laut.de-Kritik

Die Schweizer Indie-Band ruft zur Schöngeist-Revolution auf.

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Unsere neutralen Nachbarn aus dem Süden beschenken uns immer mal wieder mit schönen Klängen. Die Luzerner Band Kapnorth schlägt mit ihrem zweiten Album "Dematerealize" eine elegante Brücke zwischen pittoreskem Indie-Rock und brachialen Klanggerüsten und fordert dabei völlig unneutral das Wegbewegen vom blinden Konsum in eine emotionalere Welt, in der wir unseren Mitmenschen wieder ungezwungen und menschlich begegnen.

"I can't find no comfort" lauten die ersten Worte des Openers "Ghostly Love". Den Schweizern ist die Welt zu eng, die möglichen Lebenskonzepte schnüren sie ein und die jungen Männer suchen nach Erlösung in der Natur. Der Wunsch, die unperfekte Realität ändern zu wollen, schwingt in jeder Silbe mit. "Ghostly Love" baut sich langsam mit kraftvoller Drum-Line auf, die im Laufe des Stücks immer wieder verspielt variiert und von hallenden Gitarren und einem treibenden Bass umhüllt wird. Die eindrucksvollen Lyrics und der Gesang von Elia lassen die Tiefe des Liedes gut zur Geltung kommen.

"The Runner" baut mit eindringlichem Gesang Atmosphäre auf, bevor sich brachiale Gitarrenklänge zu einem wütenden Sturm erheben, der den Hörer gewaltsam aus dem trägen Alltag reißt. Nach dem verträumten Erstling finden Kapnorth 2016 auch deutlich wütendere Töne. "Pixies", das Herzstück des Albums, überzeugt nach einem ruhigen Einstieg mit hypnotischen Synthies, die nach einem rotzigen Refrain der hallenden Stimme von Elia weichen müssen. Der Text dreht sich um den Alltag des Individuums und die damit verbundene Einsamkeit jedes Menschen.

An "Spiral In Line" wiederum lässt sich die gute Chemie zwischen Elia und Gitarrist Marius ablesen. Der Titel des Albums vereint die beiden Worte "Dematerialize" und "Realize" miteinander und passenderweise ist die Platte am 1. Mai erschienen, dem internationalen Tag der Arbeit, des Aufstandes und der Bullenschwein-Parolen. Kapnorth wollen ja einen Umsturz der Verhältnisse, sie wollen etwas Neues.

Die Schlange der Revolution beißt sich jedoch ob der künstlerischen Qualität der Platte selbst in den Schwanz. Sogar die wütenden Passagen haben etwas mystisch Schönes und rufen nicht wirklich zum aktiven Ungehorsam auf. Dafür hält "Dematerealize" als schöngeistige Revolution dem Individuum einen wertvollen Rat zur Lebensgestaltung im Alltag bereit. Immerhin mehr, als was so mancher Berufsrevolutionär vorzuweisen hat.

Trackliste

  1. 1. Ghostly Love
  2. 2. A Helping Hand
  3. 3. The Runner
  4. 4. Pixies
  5. 5. Spiral In Line
  6. 6. Chaos
  7. 7. All The Shepherds Have Left
  8. 8. Little Red Book
  9. 9. Halo
  10. 10. Dematerealize

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