laut.de-Kritik

Krautrock mit Sting und Co.

Review von

Fast jeder ist schon einmal mit Eberhard Schoener in Berührung gekommen, kennt zumindest das von ihm komponierte "Derrick-Thema". Doch kommen wir nun zum Debütalbum von The Police. "Flashback" ist nämlich das im Winter 1977/78 entstandene Quasi-Erstlingswerk der englischen Postpunk-Überband, komponiert vom eleganten schwäbischen Globetrotter mit den hager markanten Gesichtszügen.

Damals konnten sich die Gesetzeshüter noch längst keine "Roxanne" aus dem Rotlichtviertel leisten und brauchten dringend finanzielle Mittel. Das Arrangieren, Einspielen und Aufführen dieser Platte kam ihnen als Auftragsarbeit gerade recht.

So war es Schoener, der damals aus ein paar blass-britischen Burschen echte Künstler formte. Er erkannte Stings Stimmtalent und ermunterte ihn, zu singen. Die sogenannte Münchener Phase des Trios wurde aber vom Bandmanagement um Miles Copeland - dem Bruder von Drummer Stewart - totgeschwiegen und nach dem Durchbruch jeder Kontakt geblockt. Zu uncool erschien damals das deutsche Intermezzo für eine Chart-brechend stylische New Wave-Ikone.

Trotz der mittlerweile Jahrzehnte währenden Freundschaft zwischen Schoener und Sting dauert es 35 Jahre bis zum Rerelease. Verglichen mit dem braven Pop und mittelalterlichen Kuschelfolk des selbst ernannten "Englishman In New York" in den letzten Jahren tönt "Flashback" tatsächlich wie eine skurrile Zeitmaschine in krautige Kreidezeiten.

Die Zauberformel des Avantgardisten ist es seit jeher, Komplexes und Populäres miteinander zu verbinden. So findet sich auf der CD ein wahres Arsenal an Krautrock, Pionier-Elektronika, Jazz und Klassik, garniert mit weltmusikalischen Effekten der mittigen 70er. Klingt krude, nicht wahr? Ist es auch. Doch genau diese leichte akustische Schräglage verbunden mit der unverbrauchten Künstlergier der späteren Polizisten macht den magnetischen Charme der Scheibe aus.

Die mit improvisierten Gesangslinien von Sting auf dem Sauerkraut-Track "Trans-Am" sind gleichzeitig sein erster Falsettgesang! Ohnehin merkt man dem Newcastler an, wie sehr ihn die Ermunterung Schoeners entfesselt. Erstaunt und beseelt wie ein Kind nach dem ersten Wort presst er die Stimmbänder spielerisch aus wie eine Zitrone.

"Why Don't You Answer" pluckert leichtfüßig als eine Art prähistorischer Rave-Clubhit, dessen Steckdosen-Groove locker das Zeug gehabt hätte, zeitgenössische Kraftwerk-Nummern und Discotracks gleichermaßen zu düperen. Als Bonus findet sich das Lied dezent modernisiert auf dem Rerelease.

Das niedliche Synthie-Thema im kurzen "Powerslide" erinnert ein wenig an Schoeners eingängige Krimi-Soundtracks für die deutsche TV-Landschaft. Wogegen das Titelstück anmutet, als zelebriere der Süddeutsche eine ungarische Totenmesse Brahms'scher Prägung mit Herrrn Sumner am stilechten Kontrabass. Die Gitarre von Andy Summers zieht sich dem gegenüber als roter Faden durch fast alle Tracks.

Wer nach ca. 40 Sekunden des wortspielerischen "Rhine Bow" auf das jazzige Tenorsax Olaf Küblers achtet, versteht, wo Stings ehrgeizige Jazzpop-Projekte der Achtziger von "The Dream Of The Blue Turtles"/"Bring On The Night" bis zur Gil Evans Zusammenarbeit ihren inspirativen Ursprung haben. So chic und sophisticated macht es sonst nur der späte Jan Garbarek.

Egal ob man Police samt ihres egozentrischen Sängers nun liebt oder inbrünstig verabscheut - unter Schoeners psychedelisch durchtränkter Regie erschaffen alle zusammen ein kleines Juwel der populären Musikgeschichte, das auf Kopf und Bauch gleichermaßen attraktiv und stimulierend wirkt. In der nicht ganz so übersichtlichen, sehr umfangreichen Diskografie des dienstältesten deutschen Moogbesitzers ist "Flashback" eine echte Perle, die viel zu lang auf Entdeckung warten musste.

Trackliste

  1. 1. Trans-Am
  2. 2. Why Don't You Answer
  3. 3. Only The Wind
  4. 4. Powerslide 1gbar
  5. 5. Flashback gbar
  6. 6. Epilogue ar
  7. 7. Rhine-Bow 8rfügbar
  8. 8. Loreleyügbar
  9. 9. Magma
  10. 10. Why Don't You Answer (Remix)

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