laut.de-Kritik

Suchmaschinenoptimierung in dein Gesicht.

Review von

Hinz & Kunz sollten eigentlich Ying & Yang heißen. So unterschiedlich wie Flip Feracious und Elsta sich präsentieren, so gut harmonieren sie nämlich auch. Der eine mit tiefer, reibender Stimme und In-die-Fresse-Lines, der andere mit weicher, verkopfter Stimme und ebensolchen Zeilen, die die Synapsen im Hirn rotieren lassen. Heraus kommt charismatischster Boom-Bap für Liebhaber der Wortverdrehung.

Der Sound ihres Debütalbums scheint genauso schwierig fassbar wie ihr Name für Suchmaschinen. Eigenwillig pumpt er durch die Boxen, trotzdem irgendwie warm und einladend. Der Kopf beginnt ganz von allein zu nicken und will auch nach dem Verklingen der zehn Songs nicht so recht damit aufhören.

Dabei beginnt "Im Eifer Des Geschwätz" mit einem klassischen Sample-Intro auf Bumm-Tschak-Bumm-Tschak. "Wir bedien' das Außenseiter-Ding wie kaum ein Zweiter - stimmt / und wenn wir was reißen, auch nicht weiter schlimm." Schon mit den ersten Reimsalven Elstas in "Herostrat" zeigt sich der kernige Dialekt des Potts.

"Aufgeputscht, aufgeheizt, aufgeheitert / du weißt genau wie's läuft - die vertraute Leier." Dass Elsta dank seiner Jokaz-Mitgliedschaft längst ein Routinier in Sachen Sprechgesang ist, hört man an der Zielsicherheit seiner Reime. Zwar blickt Flip auch schon auf ordentlich Bühnenerfahrung zurück, doch ab und zu erschweren einige Nuschler die Verständlichkeit seiner Verse. Das schmälert den Genuss seiner Ansagen allerdings nur wenig: "Ich hab' so viel Punchlines, man könnt' sagen, dass ich Schlager mache." ("Hexenschuss")

Ob über rauschig-spacigen Beats, harten Boom-Bap-Brettern mit fettem Sample-Einsatz oder schweren, düsteren Avancen: Hinz & Kunz liefern extrem kopflastigen Battlerap, der "Rigoros" Wack-MCs niedermetzelt. "Was hat das mit Vernunft zu tun / du gibst mir 'nen Grund oder 'nen stumpfen Loop und kriegt vor Verwunderung den Mund nicht zu." Gerne auch mit der Unterstützung von Kumpel "Wer steht ganz unten auf dem Drecks-Flyer und reißt dann mehr ab als der Headliner"-Prezident.

Dass Flip und Elsta ähnliches Potenzial haben, sollte spätestens nach "Behemoth" klar sein. Die Hookline bohrt sich mit einer Selbstverständlichkeit durch den Gehörgang, dass sich ein geneigter Hörer sogar fragt, woher ihm diese Line so bekannt vorkommt. Aber wie gesagt: Von Suchmaschinenoptimierung fehlt bei Hinz & Kunz jede Spur.

Doch neben Ohrwurm-Hooks und einem äußerst stimmigen Gesamtbild, sichern sich die beiden Dortmunder vermutlich vor allem mit ihrem komplexen Lyrik-Gewichse einen Slot auf dem nächsten Realkeeper-Festival: "Und abends, getaucht in tiefe Schwärze, führst du in deinem Kopf wieder den Krieg der Sterne und hockst ohne liebenswerten Spielgefährten vor einer nackten Wand im Meer aus Spiegelscherben." ("Letzter Tanz")

Während das eigene Hirn immer noch damit beschäftigt ist, die eben gehörten Worte und ihre Metaebenen nachzuvollziehen, schießen die beiden in "Bedenklich" fröhlich nach: "Jetzt werden schwache Herzen abgefertigt / Deiner Charakterstärke fehlt es an Kraftreserven / wir geh'n ma die Leber spül'n und den Rachen teer'n bevor uns der Schatten der Stadt beerdigt."

Man kauft Elsta blind ab, dass derartige Lines unbeabsichtigt aus ihm und Flip heraussprudeln. Doch bei aller Liebe für die Reim-Fähigkeiten überzeugen Hinz & Kunz vor allem mit simpler, bodenständiger Freshness: "Ich wollt' eigentlich was schreiben, was zu den Cuts passt / ach, was, macht, was ihr wollt, und dann passt das."

Trackliste

  1. 1. Herostrat
  2. 2. Rigoros
  3. 3. Hexenschuss
  4. 4. Letzter Tanz
  5. 5. Lavida Local
  6. 6. Behemoth
  7. 7. Trill
  8. 8. Creme Della Chrom
  9. 9. Bedenklich
  10. 10. Törkey

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