laut.de-Kritik

Särge, Benzinpumpen und ein Tornado-Bomber der RAF im Einsatz.

Review von

Matthew Herbert zählt zu den Künstlern und Produzenten elektronischer Musik, die problemlos Avantgarde und Politik in einem Konzept unterbringen. Was seine Alben "Plat Du Jour" und "The Mechanics Of Destruction" als vertonte Kritik am Gebaren der Nahrungsmittelindustrie eindrucksvoll unter Beweis gestellt haben.

Mit "Scale" indes verfolgt er laut eigener Aussage ein etwas anders gelagertes Ziel, nämlich das Songwriting wieder für sich zu entdecken. Ebenso den Genuss an Melodien und Harmonien. Mit dem Resultat, dass Herbert sich geradezu offen und eingängig gibt, für seine Verhältnisse fast schon richtige Popmusik macht.

Andererseits wäre Herbert ja nicht Herbert, wenn er vollständig die Finger von politischen Themen lassen würde. So dreht sich das neue Album nebenbei auch um die Problematik des schwarzen Goldes Erdöl. Wenngleich er dabei eher unterschwellig-subtil und feingeistig vorgeht, nicht so reißerisch wie bei den oben erwähnten Werken. Dennoch ist er mit dem für ihn gebotenen Ernst bei der Sache.

"Scale" gibt sich auf der einen Seite ruhig und melodisch, auf der anderen wiederum spielerisch und reich an Details. So fließen ungeniert aufgekratzte Jazzelemente und sinnlich wirkende Houseklänge ein, reiht sich Balladeskes ("Something Isn't Right" oder "We're In Love") an Clubtaugliches wie die Singleauskopplung "The Movers And The Shaker" oder "Moving Like A Train".

Für das emotionale Element sorgt hauptsächlich der auf allen Stücken zu hörende Gesang, in der Mehrzahl vorgetragen von seiner langjährigen Partnerin Dani Siciliano. Außerdem singen Dave Okumu von Jade Fox, Neil Thomas sowie Herbert selbst auf dem abschließenden "Wrong". Ebenfalls mit von der Partie ist ein Kammerorchester sowie eine Reihe von Musikern der Matthew Herbert Bigband.

Was ungleich wichtiger erscheint, ist die Tatsache, dass auch die avantgardistisch betonte, experimentelle Ader Herberts wiederholt zum Vorschein kommt, wenn wie bei "Birds Of A Feather" Lebhaftigkeit und Dekonstruktion miteinander ringen oder "Just Once" durch prägnante Perkussions auffällt.

Wie nicht anders zu erwarten, hat sich Herbert wieder allerhand einfallen lassen für das Generieren und Erschließen neuer und unkonventioneller Klangquellen. Unter gelegentlicher Missachtung seines dogmatischen "Personal Contract For The Composition Of Music", das keine Drumcomputer, Presets oder Samples von anderen Platten bei der Produktion erlaubt.

So kamen Särge, Benzinpumpen oder ein Tornado-Bomber der RAF zum Einsatz, wurden Drums im Meer, im Heißluftballon, in einem Labyrinth sowie in einem 160 km/h schnellen Auto aufgenommen. Ein Stück der Platte setzt sich gar aus 177 verschiedenen Nachrichten eines eigens dafür installierten Anrufbeantworters zusammen.

Unterm Strich bedeutet "Scale" eigentlich nichts anderes als die Quintessenz aus den Alben "Goodbye Swingtime", "Plat Du Jour", "Bodily Functions" sowie Frau Murphys erster Platte, die Mister Herbert bekanntlich als Produzent betreute. Auf die Dauer jedoch entwickelt "Scale" bei allem Popgestus keine allzu große Spannung. Wer Aufregenderes aus dem Hause Herbert hören möchte, ist mit "Around The House" sicherlich besser beraten.

Trackliste

  1. 1. Something Isn't Right
  2. 2. The Movers And The Shakers
  3. 3. Moving Like A Train
  4. 4. Harmonise
  5. 5. We're In Love
  6. 6. Birds Of A Feather
  7. 7. Those Feelings
  8. 8. Down
  9. 9. Movie Star
  10. 10. Just Once
  11. 11. Wrong

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