21. Juli 2013

"Ich habe die Welt nicht verstanden"

Interview geführt von

Frida Gold in aller Munde: Nach einer spektakulären Tour im Vorprogramm von Pop-Engelchen Kylie Minogue, einem erfolgreichen Diskografie-Einstieg ("Juwel") und der Teilnahme am Bundesvision Song Contest 2011, legt die Band um Frontfrau Alina Süggeler mit "Liebe Ist Meine Religion" nach.Polarisierung ist wichtig im Musikbusiness. Denn Bands, die die Allgemeinheit eher im Vorbeigehen wahrnimmt, sorgen nur selten für Schlagzeilen. Frida Gold finden viele toll. Mindestens genauso viele kriegen aber auch Würgereize, wenn sie das Band-Aushängeschild Alina Süggeler irgendwo in den Medien entdecken. Schließlich sei das divenhafte Lovestory-Auftreten der Wahl-Berlinerin aufgesetzt, kalkuliert und durchschaubar, so der allgemeine Tenor der Anti-Fraktion. Nur die Wenigsten stehen im Kann-man-durchaus-machen-Graben.

Ich bin einer von denen – kein Fan, aber auch kein Draufhauer. Dafür gab's in den letzten Wochen auch ordentlich Gegenwind. Mir doch wurscht. Ich verspürte nach dem Hörgenuss des aktuellen Albums nicht das sofortige Verlangen nach einem intensiven Gehörgänge-Waschgang. Und ich schlug auch nicht die Hände vors Gesicht, als von der Promoabteilung die Bestätigung für ein zwanzigminütiges Treffen mit den beiden Frida Gold-Chefdenkern Alina Süggeler und Andreas Weizel ins Haus flatterte.

Hi ihr zwei, in einer Woche kommt euer zweites Album raus. Wie ist die Stimmung im Hause Frida Gold?

Alina: Eigentlich wollten wir ja tapfer bleiben, aber irgendwie fällt es uns ziemlich schwer. Wir sind schon ziemlich aufgeregt.

Andreas: Total.

Alina: Es ist diesmal aber eine ganz andere Nervosität.

Inwiefern?

Alina: Beim ersten Album wussten wir noch nicht genau, wohin die Reise geht. Damals war alles neu für uns. Die Leute, die Medien, der Druck und nicht zuletzt auch die Musik. Diesmal ist alles irgendwie vertrauter. Vor allem haben wir ein Album produziert, mit dem wir alle total glücklich und zufrieden sind. Das ist ein Gefühl, das unheimlich viel von dem ganzen Drumherum so kurz vor dem Release erträglicher macht. Ich freu ich einfach nur tierisch auf den Tag, an dem wir das Album endlich mit den Leuten teilen können.

Ich konnte gestern das erste Mal in die Platte reinhören. Danach hatte ich irgendwie das Gefühl, dass da eine Band ihren Sound gefunden hat. Ist dem so?

Andreas: Absolut. Ich muss noch oft an die Zeit zurück denken, als wir unser Debütalbum in Angriff nahmen. Damals hatten wir eigentlich noch von nichts eine Ahnung. Ich finde das Album zwar auch heute noch toll und wichtig, aber je öfter ich es höre, desto mehr wird mir bewusst, wie orientierungslos wir damals teilweise noch waren. Wir waren musikalisch noch auf der Suche. Das neue Album hingegen ist das Produkt einer Entwicklung. Wir haben in den letzten drei Jahren einfach versucht, all das, was wir erlebt haben, in die Platte einfließen zu lassen.

Alina: Wir wollten uns mit diesem Album noch ehrlicher und noch authentischer präsentieren.

"Da war ganz viel Kraft, ganz viel Lust und unheimlich viel Verlangen nach Arbeit"

Inwieweit hat euch euer Aufenthalt in Los Angeles dabei geholfen?

Andreas: Die Zeit in L.A. war immens wichtig für die Entstehung des Albums. Wir haben uns hier ein bisschen eingeengt gefühlt.

Alina: Wir brauchten diese Reise einfach. Es ging um Abstand und darum, uns neu zu definieren. Die drei Jahre zuvor lebten wir ja unheimlich transparent. Wir brauchten dringend wieder Zugang zu unserem inneren Ich. Auch die ganze interne Kommunikation war so ein bisschen festgefahren. Wir haben uns dann überlegt: Was machen wir jetzt? Schließlich sind wir dann einfach losgefahren und schlussendlich in Los Angeles hängen geblieben.

