laut.de-Kritik

Zwischen Volkslied und politischem Statement.

Review von

Mal angenommen, du bist ein politischer Liedermacher und hast dir dein Ansehen mit Rebellion erworben. Jahrzehntelang hast du nichts anderes getan, als gegen die Obrigkeit und die Missstände in der Gesellschaft zu singen. Erwartet dann dein Publikum nicht irgendwann von dir genau diese Nonkonformität?

Diesem Problem steht auch Hannes Wader gegenüber. Sein letztes Album "Jahr Für Jahr" - eine Art Best of der letzten zehn Jahre - enthielt nämlich keinerlei Rebellion, weswegen Waders Fans um so mehr auf ein politisches Statement in dieser ach so unsicheren Zeit warten.

Hannes Wader löst dieses Problem auf seiner neuen CD "Mal Angenommen" auf charmante Weise. Gleich sein erstes Lied "Politik" beschreibt genau dieses Dilemma: "Doch wenn man mir immer wieder sagt: Du sollst, du musst, dann werde ich leicht bockig", und gibt doch im Refrain darauf gleich resigniert zu: "Denn von Anfang an bis heute esse ich das Brot der kleinen Leute, also singe ich ihr Lied".

Dass er jedoch nicht ganz widerwillig diese Lieder im alten Stile aufgenommen hat, wird beim Hören von "Mal Angenommen" zunehmend deutlich. Hier finden sich nur eigens komponierte und geschriebene Lieder, die ganz und gar waderesk sind und sein ganzes Spektrum aufzeigen: politisches Anprangern, autobiographische Geschichten und volksliedähnliche Erzählungen.

Musikalisch gesehen ist dieses Album jedoch sehr sparsam gehalten. Verschiedene Gitarren, eine Mandoline, ein Kontrabass und sehr zurückhaltende Percussions reichen dem Liedermacher aus für die Untermalung seiner Texte. Genau diese Texte sind auch das Wichtigste in diesem Album, was man daran merkt, dass er nicht nur singt, sondern seine Texte auch spricht, fast sogar erzählt. Von lyrischen, zum Teil sehr persönlichen Zeilen bis hin zu bissigen und kämpferischen Songs reicht das Repertoire der Aufnahme.

So singt er in "Schwestern, Brüder" über den Tod, ein Thema, das ihn in seinem mittlerweile fortgeschrittenen Alter zu beschäftigen scheint. Themen, die wohl jeder nachvollziehen kann, werden in den Liedern "Blues in F" und "Gute Tage" behandelt. Im ersteren geht es um einen Tag im Park, wo man Leute beobachtet, mit ihnen in Kontakt kommt, sich mit ihnen freut oder sich über sie ärgert. "Gute Tage" beschreibt diese kleinen Erinnerungen an Lichtblicke, die aus einem schlechten Tag einen guten gemacht haben.

Der Höhepunkt dieses Albums ist aber ohne Zweifel das letzte und längste Lied. Mit 16 Minuten ist "Familienerbe" eine wahrhaft mächtige Saga um Waders Familie und somit ein typisch autobiographischer Song. Er erzählt balladesk Historisches über eine alte sozialdemokratische Familie. Sich selbst lässt Wader fein außen vor, da ihm das alles "noch viel zu gegenwärtig, viel zu nah" an seinem Leben dran ist. Macht nichts. Seine politische Gesinnung kann man auch so erkennen - nicht nur in diesem Album.

Wader schreibt in seiner Einleitung im Booklet: "Mal Angenommen, diese CD ist gelungen, dann hätte sich die - wie ich zugebe, durchaus privilegierte und hoch befriedigende - Schinderei ja gelohnt." Ich erlaube mir ein Urteil: Mal angenommen, man hat die Zeit, sich hinzusetzen und sich in Ruhe die Lieder anzuhören und diesen feinen und doch sehr greifbaren Texten zuzuhören, dann ist die CD eindeutig gelungen.

Trackliste

  1. 1. Politik (Mal Angenommen ...)
  2. 2. Blues In F
  3. 3. Der Hölzerne Brunnen
  4. 4. En Roulant Ma Boule
  5. 5. Schwestern, Brüder ...
  6. 6. Trotz Alledem (III)
  7. 7. Gewalt
  8. 8. Gute Tage
  9. 9. Der Weissdornbusch
  10. 10. Familienerbe

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