laut.de-Kritik

Der Hauch des Todes umweht die brüchige Stimme.

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Der Hauch des Todes umweht Johnny Cashs Stimme, wenn er seinen Gott bei "Help Me" mit brüchiger Stimme um Gnade bittet. Der füllige Bariton, über lange Jahre das Markenzeichen von Cash, hat die Welt bereits verlassen. So viel ist schnell klar. "A Hundred Highways", die nunmehr fünfte Ausgabe der "American Recordings"-Serie, ist ein Album zwischen Leben und Tod. Es enthält die letzten Aufnahmen, die Johnny Cash und Produzent Rick Rubin 2003 zusammen gemacht haben, und beschließt zugleich das beeindruckende Spätwerk des Country-Stars.

Rick Rubin hat sich in den vergangenen Monaten also noch einmal seinem Archiv zugewandt. Dort lagern die Tonspuren, die während der neunjährigen Zusammenarbeit mit Johnny Cash entstanden sind. Einen Eindruck von den dort lagernden Schätzen konnte man bereits auf der opulenten 5-CD-Box "Unearthed" gewinnen. Einige haben nun ihren Weg auf "A Hundred Highways" gefunden. Dazu haben sich Cashs ehemalige Studiomusiker noch einmal hingesetzt und die Gesangsspuren mit den passenden Instrumental-Parts versehen.

So wirken die Songs trotz der posthumen Fertigstellung durchweg authentisch. Auch thematisch knüpfen sie nahtlos an die ersten vier "American Recordings"-Alben an, selbst wenn die Hörer dieses Mal nur wenige bekannte Coverversionen serviert bekommen: Bruce Springsteens "Further Up On The Road", Gordon Lightfoots "If You Could Read My Mind" und die Hank Williams-Nummer "On The Evening Train". Das meiste hat Produzent Rick Rubin wohl schon für "Unearthed" aus dem Archiv geholt, so dass "A Hundred Highways" dem Cash-Album "Mothers Hymn Book" am nächsten kommt.

Zahlreiche Gospels und Traditionals sind der augenfälligste Beleg dafür. So ist auf "A Hundred Highways" beispielsweise "Gods Gonna Cut You Down" zu hören, das auch Moby vor einigen Jahren in seinem Song "Run On" vom Erfolgsalbum "Play" verarbeitet hat. Bei Cash freilich erhält das Traditional einen fatalistischen Unterton, der im stoischen Gospel-Rhythmus des Songs seinen Widerpart findet.

Gerade deshalb ist "Gods Gonna Cut You Down" der stärkste Song des Albums. Er beschwört noch einmal auf eindringliche Weise die Magie in Cashs Musik. Mit dem bluesigen "Like The 309" ist zudem der letzte von Cash aufgenommene Song auf "American V" zu finden. Hier kehrt der Country-Star mit erstaunlich fülliger Stimme noch einmal zu seinen Wurzeln zurück. Das Leben, der Tod und die Eisenbahn sind die großen Themen des Songs. Nicht nur für Fans ein guter Grund, sich das Album zuzulegen.

Diese starken Darbietungen im Einzelnen können jedoch nicht darüber hinweg täuschen, dass das Album nicht an die überragende Qualität der ersten vier "American Recordings"-Veröffentlichungen heranreicht. Gleichwohl hat Rick Rubin bereits angekündigt, dass die Veröffentlichung eines sechsten Teils der Reihe bereits in der Planung sei.

Trackliste

  1. 1. Help Me
  2. 2. God's Gonna Cut You Down
  3. 3. Like The 309
  4. 4. If You Could Read My Mind
  5. 5. Further On Up The Road
  6. 6. On The Evening Train
  7. 7. I Came To Believe
  8. 8. Love's Been Good To Me
  9. 9. Legend In My Time
  10. 10. Rose Of My Heart
  11. 11. Four Strong Winds
  12. 12. I'm Free From The Chain Gang Now

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9 Kommentare

  • Vor 17 Jahren

    @daniel straub (« ... selbst wenn die Hörer dieses Mal vergebens auf neue Coverversionen warten. »):

    Was ist mit Springsteen´s "Further Up On The Road" ? Oder hat Cash den Song schon mal aufgenommen ?

    Wie zu erwarten ein schwer verdauliches Album . Was Cash da hinlegt, ist schon beeindruckend . Auch die Gastmusiker spielen ihre Parts mit Respekt und sehr würdevoll . Von Rubin wiedermal entsprechend produziert .
    Für mich der beste American-Teil .

  • Vor 17 Jahren

    Das hab ich grad sonstwoch auch gelesen, muss ein tolles Werk sein :trusty:

  • Vor 17 Jahren

    ja, kleiner recherche-fehler vom straub. das album besteht eigentlich wieder fast nur aus coverversionen, bis auf zwei cash-songs. allerdings kennt man außer springsteen und vielleicht noch gordon lightfoot diesmal keine sau :D

    text dementsprechend geändert!

  • Vor 17 Jahren

    @baudelaire (« ... aber inzwischen finde ich es unverschaemt, was da noch rausgeworfen wird. Die sollen den Mann doch einfach ruhen lassen. »):

    Hier wird gar nichts rausgeworfen . Was das American V angeht, wurden die Songs unmittelbar nach "When a man comes around" aufgenommen .

  • Vor 17 Jahren

    @baudelaire (« Naja, der fehlt mir auch gaenzlich, aber abgesehen vom Grossteil von "My Mother's Hymn Book" fuehle ich trotzdem alles, was der Mann in seiner Karriere veroeffentlicht hat. »):

    Das war auch nur ein Schreibfehler. Ich meinte wirklich nur dieses Album, um das es hier geht. Es sollte - wie ich inzwischen gelesen habe - übrigens ursprünglich "The Black Gospel Album" heißen. Es ist definitiv ein zutiefst sprituelles und christliches Stück Musik. Das mindert ja seinen Wert nicht, und als Popkunst entsteht es ohnehin im Kopf des Hörers noch mal neu und möglicherweise in einem ganz anderen Sinne.

    Allerdings scheint mir auch nach mehrmaligem Hören in einigen Passagen die Trennlinie zwischen emotionaler Tiefe und sentimentalen Kitsch doch überschritten zu sein. Was allerdings möglicherweise an der nachträglichen Produktion und der allzu gefälligen Instrumentierung liegen könnte.

    Dass man Cash einige Zeit in Ruhe lassen sollte hätte aber vielleicht schon sein Gutes. Ich muss ehrlich gestehen, dass mir diese Querverbindung aus amerikanischem Nationaldenkmal, zu der Cash gewollt oder nicht nun mal geworden ist und christlichem Bekennertum aufgrund der aktuellen politischen Konstellation - sagen wir mal zumindest daran hindert, mich in der Weise seiner Musik zu öffnen, wie sie es verdient hätte. Americana ist nämlich ansonsten eines meiner absoluten Lieblingsgenres.

  • Vor 17 Jahren

    Dass die Beurteilung dieses Albums durch Medien wie den Rolling Stone oder auch den Spiegel, dessen Leserschaft der Generation Cash im Schnitt wahrscheinlich doch etwas näher steht, erheblich kritischer und nüchterner ausfällt, ist übrigens ein interessantes Phänomen. Ich teile die Ansicht der dort veröffentlichten Reviews, die das Album zumindest streckenweise zu gefällig, zu konventionell, zu süßlich-kitschig finden.

    Umgekehrt erschien jetzt im Online-Magazin für junge Menschen mit unabhängigem Musikgeschmack eine ziemlich unkritische Rezension, die vor salbungsvollen Plattitüden nur so trieft.

    Die Faszination der American Recordings liegt für mich darin, dass man zu keinem Zeitpunkt wissen kann, was einem im nächsten Moment erwartet sowie in der Rauhigkeit, Kargheit und Unkonventionalität der Arrangements. Ich wüsste absolut keinen Grund, warum ausgerechnet auf dem letzten Album, das Cash zu Lebzeiten mitgestaltete, die Gitarren (wie in "If You Could Read My Mind") in solch einer idyllischen Sonntagsnachmittagsgemütlichkeit vor sich hin plinkern müssen. Im Gegenteil: Ich hätte mir eigentlich gerade für diese Platte etwas vollkommen Kompromissloses gewünscht.