laut.de-Kritik

Unbefriedigendes Comeback aus den Überresten von The Knife.

Review von

Die Tour zur vermutlich finalen The-Knife-Platte "Shaking The Habitual" hatte schon viel von einer Geduldsprobe: Zwei Stunden lang bewegten die Geschwister Karin Dreijer Andersson und Olof Dreijer ihre Lippen unsynchron zum Vollplayback und veranstalteten dazu irgendwelche Aerobicübungen. Zumindest der zweite Teil dieser Tournee ging deutlich professioneller vonstatten, wie man auf der DVD "Live At Terminal 5" sieht, der ihren Abschlussgig in New York am 1. Mai 2014 dokumentiert. Nun veröffentlichte die weibliche Hälfte dieser schwedischen Electro-Pop-Formation das zweite Werk "Plunge" ihres Soloprojektes Fever Ray über Nacht im Netz.

Im Vorfeld des Albumreleases präsentierte Karin Dreijer Andersson ein eher unansehnliches Black Metal-Logo, das sie allerdings wenig später noch mit einem Cover toppte, das ein Mediengestalter im ersten Lehrjahr besser hinbekommen hätte, und man sah ein reichlich geschmackloses Video zu "To The Moon And Back". Von Subtilität konnte man textlich ebenfalls kaum sprechen. Man bekam den Eindruck, Karin Dreijer Andersson verfalle wieder in alte The-Knife-Muster zurück, denn auch der Track klang nicht mehr als eine B-Seite dieser Band. Leider verdeutlichte sie mit diesem Song, wie sehr sie sich mittlerweile vom einstigen Sound Fever Rays entfernt hat.

So leitet "Wanna Sip" die Platte mit viel Getöse und Krach ein, während die Schwedin das Wechselspiel zwischen Sexualität und Gewalt thematisiert. Beides möchte sie miteinander kombinieren, um vermeintliche Wiedersprüche zu beseitigen. Zumindest lyrisch besitzt "Plunge" daher etwas Einheitliches, musikalisch wirkt es dagegen oftmals recht zerfahren und wenig schlüssig.

Überwiegend besteht "Plunge" aus Ideen, die Karin Dreijer Andersson zu The Knife-Zeiten nicht mehr realisiert hatte. So hört man in "A Part Of Us" gewöhnungsbedürftige Stimmmodulationen zu leiernden Synthies im "Silent Shout"-Stil. Das rhythmische, perkussive Getrommel, das man schon von den Liveshows des Duos kennt, prägt "IDK About You". "Falling" und "This Country" knüpfen wiederum an die Experimentierfreude von "Shaking The Habitual" an. Melodisch zwingende und einprägsame Momente haben diese Nummern dagegen nur selten zu bieten.

Dabei muss man auf verstörende Hits wie "Keep The Streets Empty For Me" und "Concrete Walls" fast durchgängig verzichten. "Plunge" wartet mit lauten Bässen und einvernehmlichen sexuellen Gewaltfantasien auf, lässt aber die geheimnisvolle Soundästhetik von "Fever Ray" vermissen. In "To The Moon And Back" heißt es etwa: "I want to run my fingers up your pussy." Die Schwedin sucht also vorwiegend die inhaltliche Konfrontation und verliert dabei die klangliche Essenz ihres Projektes leider aus den Augen.

Demgegenüber erweist sich das Produzentengespann um Johannes Berglund, der kürzlich die aktuelle Emel-Platte produziert hat, und der britischen Techno-Musikerin Paula Temple als der größte Glücksgriff für diese Scheibe. "Mustn't Hurry" etwa überzeugt vor allem mit seiner mysteriösen Stimmung und kraftvollen, modernen Claps. Mit den Violinenarrangements Sara Parkmans zeigt "Red Trails" auf beeindruckende Weise, dass man der Trippigkeit des Debüts noch eine überzeugende dramatische Note hinzufügen kann. "Mama's Hand" beschließt das Album so zurückhaltend, wie man es sich gerne von Anfang an gewünscht hätte.

Somit täuscht "Plunge" trotz aller Vielfalt nicht darüber hinweg, dass Karin Dreijer Andersson dem Hörer größtenteils die aufgewärmten klanglichen Überreste von The Knife serviert. Nach acht langen Jahren Wartezeit hätte man von Fever Ray ein stimmungsvolleres Gesamtpaket erwartet. Insgesamt ein unbefriedigendes Comeback, das mit den düsteren und immer noch faszinierenden Downbeat-Konstruktionen ihrer ersten Soloplatte unter diesem Projektnamen, die Spiegel Online damals als "schauderhaft schön" bezeichnete, nur noch wenig gemeinsam hat.

Trackliste

  1. 1. Wanna Sip
  2. 2. Mustn't Hurry
  3. 3. A Part Of Us
  4. 4. Falling
  5. 5. IDK About You
  6. 6. This Country
  7. 7. Plunge
  8. 8. To The Moon And Back
  9. 9. Red Trails
  10. 10. An Itch
  11. 11. Mama's Hand

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16 Kommentare mit 23 Antworten

  • Vor 6 Jahren

    Fantastisches, unglaublich wichtiges Album.

