laut.de-Kritik

Mönche des Teufels in den Sümpfen der Verdammnis.

Review von

Michael Cretu hat Schuld. Im Jahre 1990 eroberte sein Pseudo-Mönchsgesangsprojekt Enigma mit "Sadeness (Pt. 1)" europaweit die Charts. Zugegeben, damals klang das Ganze frisch, neuartig und nicht unangenehm in meinen Ohren. Zumal die Hauchparts seiner Lebensgefährtin, der "Maria Magdalena"-gestählten Disco-Maus Sandra, für den nötigen Erotik-Thrill sorgten. Dieses Projekt hatte einige Monate später seinen Erfolgs-Zenit überschritten, als Epigonen unter dem Namen Gregorian irgendwo in den unteren Chartsrängen auftauchten.

Gregorian kredenzen nun die mittlerweile siebte Auflage ihrer übelriechenden Rührstücksuppe "Masters Of Chant". Fazit vorweg: Der ganze gregorianisch befleckte Muzak-Mulm ist nicht nur überflüssig und nervtötend, sondern vor allem eins: wahrhaftig ärgerlich.

Geht es bei Musik - auch der, die nur schlichter Unterhaltung dient - um Seele: Gregorian haben diese dem Beelzebub verkauft. Geht es - wenn auch nur in kleinem Rahmen - um Inspiration und Innovation: Gregorian haben beides längst ins höllische Fegefeuer gejagt. Zu allem Überfluss präsentieren Gregorian ausnahmslos als Cover von Erfolgstiteln verschiedenster Genres. Ist ja auch einfacher, als selbst die Kompositionsfeder in echte Kunst zu tauchen und so womöglich eigene Ideen auszubrüten.

In der Kloster-Rumpelkammer steht dann also ABBAs "Arrival" gleichberechtigt neben U2s "One", übergossen mit dem stets gleichen, klebrigen Schlonz-und-Kotter-Gebräu aus halbheiligen Choral-Stimmen, eingerahmt von trüben Friedhofsmauer-Düsternis-Halleffekten. Das Ganze gepaart mit inniger Lust auf eine Nivellierung, unter der keine noch so tapfer wuselnde Kirchenmaus mehr richtig Platz findet.

Gregorian entpuppen sich als die eigentlichen Diebe von Seele und Inspiration ihrer ausgewählten Nummern: Aus Kate Bushs großartiger Sinn- und Gottsuche auf "Running Up That Hill" reißen sie Herz und Seele zur Gänze aus den Eingeweiden und opfern sie bei vollem Bewusstsein dem dunklen Gott der Duft-Teelicht-Liebhaber auf seinem Schaudern machenden Altar.

Dann auch noch (wie kürzlich Paul Potts mit seiner denkwürdig grässlichen Version auf "Passione") erneut eine völlig überflüssige "A Whiter Shade Of Pale"-Variante, die wohl nur Menschen mit wahrhaftig tiefer Lust auf live zelebrierte Hexenverbrennungen goutieren können. Leuten, die Gregorian wirklich mögen, traue ich allerlei zu; dagegen sind aufrichtig jungfrauenopfernde Metaller gewiss die reinsten Liebewichte.

Zielgruppenfutter mit weniger Nährwert als eine vertrocknete Eiswaffel. So wirken die Gregorians überzeugend echt wie einst bundesdeutsche Edgar Wallace-Adaptionen von British Style-Grusicals des Schlages "Der Schwarze Abt" oder "Der Mönch Mit Der Peitsche", klischeegetreuer Käuzchenschrei und trockeneisnebelige Mitternachtsstunden inklusive. Kennzeichnen diese alten Movies immerhin häufig gutes Handwerk, gekonnte Dramaturgie und hoher Unterhaltungswert, scheren sich Gregorian keinen Deut um solche Nichtigkeiten.

"Enjoy The Silence" von Depeche Mode muss dran glauben und wird tief in die Mönchszombiegruft hinab gezerrt. Dabei wäre es so einfach gewesen für die Macher von Gregorian, hätten sie doch nur diesen einen Songtitel tatsächlich und wahrhaftig beherzigt: nämlich von Tonstudio und die Aufnahmegeräten die Finger zu lassen.

Wie so etwas richtig - und vor allem: aufrichtig - geht, bewiesen unlängst die Zisterziensermönche vom Stift Heiligenkreuz mit ihrem Überraschungserfolg von "Chant - Music For Paradise". Die Zisterziensermönche vs. Gregorian: Das ist in dieser Sparte der uralte, finale Kampf zwischen Gut und Böse, zwischen Himmel und Hölle. Wie schön, dass in bester Hollywood-Tradition in diesem Falle das Gute eindeutig und siegreich die Oberhand behält.

Trackliste

  1. 1. Meadows Of Heaven
  2. 2. One
  3. 3. It Will Be Forgiven
  4. 4. Sweet Child Of Mine
  5. 5. A Face In The Crowd
  6. 6. The Carpet Crawlers
  7. 7. Arrival
  8. 8. Enjoy The Silence
  9. 9. A Whiter Shade Of Pale
  10. 10. Running Up That Hill
  11. 11. Molly Ban
  12. 12. Kashmir
  13. 13. Chasing Cars
  14. 14. Don't Leave Me Now

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