laut.de-Kritik

Quengelige Gangster-Phrasen und Refrains wie vom CDU-Parteitag.

Review von

"Scheiße, Alter. Keiner mag dich, Fler!" Grund genug, sich bereits im "Intro" sein eigenes Grab zu schaufeln und seinem Dasein mit einem gezielten Kopfschuss ein gnädiges Ende zu setzen. Peng. Originell hätte ich gefunden, hätte das "Flersguterjunge" tatsächlich vorzeitig den Garaus gemacht.

Aber nein: Fler, der sich nach dem Ausrutscher "Südberlin Maskulin" eigentlich auf einem guten Weg befand, gräbt sich im Folgenden eine Grube, aus der er so schnell wohl nicht wieder auferstehen wird. Von brauchbaren Einfällen, überraschenden Wendungen, Storytelling gar wie zuletzt auf "Fremd Im Eigenen Land" zeigt "Flersguterjunge" nicht mal mehr Ansätze.

Jahrelange Übung macht zwar nicht zwingend einen Meister, wohl aber einen ganz ordentlichen Handwerker. Flers Flow hat sich seit seinen holprigen Anfangstagen gesteigert, das muss man ihm zugestehen. Solide Technik hilft trotzdem nicht viel, wenn man damit nichts, aber auch gar nichts anfängt.

Genau zwei Themenkreise beackert "Flersguterjunge", und die ritt Fler in der Vergangenheit längst schier zu Tode: seinen Weg aus einer unschönen Kinderstube ins Rampenlicht auf der einen, ausgetretene Straßenposen auf der anderen Seite. Absehbarer gehts kaum.

Von wegen "Immer Noch Derselbe": Der Aggroberlina ist tot, es lebe Flers "Neues Ich". Statt eine nachvollziehbare Entwicklung zu skizzieren, greint Fler aber über die untreue Ex-Freundin und falsche Vertraute - ungeachtet der Tatsache, dass man sich all diese einst selbst ausgesucht hat.

Die Liebste mutiert zur Schlampe. Frühere Weggefährten, ehedem noch über den grünen Klee gelobt- plötzlich alles Arschlöcher. Fler trägt verletzten Stolz zur Schau und verliert sich dabei in Schwarz-Weiß-Malerei wie ein um sich tretender bockiger Fünfjähriger, dem man an der Supermarktkasse den Lolli nicht kaufen will.

"Jetzt hab' ich den Ruhm, den Erfolg und das Geld" - herzlichen Glückwunsch. Allein: Wer will das wissen? Der Weg hierher wäre erzählenswert gewesen, meinetwegen auch, warum Ex-Ex-Kumpan Bushido momentan wieder gar so hoch im Kurs steht. Die Zeit jedoch, in der man sich nicht so richtig grün war: geflissentlich ausgeklammert.

Fler offenbart nichts, drischt stattdessen lieber ein paar Gangster-Phrasen samt Blaulicht und Sirenen und demonstriert den mittlerweile fast obligatorischen Nationalstolz: "Das Alles Ist Deutschland" klingt mit seinem Mitsing-Gitarren-Refrain dann auch wie direkt vom CDU-Parteitag. So weit, so öde.

Dauergast Bushido fügt sich, wie die Kumpels Silla (von der Kino-Echse um seine Göttlichkeit gebracht) und Kay One, nahtlos in Flers monotonen Vortrag ein. Denselben krönen Hooklines, die im Grunde verboten gehörten. Überhaupt fällt die musikalische Ausgestaltung diesmal richtiggehend schockierend aus.

Welcher Teufel mag Fler geritten haben, allenthalben Autotune-Geträller in seine Tracks einzubauen? Und was haben sie Beatzarre und Djorkaeff in den Tee getan, deren Produktionen über weite Strecken überhaupt nicht kicken? Beide können es um Welten besser.

Statt mächtiger Bässe fahren sie diesmal aber staubige Drums und jammernde Streicher auf ("Neues Ich"). In "Alle Gefickt" geht über alle Maßen überstrapazierter Gewitterregen nieder. Verzerrte Gitarre und blechernes Getrommel in "Blaulicht Bei Nacht" tönen, wie im Probenkeller einer mittelmäßigen Schülerband mitgeschnitten.

Frau Mama wird sich für ihr Muttertagsgeschenk bedanken: Die zopfigen E-Gitarren aus "Schwer Erziehbar 2010" dürften ihr aus ihrer Jugend noch vertraut im Ohr klingen. "Halt Mich Fest" bietet endlich einmal Druck im Bass. Dafür ersäuft der ganze Rest in einem synthetischem Sumpf, der allerhöchstens zur Beschallung eines Autoscooters auf der Dorfkirmes taugt.

