27. Februar 2015

"Ich habe 'Careless Whisper' aus seiner Comedy-Ecke befreit!"

Interview geführt von

Kaum ein anderer deutscher Künstler sieht seine Werke so sehr im Kontext des Feuilletons diskutiert wie Konstantin Gropper. Vielleicht auch ein bisschen, um den stets an ihn gerichteten Anspruch zu umgehen, entschloss sich Gropper vergangenen Herbst, kein neues Album zu machen. Stattdessen gab es drei EPs, die zudem nur auf Vinyl erschienen sind. Alle musikalisch völlig unterschiedlich und deshalb nicht für ein Album geeignet, so meint Gropper selbst. Dem Pop-Diskurs kann er sich aber dennoch nicht entziehen. Scheint doch das Wie und das Was, mit dem er seine Projekte angeht, ihn immer einem akademischen Publikum in die Arme zu treiben.

Selbst George Michaels "Careless Whisper" klingt, von Gropper neu interpretiert, wie eine leise, wenig schwülstige Hinterhof-Hymne, die gut als Untermalung eines verrauchten Skatabends diverser Philosophen dienen könnte. Der Track ist Teil der "Greatest Hits"-EP, die ausschließlich Coverversionen enthält. Die eine Woche zuvor erschienene "Henry – The Infinite Desire Of Heinrich Zeppelin Alfred Von Nullmeyer" hingegen ist eine Ode an das Werk des Schriftstellers Arnold Stadler. Und die bereits am 7. November veröffentlichte "The Lufthansa Heist" neigt sich dem College-Rock zu: ein Rückblick in die Tage der musikalischen Sozialisation Groppers. Und genau da komme ich ins Spiel – dank ein paar glücklicher Fügungen.

Hallo Konstantin! Mehrere Zufälle, wie der, dass wir aus derselben Gegen stammen und gemeinsame Bekannte teilen, führten dazu, dass ich schon früh von deinem musikalischen Schaffen Wind bekommen habe. Zunächst – und wir sprechen hier vom Jahr 1999 oder so - klang das ja eher noch nach Pavement, Dinosaur Jr. oder Nirvana und hatte für mich damals einen ähnlich hohen Stellenwert wie eben diese Bands, weil es schon sehr durchdachte Musik war. Natürlich war meine Freude groß, als du vergangenen Herbst mit der ersten EP "The Lufthansa Heist" eine Rückkehr zum Gitarren-Rock versprochen hast. Gerade deshalb: Haben diese Songs für dich persönlich eine besondere Bedeutung?

Konstantin Gropper: Das freut mich erst einmal sehr zu hören. Ich muss allerdings gestehen, dass es schon einige Jahre her ist, dass ich mich zum letzten Mal mit meinem eigenen "Frühwerk" beschäftigt habe. Ich glaube, ich bin noch nicht so weit, um das mit dem nötigen Abstand, der nötigen Selbstironie oder vielleicht dokumentarischem Interesse zu betrachten. Aber das stimmt natürlich: "Lufthansa Heist" ist eine Hommage an die Musik, die mich damals eindeutig sehr beeinflusst hat. Die Musik, wegen der ich überhaupt eine Band gründen wollte. Heute, 17 Jahre (Oh Gott!) später, ist das schon lange mein Beruf. Das hätte ich damals nie für möglich gehalten. Also ist die EP auch so was wie ein Dankeschön an diesen Sound und diese Bands. Diese Einflüsse sind immer irgendwo präsent in meiner Musik, aber so eindeutig wie auf "Lufthansa Heist" sind sie meistens nicht. Von daher haben die Songs eine Sonderstellung. Es ist auch nicht die Richtung, die ich mit Get Well Soon einschlagen werde.

Die zweite EP trägt wieder einmal einen dieser langen Namen, die für Get Well Soon so typisch sind. Insgesamt behaupte ich mal, dass sie von den Dreien auch am ehesten den Kernsound von Get Well Soon verkörpert, was natürlich durch den Anspruch untermalt wird, eine Hommage an Arnold Stadler, einem deiner Lieblingsschriftsteller, zu sein. Wie geht man ein solches Projekt an, ohne das Gefühl zu haben, der literarischen Vorlage nicht gerecht zu werden?

