laut.de-Kritik

Produzenten, welche Teufel haben euch geritten?

Review von

Zugegeben: Auf Joss Stones beiden Alben "The Soul Sessions" und "Mind, Body & Soul" war längst nicht sämtlicher Kritiker-Jubel auch tatsächlich reines Song-Gold. Aber das Ganze machte verdammt viel Spaß mit seinem frisch polierten, gut gelaunten Retro-Chic und einer spannenden, aufregenden Stimme, die so wohltat zwischen all den genormten Teenie-Randbegabungen verschiedenster Couleur.

Und: Einer so jungen Künstlerin gegenüber zeigte man gerne Nachsicht, wenn sie denn mit tatsächlichen Klasse-Momenten so einige Etablierte gekonnt vom Konkurrenz-Bänkchen pustete. Von diesem authentischen Charme ist auf dem Drittling "Introducing Joss Stone" leider nichts, aber auch gar nichts übriggeblieben. Mädel, was haben sie mit dir gemacht? Produzenten, welche Teufel haben euch geritten?

Der Grusel beginnt sofort nach dem Intro mit "Girl They Won't Believe It": Die aalglatte Happy-Nummer verschreckt neben allerlei musikalischen Vordergründigkeiten besonders mit seinen schauerlichen Hauruck-Beats. "Headturner" und "Tell Me 'Bout It" bieten netten Gebrauchs-Soul-Pop, hauen aber nicht vom Hocker. "Tell Me What We're Gonna Do Now" groovt stets viel zu brav und zu gefällig. Eine Menge läuft schief im Laufe des Albums: Da ist zunächst einmal die üble, konturlose Abmischung sämtlicher Titel. Wohin nur ist die Sound-Transparenz der vergangenen Alben verschwunden? Joss' Stimme ist viel zu sehr in den Hintergrund gelegt, von kribbelndem und sinnlichem "Direkt-ins-Ohr-hauchen", wie es damals aus den Boxen klang, ist hier kaum etwas auffindbar.

Nerviger Intonations-Manierismus macht sich breit bei Joss: Das Übermaß an den Pflicht-"Uh-Uhs", "Uh Yeahs" und "Mmhs" geht rasch auf den Senkel, taucht jedoch leider ständig wieder auf. Einen - aber wirklich nur einen - überdurchschnittlichen Klasse-Track hat "Introducing..." dann doch zu bieten: In dem mit trockenen Beats und prächtig adaptierter Prince-Attitüde versehenen "Put Your Hands On Me" blitzt die alte Soul-Hoffnung nicht nur gelegentlich auf, sondern ist voll wieder da. Geht doch! Kleine, aber prima Ideen im Aufbau, dezente Breaks, Joss röhrt und gurrt, kocht hier eine kräftige, nahrhafte Soul-Brühe - warum nicht öfter so? Die aufkeimende Hoffnung erstickt dann wieder jäh bei der trägen, langweiligen Lauryn Hill-Kollaboration "Music", bevor spätestens die harmlos-belanglosen "Arms Of My Baby" und "Bad Habit" dem Album seinen endgültigen Garaus bereiten.

Ärgerlich auch das konzeptionell spannende, in der Ausführung aber völlig verschenkte "Proper Nice": Das behäbig-schlaff verwischte Chill-Arrangement lässt den Titel nie im Glanz erscheinen, und Joss' merkwürdig leidenschaftsloses Heruntersingen lässt den Titel entgültig im Hör-Hinterhof der Musikgeschichte verschwinden. "What Were We Thinking" ist lieblose Alben-Auffüllware, das ausgelutschte Sing-A-Long in "Baby Baby Baby" ist einer Joss Stone - wie sie sich in der Vergangenheit präsentierte - einfach nicht würdig. Natürlich darf man dem Album das, was an der Künstlerin in den zurückliegenden Jahren so begeisterte, bei aller Kritik nicht vorwerfen: Das Hantieren mit Soul- und Blues-Elementen der sechziger und siebziger Jahre des Vorjahrhunderts.

Aber: Es bleibt ein Unterschied, Versatzstücke aus dem Fundus der Musik-Geschichte tatsächlich neu zu beleben, oder sie lediglich zu kopieren. Genau das ist das Hauptproblem an diesem Album: Da geht es nie in die Tiefe, da wird nur an der Oberfläche gekratzt. Da werden einfach zuviele Stil-Elemente unüberlegt in einen gefälligen Soul-Eintopf geworfen, bis kaum ein Eigengeschmack der Zutaten erkennbar bleibt. CD-Vinyl-Knistern, allerlei Scratches hie und da: Das lockt niemanden mehr hinter dem Küchenofen hervor. Und selbst die beste stimmliche Meisterköchin kann aus vorab nicht passend gewählten Zutaten kein exquisites Mahl kreieren, besonders wenn man sie eigentlich gar nicht richtig am Herd hantieren lässt.