Leidlich interessant gestaltet sich der Beat zu "Los, Lauf!" mit Klavier und Rührtrommel. Als gelungen geht der verzerrt-wuchtige Sound des Titeltracks durch. Veritabel kopfnicken lässt es sich aber erst zu "Mit Dem BMW" - für diesen Gruß in den Dirty South verzeihe ich der Nummer die gähnende Inhaltsleere.

Den Vogel hat zuvor ohnehin bereits Michael Popescu abgeschossen: "Engel Der Nacht" klingt, wie durch ein Zeitloch ungefiltert aus den gruseligen 80ern in die Gegenwart gepurzelt. Puls' Schmachtgesang weckt abwechselnd Erinnerungen an die Münchener Freiheit, Chris Norman und alle Grausamkeiten dazwischen.

Flers dumpfer Rap-Part passt zu dieser Schmonzette, die ihren Titel angemessenerweise bei Nena borgt, wie die Faust ins Schlüsselloch. "Ich sende dir Signale und warte auf ein Zeichen." Moment, ich such' eben die kleine Taschenlampe. Vielleicht brennt sie ja noch.

Trackliste

  1. 1. Intro
  2. 2. Neues Ich
  3. 3. Los, Lauf!
  4. 4. Alle Gefickt
  5. 5. Blaulicht Bei Nacht
  6. 6. Flersguterjunge feat. Bushido
  7. 7. Das Alles Ist Deutschland feat. Bushido
  8. 8. Alles Ist Vergänglich
  9. 9. Schwer Erziehbar 2010
  10. 10. Immer Noch Derselbe
  11. 11. Halt Mich Fest feat. Reason
  12. 12. Ich Spiel, Um Zu Gewinnen
  13. 13. Kopfgefickt feat. Silla
  14. 14. Russisch Roulette
  15. 15. Gewaltbereit
  16. 16. Labelboss Skit
  17. 17. Bis Zum Hals In Der Scheiße
  18. 18. Zu Viel Geweint feat. Reason & Kay One
  19. 19. Wer Hätte Das Gedacht?
  20. 20. Engel Der Nacht feat. Puls
  21. 21. Mit Dem BMW feat. Sonny Black

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88 Kommentare

  • Vor 13 Jahren

    haha, mal schauen ob er jetzt wieder bei euch anruft und rumprollt :D

  • Vor 13 Jahren

    Hallo seit wann ist es auf einmal schlecht über falsche Freunde oder die miese Ex zu singen/rappen? Ist doch klar dass man sich erst im Nachhinein klar ist was das wirklich für Leute sind. Und ausserdem warum schreibt jemand der Kesha und Christina Aquilera rezensiert eine Flerkritik?

  • Vor 13 Jahren

    Hat Fler mal wieder angerufen oder hat sich die allgemeine Ersguterjunge Antipathie hier beim Schreiben mal wieder durchgesetzt?
    flersguterjunge ist mit Sicherheit kein Meisterwerk aber das Album mit 1/5 abzustrafen ist einfach lächerlich. Eine Bewertung von 3/5 würde die Qualitäten des Albums viel eher treffen, vielleicht auch 2/5 aufgrund der Hooks.

    Die Produktionen sind im Übrigen weitesgehend top.

  • Vor 13 Jahren

    tut mir leid lieber herr/ frau fromm,

    jedes deiner negativ punkte kann man auch in einen positiven punkt ummünzen.. keiner kann so geil " Die Street bleibt" singen und es hört sich noch nicht mal behindert an... alles nur NEID

    Das Blaulicht leuchtet so hell .. ganz großes KINO

  • Vor 13 Jahren

    Ich glaube Inno hat nie die Fanta4 unplugged gehört...fish ey real fish. Und ich würde mal gern Deine CD-Regale sehn

  • Vor 13 Jahren

    @Menschliches (« Ich glaube Inno hat nie die Fanta4 unplugged gehört...fish ey real fish. Und ich würde mal gern Deine CD-Regale sehn »):

    Guter Witz... Die Unplugged kennt doch jede Sau, egal ob rapinteressiert oder nicht. Ich habe "Lauschgift" von den Fantas hier im Regal stehen. Alles, was danach kam, war Popmüll der übelsten Sorte.
    Aber denk nur weiter in deinen Schubladen, damit disqualifizierst du dich nur selber