichen Labels und vielen Medien aufgegriffen worden, wie gut das gerade funktioniert. Und ich finde es auch ein bisschen überpräsent. Die ganzen Singer/Songwriter gab es ja auch schon vorher. Das wird jetzt einfach medial hochgeschwemmt. Und wenn es wieder abebbt, kommt die neue Elektro-Punk-Welle oder was auch immer.

Verfolgst du denn, was deine jungen Kollegen machen? Hörst du dir Platten von Newcomern wie Enno Bunger oder Max Prosa bewusst an?

Ich höre mir das auf jeden Fall bewusst an. Und wenn es mir gefällt, auch mal eine ganze Platte. Aber meistens höre ich in fünf, sechs Lieder rein. Und wenn mir das nicht so zusagt, beschäftige ich mich auch nicht weiter damit.

Gibt es da überhaupt Künstler, die dir zusagen?

Es gibt schon viele Songwriter, die ich echt cool finde. Zum Beispiel Moritz Krämer, der ist fantastisch, ein kleines Genie. Seine Art zu singen muss man mögen, ich mag sie jedenfalls sehr gerne. Oder das Soloalbum von Tele-Sänger Francesco Wilking, eine fantastische Singer/Songwriter-Platte. Die finde ich richtig geil.

Die poppigen Sachen wie Tim Bendzko sagen mir dagegen nicht so viel. Und Max Prosa irgendwie auch nicht. Aber ich kann sehr gut verstehen, dass das viele Leute gut finden. Max Prosa hat einfach eine geile Energie und ist immer so richtig drin. Nur die Songs sagen mir nicht so richtig zu.

Bei ihm war es zufällig gerade andersrum: Er hört auch nicht viel deutsche Platten, kann mit deiner Musik aber etwas anfangen.

Oh. Sorry, Max! Das ist mir schon wieder peinlich. Es ist immer so blöd, in Interviews über andere Leute zu reden.

Für Aufmerksamkeit sorgt immer wieder das alljährliche Open Air-Konzert im Weingut deines Vaters. Wie viele Leute waren denn dieses Jahr da?

Mit allen Gästen, die wir da immer einladen, waren es 2.400.

Oha, dann hatte ich das deutlich unterschätzt. Woher kommen denn die ganzen Leute?

(lacht) Ja, es ist wirklich unfassbar. Es war riesig. Aber größer wird es auch nicht mehr, es war gerade an der Grenze. Diesmal war es noch gemütlich. Zumindest hatten alle Leute, die ich danach gefragt habe, noch genug Platz zum rumlaufen. Viele Leute kommen aus dem Rhein-Main-Gebiet, das ist natürlich ein großes Einzugsgebiet. Aber es reisen auch zahlreiche aus ganz Deutschland an, um mal zu sehen, wo ich aufgewachsen bin.

Wann kam euch die Idee?

Vor sechs Jahren, 2006, also schon bevor ich Platten veröffentlicht habe. Das hat meine Mutter damals angeleiert, weil ein Freund meines Bruders damals eine kleine Ausstellung in unserem Weinkeller hatte. Da habe ich dann drei, vier Lieder zur Eröffnung gespielt. Als wir 2007 dann das erste Mal mit meiner Band auf Tour waren, fand ich es geil, da noch mal ein kleines Bandkonzert zu veranstalten. Und so hat sich das von 50 Zuschauern an immer weiterentwickelt.

Und einen Gisbert zu Knyphausen-Wein gibt es auch schon.

Ja, wir haben zu den beiden Platten jeweils kleine Auflagen gemacht. Der erste kam 2009 mit einem Jahr Verspätung. Das war einfach eine Schnapsidee von meinem Bruder und mir. Wir dachten, es wäre irgendwie lustig. Zur zweiten Platte kam der Wein dann direkt zur Veröffentlichung. Dann konnten die Leute, wenn sie Lust hatten, bei meinem Papa direkt den Wein und die CD kaufen. (lacht)

Aber das war einfach als kleines Extragimmick gedacht, nicht um viel Geld zu verdienen. Außerdem ist es für mich ein toller Weg, Werbung für das Weingut meines Vaters zu machen, nachdem ich mich sonst nie dafür interessiert habe. Das finde ich schön.

Seit deinem ersten Album von 2008 ging es eigentlich stetig bergauf. Findest du es rückblickend schwer, von der Musik zu leben? Oder hast du es dir noch schwerer vorgestellt?

Ja, ich habe es mir noch schwerer vorgestellt. Ehrlich gesagt hatte ich keine großen Erwartungen, war aber sehr getrieben und wollte immer überall auftreten. Ich war einfach in einem Tunnel drin und habe gar nicht viel drüber nachgedacht. Das hat sich alles so von selbst ergeben.

Das fühlt sich rückblickend sehr glücklich an und irgendwie auch sehr einfach. Es gibt, glaube ich, viele Bands, die das jahrelang probieren, sich den Arsch aufreißen und nicht so viel Glück haben wie ich. Es kam immer eins zum anderen. Auf einmal habe ich gemerkt, dass ich damit Geld verdiene und plötzlich konnte ich auch davon leben.

Was hättest du sonst gemacht?

Dann hätte ich wahrscheinlich mein Studium fertig gemacht. Das habe ich abgebrochen, weil es zu der Zeit nicht auf die Reihe gekriegt habe. Das hatte tausend Gründe. Und dann war mein Plan, ein oder zwei Jahre nach Hamburg zu gehen, weil ich da schon Leute kannte.

Dort wollte ich Musik machen, jobben und dann irgendwann das Studium beenden. Aber dann ging das eigentlich ziemlich schnell los, und es kamen mehr Leute auf die Konzerte. Und dann kam eben das Angebot vom Label. Ich dachte, wenn ichs jetzt nicht probiere, wäre das ja auch Quatsch. Und so ist es dann passiert.

Kommen wir zur letzten Frage. Ihr betont, dass es sich bei Kid Kopphausen um eine Band und nicht um ein Projekt handelt. Das klingt natürlich nach einer langfristigeren Sache. Gibt es denn schon Pläne über die anstehende Tour hinaus?

Ach, das mit der Band hätten wir eigentlich gar nicht so betonen müssen. Wir wollen halt nicht nur als Nils Koppruch und Gisbert zu Knyphausen wahrgenommen werden, denn die drei anderen Musiker gehören auch dazu. Wenn uns allen das weiterhin so viel Spaß macht wie jetzt, dann planen wir auf jeden Fall, das irgendwann mal zu wiederholen. Aber nicht direkt danach.

Wir werden zur ersten Platte viel touren, je nach Resonanz auch auf Festivals spielen. Anschließend werde ich mit meiner Band ein neues Album veröffentlichen, und Nils wird auch etwas anderes machen. Es wäre natürlich cool, wenn wir irgendwann eine "II" hinkriegen. Der Albumtitel ist für uns ja auch ein kleiner Ansporn, das irgendwann zu wiederholen.

Besten Dank fürs Gespräch und viel Spaß bei eurem letzten Konzert.

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