Andreas: Es war einfach toll, in einer Umgebung zu arbeiten, die einen irgendwie gar nicht so richtig wahrnimmt. Ich meine, Venice Beach, das ist Leben pur. Da sind haufenweise Künstler und Menschen, die alle überhaupt keine Ahnung haben, wer oder was Frida Gold ist. Da herrschten perfekte Bedingungen für uns. Wir konnten morgens aufstehen, zwei Stunden joggen gehen und uns irgendwo in freier Natur hinsetzen und an Songideen und Texten arbeiten. Das hat keinen Menschen interessiert. So ist auch wieder dieser Hunger nach Emotionen entstanden und dieser Drang, sich mitteilen zu wollen. Das war dann auf der Gefühlsebene wieder genauso wie beim ersten Album.

Alina: Was auch schön war, war die Tatsache, dass wir keine Blockaden hatten. Man hört ja immer so viel vom schwierigen zweiten Album und all dem Druck, der sich darum aufbaut. In L.A. haben wir davon nichts mitbekommen. Es war ähnlich wie beim Debütalbum. Da war ganz viel Kraft, ganz viel Lust und unheimlich viel Verlangen nach Arbeit. Wir wollten auch das Bandgefüge stärken. Es ist schon was anderes, mit der ganzen Mannschaft über einen längeren Zeitraum in einem Haus zu wohnen, als sich vielleicht zwei- oder dreimal die Woche für ein paar Stunden im Studio zu treffen.

Spätestens nach eurem Auftritt beim Bundesvision Song Contest entstand ja hierzulande ein ziemlich großer Hype um die Band. Hattet ihr auch ein bisschen Angst davor, den Boden unter den Füßen zu verlieren? War das vielleicht mit ein Grund sich erst einmal abzusetzen?

Alina: Nein, eigentlich nicht. Ich weiß, dass es viele Menschen in Deutschland gibt, die uns aufgrund unserer extrovertierten Außendarstellung für abgehoben und gekünstelt halten. So sind wir aber gar nicht. Andi und ich leben zusammen in einer WG mit zwei Hunden, mit denen wir jeden Tag mehrere Stunden an der frischen Luft verbringen. Wir laufen durch den Wald, machen uns die Füße dreckig und mischen uns unter die Leute. Wir haben keinerlei Berührungsängste. Wer sich intensiv mit uns beschäftigt, der wird schnell feststellen, dass wir völlig normale Menschen sind, die einfach nur den Drang verspüren, ihre Emotionen zu teilen.

Ihr beide wart auch lange Zeit privat ein Paar. War die Band ein Trennungsgrund?

Alina: Irgendwann kann man das nicht mehr trennen. Das war halt schwierig. Die Beziehung ist dabei letztlich auf der Strecke geblieben. Aber wir sind beide glücklich, so wie es ist. Die Liebe findet jetzt auf einer anderen, manchmal sogar intensiveren Ebene statt. Wir kennen uns beide in- und auswendig. Jeder weiß, woran er ist.

"In erster Linie ging es uns um die Herausforderung"

Ihr seid für das neue Album nicht nur außer Landes gereist, sondern habt auch erstmals den Kontakt zu Co-Songwritern gesucht. Warum?

Andreas: In erster Linie ging es uns um die Herausforderung. Wir wollten uns nicht mit Guy Chambers oder Rick Nowels treffen, damit sie uns einen Hit aufdrücken. Wir wollten mit Leuten arbeiten, die uns und unsere Vorstellungen ernst nehmen. Das hat alles erstaunlich gut geklappt. Vor allem die Arbeit mit Guy war für uns alle eine tolle Erfahrung. Es gab keine Barrieren. Guy wollte nur wissen, was Alina wichtig war. Es ging um künstlerische Augenhöhe. Das war wirklich beeindruckend.

Alina: Man bekommt ja von solchen Schwerkalibern manchmal den Eindruck vermittelt, als müssten sie nur mit den Fingern schnippen. Viele Leute denken, dass Produzenten wie Guy nur abarbeiten. So ist es aber nicht. Ich war letztes Wochenende erst bei Guy zuhause in London. Er hat mich einfach eingeladen und wir haben uns seine Plattensammlung angeguckt und über Gott und die Welt gequatscht.

Andreas: Wir haben ja in der Vergangenheit auch mit Udo Lindenberg zusammengearbeitet. Da haben auch viele Leute gesagt: Der hört euch zwei Stunden zu und drei Wochen später, weiß er schon gar nicht mehr, wer oder was Frida Gold ist. Aber Pustekuchen: Da hat sich wirklich eine Beziehung zueinander entwickelt. Erst letztens hat er Alina eine SMS geschickt und ihr geschrieben, dass er unseren Auftritt bei "TV Total" toll fand. Das freut einen natürlich.

Ich empfand euer Debütalbum "Juwel" als eine Art orientierungsloses Fragespiel. "Liebe Ist Meine Religion" hingegen ersetzt viele Frage- durch Ausrufezeichen. War das so gewollt?

Alina: Absolut. Das war mir bei den Texten das größte Bedürfnis. Als wir "Juwel" aufgenommen haben, war ich 23. Alles war neu, die Wege waren noch nicht abgesteckt und wir hatten alle noch keine genaue Vorstellung, wohin die Reise gehen soll. Ich meine, wir orientieren uns heute natürlich auch noch, aber damals war eben alles totales Neuland für uns.

Ich habe die Welt nicht verstanden. Ich konnte sie nicht verstehen und manchmal wollte ich das auch gar nicht. In den letzten drei Jahren haben wir aber so viel erlebt und erreicht, was mir persönlich ganz viel Vertrauen und Sicherheit gegeben hat. Dadurch lösten sich ganz viele Fragen, die mich davor noch um den Schlaf brachten, in Luft auf.

Andreas: Diesen Prozess kann man eigentlich nur schwer in Worte fassen. Als wir gemerkt haben, dass all die Visionen und Träume, die wir zu Beginn unserer Karriere hatten, plötzlich wahr wurden, hat es uns förmlich emotional von den Stühlen gerissen. Wir hatten dann nur noch das dringende Bedürfnis, all diese Momente, Gefühle und Erlebnisse mit anderen zu teilen. Diese Sicherheit machte alles einfacher.

Man nimmt euch in der Öffentlichkeit immer wahlweise in drei "Paketen" wahr. Zum einen ist da natürlich Alina, das Aushängeschild der Band. Dann gibt es viele Auftritte von euch beiden, gerade wenn es um Interviews geht. Ganz selten präsentiert ihr euch als komplette Band. Tanzt ihr bewusst auf drei verschiedenen Hochzeiten?

Alina: Ich finde es unheimlich wichtig, offen und facettenreich zu sein. Wir wissen alle Flächen sehr zu schätzen. Ich habe kein Problem damit, wenn sich die Leute mit mir als Einzelperson beschäftigen wollen. Das ist ja nur eine weitere Plattform, die letztlich auch die Band weiterbringt. Wir finden es gut, dass die Menschen nicht nur an unserem Bandgebilde interessiert sind, sondern sich auch mit den einzelnen Charakteren und deren Geschichten auseinandersetzen wollen. Das macht die ganze Sache doch nur interessanter. Wir dosieren das selbst. Es muss sich gut anfühlen, das ist das Wichtigste.

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2 Kommentare mit einer Antwort

  • Vor 10 Jahren

    Unerträglich. Ich finde so ein Gerede ja schon immer bei Leuten unsympathisch, die wirklich was können. Aber bei diesen Möchtegernen ist das nochmal so schlimm. Uaaah.

  • Vor 10 Jahren

    Hab mir vor ein paar Tagen das Album gekauft und bin ehrlich begeistert!
    Ich gehöre nicht in die DSDS-Kategorie; bin Bj. 1962 und hab schon mit 8 Jahren eine Gitarre in den Fingern gehabt und bis heute extrem viel Musik gehört (was viele "Möchtegern-DSDS-geschädigten" im Leben nicht hinbekommen werden).

    FG's zweites Album ist ein sehr authentisches Musikwerk, nicht nur Alinas Stimme, auch die subtile Instrumentierung - Klasse!
    Ich schaue immer wieder nach Musik, abseits meiner 52-jährigen, ausgetretenen Pfade - und erlebe immer wieder Überraschungen.

    Deshalb ein dickes Danke an FG für die tolle Musik!!