laut.de-Kritik

Von David Bowie, Lou Reed und lyrischen Störungen.

Review von

"No Balance Palace" lautet der Titel des fünften Kashmir-Werks. Ein passender Titel, verfällt man doch schon beim Blick auf das Cover einer optischen Täuschung. Eine lichtdurchflutete Einbauküche oder eine Dunkelkammer mit einem dubios grinsenden Pappmännchen? Ich kann mich immer noch nicht entscheiden und höre endlich auf, das Booklet schwindelig zu drehen.

Eine Orgel haucht mir "Kalifornia" entgegen. Der Opener wirkt zu Anfang schwer und düster, entwickelt sich aber mit jedem Vers weiter. Spätestens nach dem zweiten Refrain sind endlich alle Depressionen abgeschüttelt. Ein bittersüßer Nachgeschmack bleibt trotzdem zurück. Einen unerwarteten Gast hat "The Cynic" jedenfalls zu bieten: Hier greift doch tatsächlich David Bowie zum Mikrofon! Dieser hat die nordischen Jungs auf einem Killers-Konzert kennengelernt und selbst zwei Kashmir-Platten im heimischen Regal. Die Einladung zum Mitsingen nahm er kurz, bündig und gerne an: "I would have no problem doing that."

"Ophelia" kommt als ein von Shakespeare angehauchter Beitrag wieder vom traurig-düsteren Ufer daher geschippert. Nach einer kurzen instrumentalen Pause namens "Diana Ross" entpuppt sich "She's Made Of Chalk" als echter Lichtblick und haut mir ein bisschen mehr Rock um die Ohren als sonst auf "No Balance Palace" üblich. "The Curse Of Being A Girl", die erste Single, bleibt dagegen sogar ein wenig auf der Strecke.

Wände und trittschallgefärdete Fußböden erzittern bei "Snowman". Kashmir liefern hier einen Titel, der unter die Haut geht und Gänsehaut verursacht - vorausgesetzt man dreht die Kiste voll auf. Schade nur, dass die vielversprechende Steigerung gegen Ende einfach verpufft.

Der zweite Gastauftritt des Albums erweist sich als ziemlich sonderbar und leider auch ganz großer Quatsch. In "Black Building" tritt Lou Reed als Poet auf. Untermalt von einer minimalistischen Geräuschkulisse, zitiert der ehemalige Velvet Underground-Gitarrist und WG-Genosse von Bowie ein Gedicht. Dieses stammt aus der Feder von Gitarrist und Sänger Kaspar, der auf dem Weg ins Studio ein mysteriöses, schwarzes Gebäude entdeckte und seinen Impressionen darüber freien Lauf lässt. Was bei der Kollabo heraus kommt, manifestiert sich aber leider nur als Soundbrei aus wahllos angeschlagen Saiten und monotonem Gebrabbel - da bleibt nur noch die Skip-Taste.

Kashmir haben mit "No Balance Palace" wieder eine Platte abgeliefert, die sich erst durch mehrmaliges Hören erschließt. Abgesehen von einigen lyrischen Fehltritten lohnt es sich auf jeden Fall, den Skandinaviern eine zweite oder dritte Chance zu geben.

Trackliste

  1. 1. Kalifornia
  2. 2. Jewel Drop
  3. 3. The Cynic (feat. David Bowie)
  4. 4. Ophelia
  5. 5. Diana Ross
  6. 6. The Curse Of Being A Girl
  7. 7. She's Made Of Chalk
  8. 8. Ether
  9. 9. Snowman
  10. 10. Black Building (feat. Lou Reed)
  11. 11. No Balance Palace

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11 Kommentare

  • Vor 18 Jahren

    Fein. Fein. Nach "The Good Life" und "Zitilites" mal endlich wieder ein neues Kashmir Album. Die Single "The Curse auf Beeing A Girl" hat mich zwar noch nicht gerade so umgehauen aber der rest könnte unter Umständen schon was großes werden. Keine geringeren Gastmusiker als David Bowie und Lou Reed höchstpersönlich haben bei der neuen Platte der Dänen offenbar kräftig mitgemischt. Produziert wurde das ganze spektakel von Starproducer Tony Visconti, der schon einst mit T.Rex und David Bowie zusammen gearbeitet hat. Das klingt doch schonmal ganz interressant. Achja, hat schon wer das Album gehört?

  • Vor 18 Jahren

    ein freund lobt das ganze in höchsten tönen. die intro mag es auch.

    lampshade vom debüt war und ist riesig.

    ich werd ihm sicherlich mal ein öhrchen geben.

    aber leider liegt wieder so viel dazwischen.

  • Vor 18 Jahren

    Tja, leider ist der Titel für das beste Album aus Dänemark 2005 schon vergeben... sorry, Kashmir, vielleicht reicht's ja noch für Platz 2 (wenn sich die Raveonettes da vergraulen lassen... ;) ).

    "Curse..." finde ich übrigens auch nicht sehr berauschend. :

  • Vor 18 Jahren

    Stimme dem Vorredner nicht zu.
    "No Balance Palace" ist eine Weiterentwicklung und Gott sei Dank nicht anbiedernd oder gar gefällig für jeden. Eigentlich hätte ich das Album schon als gelungen durchwinken müssen, als ich erfuhr, daß Toni Visconti der Produzent ist, aber man muß ja auch reinhören.
    Mein persönlicher Favorit ist "The Cynic", nicht zu Letzt auch wegen dem Altmeister in der 2.Strophe *g*.
    Das Album ist nicht rund und das ist gut so!

  • Vor 18 Jahren

    Mit "Da hast du leider Recht" stimme ich dem Zitierten insofern zu, als dass ich anerkenne, dass Zitilites ein "Jahrhundertwerk" ist. Zwar reicht No Balance Palace nicht an Zitilites heran, gut ist es aber dennoch.

  • Vor 18 Jahren

    Also, wirklich umgehauen hat mich das Album bis jetzt noch nicht. Es packt einfach nicht so. Es gibt einige gute Songs (The Cynic z.B.), aber im Grossen und Ganzen ist es eher Durchschnitt. Guter zwar, aber eben nur Durchschnitt... :

    Spleen United's Debut hat den Balance Palace jedenfalls ziemlich rasch und kompromisslos aus dem Player gekickt! :trusty: