Details

Mit:
Datum: 17. Mai 2010
Location: Admiralspalast
Friedrichstraße 101
10117 Berlin
Website: Offizielle Homepage des Veranstaltungsorts
Alle Termine ohne Gewähr

Review

laut.de-Kritik

Die Stimmung steigt mit Joannas Scherzen ...

Review von Janosch Müller

Joanna Newsom liebt eingängige Songstrukturen nicht besonders. Ihr exotischer Sound entfaltet trotzdem eine ungeahnte Sogwirkung. Daher musste ihr Berlin-Konzert kurzfristig umverlegt werden.

Statt in der heimeligen Passionskirche steigt es im großen Saal des Admiralspalastes. Dennoch sind schon eine halbe Stunde vor Beginn die meisten Plätze belegt. Wenn heute überhaupt ein Stuhl frei bleibt, dann nur, weil drei, vier arme Irre draußen noch ihre Tickets verkaufen wollen.

Das Vorprogramm bestreiten Newsoms Bandmitglieder. Ryan Francesconi scheint neben Joannas kolossaler Harfe fast auf der Bühne zu verschwinden, aber klanglich muss er sich nicht verstecken. Mit packenden Gitarrenjazz führt er die Hörer auf eine mediterrane Reise. Als nächstes bestreitet Schlagzeuger Neal Morgan ein experimentierfreudiges Solo in epischer Breite. Musik, die sich Zeit zur Entfaltung nimmt, so lautet das Credo des Abends.

Newsom erscheint in einem rustikalen, grasgrünen Kleid. Endlose Haare wallen ihr nach. Kurz winkt sie schüchtern aus dem Handgelenk, bevor sie mit "81" und "Have One On Me" von ihrem neuen Album den Anfang macht. Es dauert ein wenig, bis sie in Fahrt kommt. Vielleicht hätte sich die intime Seite ihrer Lieder in der Passionskirche leichter entfaltet, als vor dieser Wand aus eineinhalbtausend Menschen?

Aber die Stimmung steigt mit Joannas Scherzen über Starallüren - "Ich habe ein Haar im Auge... blast die Show ab!" - bis bei den ersten Tönen von "The Book Of Right-On" Begeisterung aufbrandet. Nun ist sie in Topform. Die gelegentlichen Obertöne, durch die das Stück auf dem Album von 2004 vielleicht noch manchen Leuten zu grell war, sind aus ihrer Stimme verschwunden.

Die Lyrics, das Harfenspiel und der atemberaubende Gesang sind jeweils ein Kunstwerk für sich. Jedes erzählt seine eigene Geschichte und transportiert sein eigenes Wechselbad der Gefühle. Nur gelegentlich greifen die Wellen ineinander. Da ist es unmöglich, die Oberhand zu behalten, und so bleibt einem nichts übrig, als sich treiben zu lassen und auf immer neue Art hypnotisiert zu werden.

Die Traumreise wird erst unterbrochen, als Joanna ihre Harfe nachstimmen muss. Während sie an den Schrauben dreht, darf man Drummer Neal Fragen stellen, vorausgesetzt, man streckt auch brav und wird von ihm drangenommen. Der Erfolg der Aktion hält sich zwar in Grenzen, aber die "Frage", die ein männlicher Gast stellt - "Ich würde Joanna wirklich sehr, sehr gerne kennenlernen!" - kann man ihm beim besten Willen nicht verdenken.

Nach Stücken wie "In California" und dem begeistert begrüßten "Monkey And Bear" bildet "Baby Birch" die Zugabe. Aber selbst als die Bühne bald fünf Minuten leer steht, wollen die standing ovations einfach kein Ende nehmen. Es scheint fast so, als würden die Leute Joanna am liebsten mit vorgehaltener Pistole zu einer zweiten Zugabe zwingen, obwohl sie schon geschlagene zwei Stunden gespielt hat. Aber auch das kann man, beim besten Willen, niemandem verdenken.

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Artistinfo

LAUT.DE-PORTRÄT Joanna Newsom

Nachdem sie Ende März 2004 mit ihrem Album "The Milkeye Mender" debütiert, geht ein Rauschen durch den Blätterwald, das seinesgleichen sucht. Gerade …