laut.de-Kritik

Wo sind alle gierigen Weiber? Im Humppa-Club!

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Eigentlich wollten sie Finnland beim diesjährigen Eurovision Songcontest vertreten. Ein völlig angemessenes Vorhaben, handelt es sich bei Humppa doch um eine Ausgeburt der finnischen Volksseele - und bei Eläkeläiset um die Fleischwerdung des Genres. "Hulluna Humpasta" lautet der Titel der zu diesem Behufe komponierten Hymne. Übersetzt - angeblich: "Humppa-verrückt".

Bei Eläkeläiset besteht an der Humppa-Verrücktheit keinerlei Zweifel. Die Rentner schüren mit ihrer Finnenpolka den Bierdurst ihrer Fans seit 1993. Für eine Best-Of, die sich quer durch das reichhaltige Oeuvre der unangefochtenen Kings of Humppa pflügt, existiert Material galore.

Tatsächlich Humppa-verrückt muss sein, wer sich an "Humppabingo" wagt: Jede Hälfte der Doppel-CD wartet mit stolzen 24 Tracks auf - am Stück ist das kaum auszuhalten. Vor Feierabend schon gleich gar nicht, da einen spätestens ab der zweiten Nummer besagter Bierdurst verzehrt. Aber bei Humppa handelt es sich, wie jeder weiß, um eine ernste Angelegenheit. Nicht umsonst warnt die Hummpa-Jugend: "The name of the game is alcohol."

So bleibt "vodka" - neben dem inflationär eingestreuten "humppa", versteht sich - dann auch die einzige Vokabel, die der gemeine Mitteleuropäer versteht. Schwankende Melodien wie in "Säkenöiva Humppa" oder "Humppa-arvoitus", einer beneidenswert versoffen vorgetragenen Version von Nik Kershaws "The Riddle", gestatten Rückschlüsse auf den Betankungsgrad ihrer Interpreten.

Eläkeläiset verkaufen ein Lebensgefühl. Das lässt sich auch aufschnappen, ohne zuvor eine penible Textexegese durchgeführt zu haben - es springt einem ohnehin mit den Füßen voran ins Gesicht. Wenn man sich dabei erwischt, wie man - ohne den Hauch einer Ahnung, was man da eigentlich von sich gibt - "hulluna humpasta taas" skandierend durch die Wohnung springt, entfleuchen die letzten Zweifel: Finnisch ist mitgröl-tauglich - und Finnisch ist ulkig.

Die Faszination für das eigenartige Idiom des jeweils anderen scheint bei Finnen und Deutschen auf Gegenseitigkeit zu beruhen. Zumindest versuchen sich die Herren Eläkeläiset mehrfach an Ansagen und ganzen Songs "im Deutsch" - und schlagen sich dabei deutlich besser als der teutonische Kritiker im Finnischen.

Aus dem "Wild Thing" der Troggs wird ein "Dumkopf". Dem Kraftwerk'schen "Model" kredenzen Eläkeläiset den korrrrekten Sekt im Humppa-Club. Spätestens der "Humppakavalier", der nach gefühlt mehreren Stunden aus dem Finnenpolka-Irrwitz hinaus geleitet, rechtfertigt einen Kniefall: "Die Tanzhalle ist wie gestorben. Ich suche nach jemandem passenden. Wo sind alle gierigen Weiber? Wie spät ist es, bin ich zu früh?" Eine bessere Figur machte Tina Turners "Private Dancer" auch nicht.

Vor diesen äußerst stimmungsvollen Ausklang haben Eläkeläiset aber den geballten Offbeat-Wahnsinn gesetzt. Neben durchaus vertretenen Eigenkompositionen humppen sich die Rentner einmal quer durch den mehr oder weniger kontemporären Genregarten. "Hate Me" von den Children Of Bodom drehen sie durch den gleichen Fleischwolf wie "Faster Harder Scooter".

