laut.de-Kritik

Avantgarde-R'n'B und Trap-Banger zugleich.

Review von

Cosigns von Solange, den Gorillaz, Danny Brown, Arca und Björk zu haben ist ein Level, das einen Künstler fast automatisch zum Kritikerliebling macht. So geschehen mit Kelela, der Tochter äthiopischer Einwanderer in die Vereinigten Staaten Seit ihrem musikalischen Aufwachsen zwischen Washington D.C. und Los Angeles trat Kelela nicht nur als traditionelle Jazz-Sängerin, sondern zwischenzeitlich sogar als Vocalistin einer Progressive Metal-Band in Erscheinung, bevor sie 2013 ihr Debütmixtape "Cut 4 Me" ins Netz stellte. Eine künstlerische Selbstdefinition als Songwriterin im schwammig abgegrenzten Genre des alternativen R'n'B.

Nach der 2015 erschienen EP "Hallucinogen" gilt die Dame bereits als eine der großen Namen ihrer Sparte. Auf Kelelas offiziellem Debütalbum "Take Me Apart" saßen neben Arca auch Romy Medley von The XX und das Electronic-Hip Hop-Duo Nguzunguzu an den Produktionstischen. Und das Resultat rechtfertigt dieses Aufgebot mehr als gebührend.

Über vierzehn Titel schafft Kelela auf diesem Album eine vielschichtige, ätherische und sinnliche Ästhetisierung von weiblicher Sexualität und ihrer Vorstellung einer Beziehung. "Don't say you're in love, baby, until you learn to take me apart", so laute auf dem Titeltrack eine der prominentesten Zeilen des Projekts und auch eine entsprechend gute Zusammenfassung des thematischen Konflikts.

Man könnte es gleichzeitig als Beschwörung der gemeinsamen Zeit und dem Durchmachen von positiven wie negativen Momenten und Seiten der Partner verstehen. Oder als subversiven Kommentar auf die dominanten "Ride Or Die"-Narrative, die insbesondere in der afroamerikanischen Sozialstruktur und Kultur nach wie vor einigen Einfluss haben. Oder eben nur als ekstatischen, überzeichneten Dirty Talk, wie so vieles auf dem Album.

Der Sex bleibt über die Spielzeit der Kernpunkt, das Fundament der Ästhetik. Trotz der synthetischen, geladenen und nahezu kalten Farbe der Produktion macht Kelela über die gesamte Spielzeit einen körperlichen Eindruck. Physikalische Liebe spielt tief in das Verständnis der Nähe und des gegenseitigen Erfahrens hinein und wird auch in der Musik vielschichtig und facettenreich ausgelebt. Eine Divergenz zwischen eher ruhigen, melancholischen und distanzierten Balladen und nahen, intensiven, explosiven Momenten sorgt für ein spannendes Feld der Entfaltung verschiedener Stimmungen und zwischenmenschlicher Zustände.

All dies wird von Kelelas meisterhafter, bis in die Nuance perfekt kontrollierter und vielseitig ausgespielter Stimme getragen, die von dominanten, lebhaft hohen Tönen bis hin zu einem gehauchten, mit der Produktion verschmelzenden tiefen Register einen großen Teil zur musikalischen Präsenz der Platte beiträgt. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass die für alternativen R'n'B typische Produktion von formlosen, fast an Ambient erinnernden Tönen und einer ganzen Menge Reverb getragen wird, nur um mit treibenden, tanzbaren 808s und Trap-Perkussionen untermauert zu werden.

Tracks wie "LMK" kesseln wie ABRA bis Rihanna, ruhigere Nummern wie "Turn To Dust" erinnern an FKA Twigs oder Björk. Der Gesamteindruck von "Take Me Apart" ist dementsprechend hochtrabender Avantgarde-Pop und instinktiver Trap-Banger gleichzeitig. Wer sich für die moderne Spielweise des alternativn R'n'B und eine cineastische Inszenierung des Innenlebens einer Beziehung interessiert, kommt hier auf allen Ebenen auf seine Kosten. Aber auch unbefangene Ohren, die für eigenwillige Texturen oder schlichte musikalische Versiertheit interessieren, werden an diesem Projekt einiges zu mögen finden. Sie ist eben ein Kritikerliebling, diese Kelela, aber wie sollte sie es mit Musik wie dieser auch nicht sein.

Trackliste

  1. 1. Frontline
  2. 2. Waiting
  3. 3. Take Me Apart
  4. 4. Enough
  5. 5. Jupiter
  6. 6. Better
  7. 7. LMK
  8. 8. Truth Or Dare
  9. 9. S.O.S.
  10. 10. Blue Light
  11. 11. Onanon
  12. 12. Turn To Dust
  13. 13. Bluff
  14. 14. Altadena

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