  • Vor 6 Jahren

    Ich frage mich jedes Mal, wie man so ein häßliches Cover zustande bringen kann. Man hat so viele Möglichkeiten ein gutes Cover zu gestalten. Aber wie sind die meisten Cover ??
    1. gepflegte Langeweile
    oder
    2. grottenhässliche Gestaltung
    aber nichts das auch nur ansatzweiße anpsruchsvoll ist oder optisch etwas hermacht.

    Und dieses Cover gehört definitiv zu Kategorie 2

  • Vor 6 Jahren

    Was für ein Müll, diese Rezi. Hab ich auch noch nicht auch laut.de erlebt, dass die Kritik so weit von meinem persönlichen Empfinden abweicht. Alleine die Einleitung ist ein Haufen gelogene Scheiße. Vollplayback? Aerobicübungen? Alter ey, hast du die DVD bzw. n Live-Auftritt gesehen? Das stimmt einfach nicht was da steht.
    Ich finde es ist ziemlich offensichtlich, dass der Autor dieser Kritik The Knife bzw. die Künstlerin nicht blickt.... ich weiss gar nicht wo ich mit Gegenargumenten anfangen soll :D :D
    Is klar, dass kein zweites Debüt im gleichen Soundkostüm präsentiert wird... Ich denke in 8 Jahren verändert man sich doch schon stark. Was die Leute alle erwarten, ist so lächerlich. Ich finde alle Songs auf der LP extrem einprägsam und mir macht es Bock die Platte zu hören. Wäre enttäuscht gewesen, wenn einfach an die erste LP angeknüpft worden wäre
    ... und warum ist das Video zu the moon and back geschmacklos? Weil ihr in den Mund gepisst wird? Buhu! Willst n Taschentuch?
    Über Geschmäcker lässt sich streiten, aber dieses Album hat objektiv gesehen definitiv keine zwei, sondern mehr Punkte verdient.

    • Vor 6 Jahren

      najaaa, jetzt mal easy. ich gehe mit dem autor einig. das album klingt nach b-sides von the knife (ausser red trails, das ist super, und this country ist peinlicherweise mein ohrwurm..) und die shaking the habitual-tour war in der tat eine aufführung zweitklassiger aerobic-übungen. ich hab sie auch gesehen, war leider komplett enttäuscht (und konnte durch silent shout am ende auch nicht besänftigt werden). ich find nicht alles geil, nur weils hip sein soll.
      und zum video. mir persönlich gefällt die ästhetik vom video, jedoch nicht das video selbst. das sich in den mund pissen schockiert niemanden mehr, richtig, aber geschmacklos ist es trotzdem! buhuu.

    • Vor 6 Jahren

      Dieser Kommentar wurde vor 6 Jahren durch den Autor entfernt.

    • Vor 6 Jahren

      That! Selbst auf Facebook kamen vorhin einige Stimmen auf, dass die Livedarbietungen wohl alles andere als bahnbrechend gewesen sein sollen.

    • Vor 6 Jahren

      Gut, Live-Performances kann man sehen wie man will. Ich fand's unterhaltsam. Bevor ich hier eine komplette Inhaltsanalyse raushaue, was verschwendete Engergie wäre, da die Kritik einfach deine Meinung repräsentiert und du sie eh nicht ändern möchtest, wünsche ich dir einfach einen schönen Tag. :D

  • Vor 6 Jahren

    Da hat schon ziemlich die Enttäuschung mitgeschwungen, muss ich zugeben und eventuell hätte ich bezüglich der Live-Shows und so weiter noch ein paar Nebensätze anfügen können, aber andererseits finde ich die Platte ziemlich verkopft und konstruiert, was schon mein Kritikpunkt zur letzten The Knife wäre. "Plunge" hat mir, im Gegensatz zum Debüt, auf emotionaler Ebene nicht besonders viel mitgegeben. Und selbst wenn ich mich täusche, kann man auch mal als Autor einen schlechten Tag erwischen. Einige Fans haben jedoch eine ähnliche Meinung vertreten. Das Werk scheint, trotz der durchgängig hervorragenden Kritiken im Netz, zu spalten.

  • Vor 6 Jahren

    Dieser Kommentar wurde vor 6 Jahren durch den Autor entfernt.

  • Vor 6 Jahren

    Hallo liebe Leute von Laut.de,

    ich verstehe ja, dass Geschmack im Auge des Betrachters bzw. Ohr des Höreres liegt.

    Aber bitte zitiert die Textpassagen auch richtig wenn sie schon kritisiert werden sollen.
    "I want to ram my fingers up your pussy."
    Dieser Satz kommt auf der gesamten CD nicht vor. In Wirklichkeit heißt es: " I want to run my finger up your pussy."

    Die entstehende Sinnverschiebung ist gigantisch und zeigt mir, dass diese Kritik von jemandem stammt, der sich nie mit den Texten auseinander gesetzt hat. Also in Zukunft bitte richtig kritisieren, sonst bekommt man den Eindruck, dass der Ersteller der Kritik nur seinen Frust darüber ablassen möchte, dass er persönlich von diesem Album entäuscht ist.

    Das bin ich übrigens nicht. Für mich ist Plunge bisher eines der besten Alben dieses Jahres.

    Mit freundlichen Grüßen,
    Meahuys