laut.de-Kritik

"Ich küss' dir deine Sorgen weg!" - Wie will er sich selbst wegküssen?

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Iahh-iahhh-he, hasta la vista, ey hombre, und rauf auf den Dance Floor! Modern Talking hat spanische Konkurrenz bekommen - sie ist nur nicht so lustig. "Escape", zu deutsch "mach dich vom Acker" ... oder so, heißt die neue CD von Enrique Iglesias. Wäre ich weiblich und pubertär, ich würde mir das Cover großformatig übers Bett hängen und die Mucke während meiner "Teddy-fürs-Konzert"-Einkäufe ausgiebig hören. Wäre ich nur weiblich würde ich mich aufs Hängen konzentrieren und die CD in den Gully werfen. Aber ich bin weder weiblich noch pubertär, also werfe ich das gesamte Album dort hinein.

Die Welt ist schön, aber auch traurig und so manches einsame Herz scheint zu schmachten, wenn er von seinen Sehnsüchten singt, der Enrique. "Ich küss dir deine Sorgen weg", trällert er in der ersten Single-Auskopplung "Hero", die sich seit Wochen sorglos in den Top Ten tummelt. Wie will er sich selbst wegküssen, frage ich mich spontan?

Jedenfalls behauptet er, dass das neue Album jenes welches sei, das ihn am besten repräsentiert. Enriques Herz schlägt nämlich eigentlich für echte Gitarren und Bässe. Er liebt die Rockmusik, Dire Straits genau so wie Bruce Springsteen, und hasst nach eigenen Aussagen sein "Pin-Up-Boy"-Image. So?

Die Mitverursacher seiner Musik, insbesondere Produzent Steve Morales, nehmen auf letzteres jedoch keine Rücksicht: unvermeidbares mediterranes Ambiente über billigen Dance-Pop-Strukturen. Anleihen von Mainstream-Rock, mit denen Enrique seinem Vorbild Bruce Springsteen nach eifert, und ... Balladen. Solche-welche, die ständig Knete bringen, weil sie auf jeder dritten Kuschelrock reanimiert werden, und gute Umsätze bis Folge 1013 garantieren. So sieht das rebellische Konzept für den spanischen Barden aus, der schließlich nichts dafür kann, dass sein Vater Julio Iglesias heißt und nicht Ozzy Osbourne oder Alice Cooper. Da trennt sich dann doch die Spreu vom Weizen, da entscheiden knallhart die Gene über Vermögen und Unvermögen. Allein der Wunsch, ein Rocker zu sein, reicht da eben nicht. Vielleicht hätte er jemanden ran lassen sollen, der sich da auskennt. Um nicht all sein kreatives Wirken in Frage zu stellen, glaube ich ihm wenigstens, trotz zahlreicher Zweifler, dass er singen kann.

Fazit: Glatt gebügelte und unspektakuläre (Sp-)Artenvielfalt auf niedrigstem Niveau. Perfekte Radiomusik ohne kreative Reibungspunkte. Angepasst bis aufs Letzte und bestenfalls dazu geeignet, nicht hinterm Steuer einzupennen. Ich zumindest kann bei so einer Musik nicht in Ruhe schlafen.

Trackliste

  1. 1. Escape
  2. 2. Don't Turn Off The Lights
  3. 3. Love To See You Cry
  4. 4. Hero
  5. 5. I Will Survive
  6. 6. Love 4 Fun
  7. 7. Maybe
  8. 8. One Night Stand
  9. 9. She Be The One
  10. 10. If The World Crashes Down
  11. 11. Escapar
  12. 12. No Apagues La Luz
  13. 13. Heroe (Spanisch)
  14. 14. Hero (Metromix)

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