Joss, schmeiß' sie raus, die ganzen überflüssigen Tüftler und Gimmick-Produzierer, ab in ein kleines Studio - und ein besseres Händchen beim eigenen Songwriting sei dir gewünscht. Böse bin ich dir nicht wegen einem weniger gelungenen Album, doch die neuen Songs taugen lediglich als Burger-Budenbeschallung. Verschleudere dein Talent bitte nicht auf diese Weise. Das nächste Mal dann wieder im Club - bei Scotch und Zigarettenqualm. Und nicht wie hier in der cleanen Mineralwasser-Bar mit lustfeindlichem Rauch- und Saufverbot.

Trackliste

  1. 1. Change (Vinnie Jones Intro)
  2. 2. Girl They Won't Believe it
  3. 3. Headturner
  4. 4. Tell Me 'Bout It
  5. 5. Tell Me What We're Gonna Do Now
  6. 6. Put Your Hands On Me
  7. 7. Music
  8. 8. Arms Of My Baby
  9. 9. Bad Habit
  10. 10. Proper Nice
  11. 11. Bruised But Not Broken
  12. 12. Baby Baby Baby
  13. 13. What Is Were We Thinking
  14. 14. Music Outro

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56 Kommentare, davon 3 auf Unterseiten

  • Vor 16 Jahren

    Ganz meine Meinung. Ich wollte mir diese CD kaufen. War beschlossene Sache. Ich hatte aber ehrlichgesagt Gegenteiliges erhofft, da mir schon die ersten beiden zu glatt waren. Schade, dass es noch viel ärger in diese Richtung ging. Dem Autor des Artikels stimme ich in so gut wie allen Punkten zu.

    Ein Jammer. Denn ich halte Joss für ein Ausnahmetalent a la Chaka Khan - grammy-würdig.

    Oliver
    Journalist, München

  • Vor 16 Jahren

    Ganz meine Meinung. Wobei ich dem Vorgänger auch nicht viel abgewinnen konnte. Aber diese Stimme...

    Momo
    Fußballer, Köln

  • Vor 16 Jahren

    Eine Frage zur laut.de-Rezension: Was bedeutet Manierismus?

    Zu Joss Stone: kam noch nicht nennenswert mit ihrer Musik in Berührung, aber lecker, das ist sie! :-)

  • Vor 15 Jahren

    Die Aussage von LaRocca ist richtig, verstehe Dein Bedürfniss etwas logisches und deutlich nicht widersprüchliches nochmal deutlich machen zu wollen nicht. Ist aber auch wurscht, ich denke wir beide wissen mittlerweile, was wir voneinander, von Reviews und Joss Stone halten und eine großartige Wendung wird das hier auch nicht mehr nehmen. Denke wir können diese kleine Diskussion jetzt ruhen lassen, was?

  • Vor 15 Jahren

    in dem punkt stimme ich Dir voll und ganz zu

  • Vor 14 Jahren

    Dem zitierten Beitrag kann ich nur zustimmen. War nämlich gestern auf dem open -air Konzert von Joss in Bonn (Museumsmeile). Da hat Sie eine super live Performance hingelegt mit einer super Band und auch einem super Background Gesangstrio ! Das war oft Gänsehaut pur, diese Stimme vibrieren zu hören, zusammen mit dem genannten Ensemble. Ihr drittens Album introducing Joss finde ich auch nicht so berauschend, aber das ändern rein gar nichts an Ihrer Super Stimme und Ihrer positiven Ausstrahlung ! Gerade live zeigt sich, wer wirklich was drauf hat ! Da kommt sicher noch mehr aus dem Studio, auch Alben die wirklich begeistern ! Die Dame ist schließlich erst 22 !
    Sie hebt sich in jedem Fall ab von den "Mainstraem Stars" ohne wirkliche Stimme a la Lady Gaga...der Name sagt schon alles...

    @Cicero (« Jungs und Mädels, seid doch mal ein bisschen freundlich zueinander!

    Einige Beiträge hier sind doch nicht niveauvoller, als die sonntägliche Stammtisch-Fußball-Besserwisserei. Seid Ihr alle Max Merkel, oder was? Möchte mal wissen, ob auch nur ein einziger hier eine vernünftige Liedtextzeile aufs Papier bringt oder in ein Mikrofon trällern kann. Wer meint, er (sie) kanns: Bitte youtube-Link angeben, dann können wir’s nachprüfen. Ansonsten bitte den Ball ein bisschen flacher halten!

    Ich bin hier derjenige, der direkt vom Joss-Stone-Konzert in der Münchner Tonhalle an den heimischen Mac geeilt ist, um Euch allen mitzuteilen, dass Miss Stone eine wunderbare Live-Sängerin und Entertainerin ist. Ich danke dem Schöpfer, und da werden mir sicherlich alle Besucher des Konzerts beipflichten, uns einen sinnlichen, humorvollen Abend mit bester musikalischer Unterhaltung geschenkt zu haben.

    Freilich ist die neue CD gewöhnungsbedürftig. Aber wir haben hier eine junge Künstlerin, die uns noch viele Jahre Freude machen wird. Manchmal etwas mehr, manchmal vielleicht auch etwas weniger, ist halt so. Queen hatten auch schlechte Alben.

    Und in einem werden wir uns in diesem Forum doch einig sein: Schätzen wir uns glücklich, und danken wir täglich dem Herrn, dass uns unser Geschmack hierher, und nicht in das Forum von Status Quo getrieben hat! »):