laut.de-Kritik

Wunderbares Songwriting zwischen Melancholie und Aufbruch.

Review von

Plattenkritiken können mühsam sein, vor allem dann, wenn man die Band nicht kennt und vom ersten Moment an klar ist, dass die Platte nicht dem eigenen Geschmack entspricht. Seltener bekommt man Musik zum Rezensieren, die vom ersten Ton an berührt, so dass man sich wundert, dass man diesem Musiker seine Aufmerksamkeit nicht schon früher geschenkt hat.
Bei dem Schotten James Yorkston ist dies der Fall, sein drittes Album "The Year Of The Leopard" ist von einer so fragilen Schönheit, dass man schreien möchte, vorausgesetzt, man ist ein Freund des leisen, reduzierten Songwritertums. Yorkston lebe hoch!, sei hiermit in die Welt gebrüllt.

Eine erste Ahnung von "The Year Of The Leopard" lässt sich gewinnen, wenn man weiß, dass dieses Album von Phill Brown und dem ehemaligen Talk Talk-Mitglied Paul Webb produziert wurde, der seinerseits als Rustin Man mit Beth Gibbons (Portishead) das schöne "Out Of Season" veröffentlichte, das bei Yorkston einen bleibenden Eindruck hinterließ. "The Year Of The Leopard" ist aber frei von der bedrückenden Schwermut, die jenes Werk auszeichnet. Yorkston selbst bezeichnet Johnny Cashs "American Recordings III", Jaques Brel, Lal Waterson und das neue Scott Walker-Album als prägende Einflüsse. Man kann durchaus auch Nick Drake, Bert Jansch, Lambchop und die späten Talk Talk als Referenzen anführen.

"The Year Of The Leopard" zeichnet sich durch seine sparsamen Arrangements aus, deren Basis immer die gezupfte Gitarre darstellt. Der Gesang verschmilzt mit dem E-Piano, Klarinetten, Violinen, der Konzertina und einer dezent agierenden Rhythmus-Sektion.

Das Album startet mit "Summer Song"; sanft fügt sich Yorkstons warmer Gesang in das Kontrabassspiel und die gezupfte Gitarre ein und trägt eine zurückgelehnte Melodie vor. "Steady As She Goes" ist weniger verhalten und trägt poppige Züge. Weicher Rhythmus, Finger-Picking, Akkordeon und Kontrabass kommen sehr pointiert zum Einsatz, ein beschwingter Refrain folgt.

In den ruhigen Stücken "The Year Of The Leopard" und "I Awoke" wird Yorkston gesanglich von der wunderbaren HMS Ginafore aus dem Fence Collective unterstützt. Auch "5 A.M." besticht mit einer eindringlichen Melodie, in der Klarinette und Violine perfekt gesetzt sind. Im folgenden "Woozy with Cider" rezitiert Yorkston zu einem zurückhaltenden elektronischen Beat tagträumerische Gedanken. "I think I can be honest in presuming the world is not exactly going to be leaping out of its bed to make me rich, using my songs in adverts, selling oranges or lemons." Einfach liebenswert.

"The Brussels Rambler" mutet mit der tiefen Klarinette traurig an und erinnert mich an Arab Strap. Ein E-Piano bestimmt schließlich den "Orgiva Song", und "Don't Let Me Down" erstrahlt trotz aller Verzweiflung ganz hell.

The Year Of The Leopard" hält sein hohes Niveau durchweg. Es ist ein ruhiges, aber nie bedrückendes Werk, das mit einer fantastischen Instrumentierung und einem unglaublich angenehmen Gesang aufwartet. Es ist nicht Lo-Fi- oder Freak-Folk, wie die Musik um Devendra Banhart gerne bezeichnet wird, aber irgendwie doch Neo-Folk, der sich mit einer gelassenen Heiterkeit seinen Weg bahnt. Durchaus melancholisch gestimmt, nimmt es sich selbst nie zu wichtig.

James Yorkston hat mit "The Year Of The Leopard" ein zeitloses Album mit zehn zauberhaften Songs eingespielt, das einem sonnigen Herbstag gleicht und meinen CD-Spieler so schnell nicht wieder verlassen wird.

Trackliste

  1. 1. Summer Song
  2. 2. Steady As She Goes
  3. 3. The Year Of The Leopard
  4. 4. 5 A.M.
  5. 5. Woozy With Cider
  6. 6. I Awoke
  7. 7. The Brussels Rambler
  8. 8. Orgiva Song
  9. 9. Don't Let Me Down
  10. 10. Us Late Travellers

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