Na ja, diese Angst ist natürlich immer da, wenn man sich an einer Vorlage versucht, die einem so am Herzen liegt. Mittlerweile habe ich aber den "Segen" von Arnold Stadler persönlich, dem die EP sehr gut gefällt. Da bin ich natürlich erleichtert und fühle mich geehrt. Aber es ist ja nun auch keine Adaption, wie ein Drehbuch oder ein Opernlibretto. Das Buch war mir einfach eine große Inspirationsquelle. Da nehme ich mir dann eben eine große künstlerische Freiheit heraus. Das mit dem "Kernsound" kann ich nicht sagen. Aber mir ist schon öfter aufgefallen, dass die Hörer viel besser zu wissen scheinen, was der GWS-Sound ist als ich selber. Ich weiß nicht, ob das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen ist.

Bei der "Greatest Hits"-EP dann fällt vor allem die Wahl der Songs auf, neben "Careless Whisper" beispielsweise auch "Always The Sun" von den Stranglers. Welche Ansprüche stellst du an ein gutes Cover?

Für mich ist wichtig, dass ich dem Song etwas Neues abgewinnen kann. Ich versuche immer, den Song in einen neuen Kontext zu stellen und hoffe, dass er trotzdem noch "funktioniert". Das klappt natürlich nicht immer. Zunächst mal muss ich den Song natürlich mögen. Im Idealfall, wie zum Beispiel bei "Careless Whisper", ist es der Song an sich und nicht sein Sound. Da habe ich immer gedacht: toller Song, aber der Sound ist so eindeutig in der Zeit, in der einen "Ecke" und mittlerweile ja auch schon fast im Comedy-Fach verortet. Ich habe versucht, ihn da rauszuholen. Wenn der Song im neuen Gewand, im neuen Kontext Sinn macht, dann ist das für mich ein gelungenes Cover.

"Ich fürchte mich davor, langweilig zu werden"

Auf den drei EPs fällt einmal mehr sofort ins Auge, dass du ein Faible für das offene musikalische Zitat hast. Die Cover-EP habe ich eben angesprochen, nach "Staying Home" befindet sich Eric Claptons "Layla" auf der "Lufthansa Heist". Dazu kommt mir natürlich sofort der Philosoph Walter Benjamin in den Sinn, der davon spricht, dass heutzutage sowieso jedes Kunstwerk technisch reproduzierbar ist. Wo liegt für dich trotzdem – oder gerade deshalb – der Reiz beim Zitieren und Re-Arrangieren?

Ich liebe einfach solche Zitate. In meiner eigenen Arbeit genauso wie als Hörer. Meine Musik und, jetzt lehne ich mich mal aus dem Fenster, jede Musik besteht ja aus Zitaten, oder sagen wir mal eindeutigen Einflüssen. Der Reiz liegt für mich, wie bei den Coverversionen, am Kontextualisieren, Collagieren und Verbinden. Originell ist das dann, wenn es überrascht, aber trotzdem passt, wenn es einen Mehrwert bekommt oder einen gänzlich anderen Sinn. Ich mache das aber nicht aus irgendwelchen musikwissenschaftlichen Gründen. Das ist für mich eine rein emotionale Sache. Ich habe dann irgendwann mal das "déjà-écouté-Moment". Wenn man plötzlich etwas wieder erkennt und das dann ganz eigene Assoziationen auslöst. Das ist doch ein tolles Hörerlebnis. Finde ich zumindest.

Der Regisseur Jim Jarmusch, als Vertreter des Autorenkinos in jeglicher Hinsicht kreatives Herzstück seiner Filme, schreibt in diesem Zusammenhang beispielsweise der Authentizität eines Künstlers einen maßgeblichen Stellenwert zu. Du erreichst das in meinen Augen vor allem durch einen hohen Wiedererkennungswert deiner Musik. Ist es heute umso wichtiger, dass Künstler ihr Konzept bis zum Status der "Marke" hin schärfen?

Authentizität und Wiedererkennungswert sind schon wichtig. Solange man sich nicht wiederholt und es langweilig wird. Davor habe ich schon auch Angst. Aber gegen diese eigene "Marke" kann man ja auch oft gar nichts machen, besonders als Solo-Künstler. Das ist nun mal die Persönlichkeit. Einer meiner ganz großen Helden ist Stanley Kubrick. Der hat mit jedem Film ein komplett anderes Genre beackert und nebenbei revolutioniert. Aber man erkennt ihn trotzdem immer. Aber wie schon vorher gesagt: Ich könnte die "Marke" Get Well Soon nicht beschreiben, oder zumindest nur sehr schlecht. Das überlasse ich anderen.

