laut.de-Kritik

Engel, Drache, Formwandler ohne Scheuklappen.

Review von

Bevor man sich einem neuen José James-Album nähert, sollte man seinen Kopf zuerst zwingend kräftig durchschütteln. Raus mit all den vorgefertigten Bildern und Erwartungen an den Künstler. Bei einer mit Vorurteilen vollgestopften Rübe hat es "While You Were Sleeping" schwer. Fertig? Ist der Nischel nun frei für ein neues Kapitel? Gut.

Auch auf seinem fünften Werk geht James seinen in Schlangenlinien verlaufenden Weg, auf dem er sämtlichen Schubladen ruckartig ausweicht, weiter. Kaum landete der im Jazz-Bereich groß gewordene Sänger 2012 bei Blue Note Records verkündete er: "Ich habe mich entschlossen, dass ich nicht mehr bloß als Jazz-Sänger gesehen werden will." Dementsprechend beschäftigte er sich auf "No Beginning No End" mit R'n'B und Neo-Soul. "While You We Sleeping" geht diese Entwicklung nicht einfach weiter, sondern springt die Treppe zwei Stufen auf einmal nehmend hinauf. Die Frage, die in großen Leuchtbuchstaben über dem Longplayer hängt, lautet: Ist das überhaupt noch Jazz? Die klare Antwort: Jein.

Heuer entdeckt James die elektrische Gitarre, die Brad Allen Williams für ihn übernimmt, für sich und öffnet in herausfordernden Arrangements die Tür für Einflüsse von Hendrix, Radiohead, Frank Ocean, Junip und gar Nirvana. Zwischen dem lodernden Gitarren-Opener "Angel" und der Schlussnummer, ein Cover von Al Greens "Simply Beautiful", scheint alles möglich. Letztendlich hält James' Stimme dieses Genre beugende Wirrsal zusammen.

"I'm gonna take what's mine / Everybody thinks I belong to them / But this shit worldwide / Going round a circle on a silver jet." In der aggressiv groovenden Vorabsingle "EveryLittleThing" zeigt James seine gefletschten Zähne. Ein Eindruck, den das monotone, jedoch stark einfräsende Songwriting weiter verstärkt. Das famose "Angel" verbindet ein etwas zu klar poliertes Hendrix-Riff über einem knorrig schleppenden Funk-Beat mit einem jazzigem Rhodes-Piano.

Nur in "Anywhere U Go" wirkt Williams wie ein Fremdkörper. Die zu kraftlos vorgetragene Nirvana-Ästhetik mag in diesem Experiment nie mit seinem Umfeld funktionieren. Deutlich zeigt das Stück mit seinem langweiligen Standard-Riff was passiert, wenn man Rock seiner Grobheit entzieht und flutscht eben erst, sobald sich die Gitarre im Refrain zurückzieht.

"4 Noble Truths" beginnt mit einer einfachen, im 3/4-Takt schunkelnden, Akustik-Gitarre, die Richard Spavens zurückgelehntes Schlagzeugspiel begleitet. Eine mystische folkloristische Ballade, die mit edlen Streichern ihre eigene, in Moll getragene Dynamik entfacht. Im hypnotischen Titeltrack flirtet James mit Neil Youngs "Heart Of Gold". Träufelnde Keyboards und ein weitläufiges Arrangement unterstützen die träumerische Stimmung, bis ein bissiges Gitarren-Solo die Szenerie zerreißt. Eine rätselhafte Atmosphäre, die auch das intensive, im Trip Hop angesiedelte "Bodhisattva", mit seinem bleischweren Bass und den drückenden Synthesizern heraufbeschwört.

Das gedämpfte "Dragon", von Becca Stevens geschrieben und mit ihr im Duett vorgetragen, wandert mit seinem eindringlichem Aufbau auf den Spuren einer Joni Mitchell. Mit "Simply Beautiful" und Takuya Kuroda an der Trompete endet "While We Were Sleeping" letztendlich doch noch dort, wo so manch ein beleidigt in seinem Schneckenhaus zurückgezogener Jazz-Muffel James gerne von Beginn an gesehen hätte. Zärtlich schmiegt sich Kurodas Solo an die Akkorde des Reverends.

Auf Kosten eines geschlossen wirkenden Albums, wechselt José James seine musikalische Garderobe mit nahezu jedem Stück. Er bleibt immer in Bewegung und zeigt uns die ganze Palette seines Könnens. Ja, "While You Were Sleeping" ist Jazz. Aber ebenso ist es Soul, Funk, Rock, Trip Hop und künstlerische Freiheit. Ein Engel, ein Drache, ein Formwandler ohne Scheuklappen.

Trackliste

  1. 1. Angel
  2. 2. U R The 1
  3. 3. While You Were Sleeping
  4. 4. Anywhere U Go
  5. 5. Bodhisattva
  6. 6. 4 Noble Truths
  7. 7. Dragon ft. Becca Stevens
  8. 8. Salaam
  9. 9. Without U
  10. 10. EveryLittleThing
  11. 11. xx
  12. 12. Simply Beautiful ft. Takuya Kuroda

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