laut.de-Kritik

Grenzen sprengende Melange aus Doom-Rock und Free Jazz.

Review von

Schon 2016 verband das schwedische Trio Fire! auf "She Sleeps, She Sleeps" improvisierte Musik mit schleppenden Doom-Sounds. Die erweiterte Variante der Formation bildet das mehr als zwölf Mitglieder umfassende Fire! Orchestra. Mit "Ritual" wagte sich die Big Band im gleichen Jahr mit Pop- und Soul-Einflüssen aus der sperrigen Avantgarde-Zone hinaus. "The Hands", wieder entstanden in der klassischen Dreierbestzung, prägt demgegenüber muskulöser Rock.

Dabei kreisen die Tracks um die schweren Basslinien Johan Berthlings und Andreas Werliins pointierte Schlagzeugrhythmik. Darüber legt Mats Gustafsson von The Thing seine ungestümen Free Jazz-Soli im Stile Peter Brötzmanns. Am Bariton-, Tenor- und Basssaxofon präsentiert er sich auf diesem Werk wieder einmal in brillanter Topform.

Im anfänglichen Titelstück klingt sein Spiel kraftstrotzend, nahezu körperlich. Dazu beschwören die repetiven Bass- und Schlagzeugklänge die Doom-Geister der frühen Black Sabbath herauf. In "When Her Lips Collapsed" schlägt Berthling bluesige Töne an der Bassgitarre an, während Werliin an den Drums die Nummer im Schneckentempo nach vorne treibt. Gustafsson am Saxofon entfacht in diesem Kontext eine radikale Energie.

Die Formation strafft mittlerweile ihre Songs auf kompakte Länge. Kein Track überschreitet mehr die Zehn-Minuten-Marke. Deswegen dient das Album als ein guter Einstieg in den Soundkosmos des Trios.

Mit "Touches Me With The Tips Of Wonder" folgt eine atmosphärische, bedrohliche Nummer im Stile von "She Sleeps, She Sleeps". "Washing Your Heart In Filth" überzeugt dagegen mit komplexer Polyrhythmik. In Stoner- und Psychedelik-Rock-Terrain dringen die Nordlichter mit "Up. And Down." vor: Mangelnde Abwechslung kann man der Platte wahrlich nicht bescheinigen.

"To Shave The Leaves. In Red. In Black" fungiert als Kernstück des Albums. Die tiefen, monotonen Bassrhythmen und das wuchtige Drumming lassen Gustafsson erneut genügend Raum, um sich in Ekstase zu spielen. Seine Soli bersten vor Individualität und Einfallsreichtum. Er zeigt vor allem in den ausschweifenden Momenten ein Höchstmaß an Intensität. Zum Schluss erdet er die Nummer mit mysteriösen Sprachsamples und gedämpften Tönen an seinem Instrument. Doom-Rock und freie Improvisation verschmilzt dieser Track in berauschender Perfektion.

"I Guard Her To Rest. Declaring Silence." erweist sich als dunkler, melancholischer Rausschmeißer. Gustafsson betont hier seine zärtliche und feinfühlige Seite. Sein akzentuiertes, zurückhaltendes Spiel sowie der torkelnde Bass und das polternde Schlagzeug entführen in heruntergekommene, schäbige Jazz-Keller, die zuvor nur Bohren und der Club of Gore betreten haben. Auch in den ruhigen Momenten entfaltet die Musik des Dreiergespanns überaus hypnotisches Potenzial.

Im Grunde genommen verschiebt sich der Sound von Fire! deutlich in die Doom-Rock-Richtung. Daneben hat die Formation für das parallel laufende Fire! Orchestra ein neues Konzept entworfen. So verfügt die Big Band zum ersten Mal über eine Streichersektion. Eine Platte folgt wahrscheinlich im Herbst. Bis dahin setzt das Trio mit seiner Grenzen sprengenden Melange aus organischen Klängen und improvisierter Musik ein dickes Ausrufezeichen.

Trackliste

  1. 1. The Hands
  2. 2. When Her Lips Collapsed
  3. 3. Touches Me With The Tips Of Wonder
  4. 4. Washing Your Heart In Filth
  5. 5. Up. And Down.
  6. 6. To Shave The Leaves. In Red. In Black
  7. 7. I Guard Her To Rest. Declaring Silence.

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