Geht die Sache mit der Tour zu den aktuellen EPs, jenen dreigeteilten "Special Nights with Get Well Soon", nicht genau in die Richtung, die Band irgendwo als Marke zu definieren?

Die "Special Nights" sind eigentlich eher ein Versuch, den "normalen" Konzertabend etwas aufzubrechen. Es ist dabei schön zu sehen, dass die Leute anfangs oft irritiert sind, es aber am Ende doch zu schätzen wissen. Ob genau das ein bleibendes Element der Marke wird, wage ich zu bezweifeln. Aber wir versuchen immer etwas "Besonderes" oder "Anderes" auf jeder Tour.

"Rap-Platten zu produzieren, darauf wäre ich nie gekommen"

Du hast neben Get Well Soon in den vergangenen Jahren vieles gemacht und bist auch in den kommenden Monaten wieder in neue Projekte involviert. Wie findest du immer wieder andere Aufgaben, die dich reizen?

Ich hatte bisher immer das große Glück, dass die Aufgaben mich gefunden haben und darüber hinaus noch, dass es so grundverschiedene Projekte waren. Von mir aus wäre ich wahrscheinlich nicht auf die Idee gekommen, eine Schauspielmusik zu schreiben oder Rap-Platten zu produzieren. Aber genau das ist es, was mich reizt. Mich aus meinem gewohnten Umfeld heraus bewegen zu müssen. Ich kann nur hoffen, dass das so weiter geht. Aber ich kann mich auch ganz gut selbst beschäftigen. Im Moment konzentriere ich mich auf das nächste Get Well Soon-Album. Aber ich werde, oder vielmehr hoffe ich, dass ich auch weiterhin Filmmusik schreiben und andere Künstler produzieren werde. Oder gerne auch etwas völlig anderes tun, auf das ich selbst gar nicht komme.

Im letzten Interview mit uns hast du gestanden, dass du eigentlich ein "bodenständiger Schwabe" bist. Wie sehr spielt der Wunsch nach konkreten Zielen und jener nach einem gesicherten Leben bei deiner Arbeit eine Rolle?

Na ja, ein gesichertes Leben, was auch immer das heutzutage bedeutet, wünscht sich ja eigentlich jeder. Schwabe oder nicht. Konkrete Ziele habe ich mir allerdings nie gesteckt. Nach fast zehn Jahren in diesem Geschäft, habe ich noch immer nicht die geringste Ahnung wie das alles funktioniert, geschweige denn, was Erfolg oder Misserfolg ausmacht. Ich bin einfach froh an jedem Tag, an dem ich machen kann was ich will und trotzdem meine Miete zahlen kann. Ich weiß nicht, ob das schwäbisch ist, aber mit dem Nichtstun habe ich so meine Probleme. Immer wenn nichts Konkretes ansteht werde ich nervös, immer wenn ich mein gewünschtes Tagespensum nicht erreiche habe ich ein schlechtes Gewissen.

Gegenüber einem Kollegen meintest du kürzlich, dass du dich früher im ländlichen Vereinsleben nicht so wohlfühltest und deswegen lieber Instrumente für dich allein gelernt hast. Letzten Sommer hast du dann mit Get Well Soon eine Homecoming-Show in deinem Heimatort gespielt – "5 Steps/7 Swords" sogar mit einer Delegation des dortigen Musikvereins. War das sozusagen ein Stück weit notwendige Versöhnung mit der Heimat?

Also "Versöhnung" ist zu viel gesagt. Da gab es eigentlich nie "hard feelings", wie der Engländer sagt. Das mit den Vereinen, ist ja auch eine Erziehungs- oder Geschmackssache. Ich habe bis heute nicht "meine" Mannschaftssportart gefunden, habe mit sechs angefangen Cello zu spielen und war von daher ungeeignet für die Blaskapelle. Mit Fasching und Schießen konnte ich auch nichts anfangen und das war's ja dann ja auch schon. Aber das ist eben trotzdem mein Zuhause. Ich meine das nicht als Klischee oder als lustiges Zitat. Dass die Musikkapelle mit uns auf der Bühne war, war eine wirklich emotionale Sache. Das hat für mich irgendwie dazu gehört.

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LAUT.DE-PORTRÄT Get Well Soon

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