Von The Damned bis zu den Pet Shop Boys: Nichts ist vor Humppifizierung sicher. Eläkeläiset agieren komplett hemmungslos. Sie covern nicht nur 2 Unlimited, OMD und Judas Priest gleichermaßen, sondern packen die Resultate dann auch gleich in ein einziges "Medley": "Breaking The Law" als Stilprinzip.

Manche Nummern - Carl Douglas' "Kung Fu Fighting" beispielsweise - wirken im Humppa-Kleid plötzlich erstaunlich richtig angezogen. Andere, die man vorher mit der Kneifzange nicht hätte anfassen wollen, erscheinen erstmals überhaupt genießbar. Man denke nur an Bon Jovis "Living On A Prayer" oder die "Two Princes" der Spin Doctors. Aus "Sleeping In My Car" von Roxette wird ein "Pyjamahumppa". Aquas "Barbie Girl" - als "Humppabarbi" ungleich cooler.

Dafür, derlei Nutzlosigkeiten überhaupt erst eine Daseinsberechtigung zu verschaffen, kann man Eläkeläiset gar nicht dankbar genug sein. Sie hätten beim Grand Prix auftreten müssen - allein: Die Finnen wollten es anders. "Anstelle fünf gutaussehender Männer haben die finnischen Wähler entschieden, lieber zwei bezaubernde Ladys nach Oslo zu entsenden", meldet die Band-eigene Homepage www.humppa.com. "Alle zehn Daumen hoch für Kuunkuiskaajat."

Außer sportlichen Verlierern präsentiert die Seite dann auch noch die Erklärung dafür, warum die Compilation gar so ausufern musste: Wer mit selbstgebasteltem Würfel "Humppabingo" spielen will, braucht schließlich einen reichen Song-Fundus, um daraus zu schöpfen. Dass begleitend dazu "some coffee or tea" getrunken werden soll, darf getrost ins Reich der Legenden verwiesen werden. Prost.

Trackliste

A.

  1. 1. Hulluna Humpasta
  2. 2. Humppa Tanaan
  3. 3. Kukkuu Ukot
  4. 4. Humppamuoti
  5. 5. Äkäinen Eläkeläinen
  6. 6. Mummo
  7. 7. Viinaa Hanuristille
  8. 8. Nautiskelen Humpasta
  9. 9. Vihaan Humppaa
  10. 10. Jukolan Humppa
  11. 11. Humppa-arvoitus
  12. 12. Keväthumppa
  13. 13. Lauantaitanssit
  14. 14. Ona Vaan
  15. 15. Katkolla Humppa
  16. 16. Kiitokset Humpasta
  17. 17. Jenkkapolkkahumppa
  18. 18. Päivätanssit
  19. 19. Humpalle Vaan
  20. 20. Hyljätyn Humppa
  21. 21. Humppasonni
  22. 22. Ja Humppa Soi
  23. 23. Peljätty Humppa
  24. 24. Humppabarbi

B.

  1. 1. Humppamedia
  2. 2. Humppaa, Saatanat!
  3. 3. Miinakenttähumppa
  4. 4. Humppakostajat
  5. 5. Humppamaratooni
  6. 6. Dumkopf
  7. 7. Eläkeläiset
  8. 8. Elän Humpalla
  9. 9. Aamupalahumppa
  10. 10. Pyjamahumppa
  11. 11. Humppaa Tai Kuole!
  12. 12. Savua Laatokalla
  13. 13. Laakista Humppa
  14. 14. Pöpi
  15. 15. Poro
  16. 16. Medley (Humppalaki/Humppa Tai Kuole/Päätön Humppa/Humppalaki)
  17. 17. Syksy
  18. 18. Säkenöivä Humppa
  19. 19. Langinkosken Laulu
  20. 20. Kaupunki Muistaa Vanhuksia
  21. 21. Mulla Meni Lujaa
  22. 22. Rullatuoli Aatu
  23. 23. Das Model
  24. 24. Humppakavalier

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