laut.de-Kritik

Wie viel Schönheit passt auf zwölf Zentimeter Plastik?

Review von

Do Make Say Think. Auch unter Verzicht auf Ausrufezeichen birgt dieser außergewöhnliche Bandname a whole lotta Aktivierungspotenzial. Der Imperativ lugt hier nicht als augenscheinliches Zeichen hervor – der Appell, sein Leben in die Hand zu nehmen, etwas zu tun, zu verändern, Schneisen in die immer schneller anwachsende Staubschicht der Zeit zu schlagen, entspringt einer schier unfassbaren musikalischen Beseeltheit: When you die, you'll have to leave them behind. When you keep that in mind, you'll find a love as big as the sky.

Was für ein Satz. Wie wunderbar auch, dass dieses ganz besondere Quintett aus Toronto vor vielen Jahren zur berühmtesten Instrumental-Postrock-Schmiede der Welt, Constellation Records, gefunden hat. Trotz der Godspeed You Black Emperor'schen-Falltür, die das Labelimage jahrelang prägten und den kompletten Artist-Rooster zu müßigen Vergleichen nötigte. Mittlerweile liegen GYBE! auf Eis. Hoffentlich nimmt Do Make Say Thinks herausragende Qualität auf dem Weg an die Sonnenplätze nun endlich die Quantität, will sagen: verkaufte Stückzahlen, ins Schlepptau.

Weil - Entschuldigung - wie viel Hochgefühl, wie viel tief empfundene Sentimentalität, wie viel Schönheit passen auf zwölf Zentimeter Plastik? Mehr als du beim ersten Hören tragen kannst, möchte ich behaupten. In der perfekten Melange aus Noise, kompositorischem Frei- wie Scharfsinn, erzählerischer Tiefe und ergreifenden Hooks feiert "You, You're A History In Rust" mit komplexer, dennoch unmittelbarer Beschwingtheit unsere Vergänglichkeit.

Do Make Say Think tragen Akustika, zwei synkopierte Drumsets, Bass und Hörner in die Bar, holen zu epischem Slowcore aus und halten plötzlich doch lieber hippiesk-avantgardistischen Lagerfeuer-Folk a là A Silver Mt. Zion die Tür auf und bruzzeln auf ganz großer Distortion-Flamme weltabgewandte Euphorie gut durch. Dazu immer wieder rhythmische Improvisation und die strukturelle Freiheit des Fusion. Album Nummer fünf gibt erstmals auch einem Vokalisten Raum, wenn im ausufernden "A With Living" eine Soulstimme Wärme spendet.

Und schließlich dieser Song: "You, You Are Awesome". Das Herz schlägt mir bis zur Kehle, Pathos verlässt die Lungen. Kann ein Liebesgeständnis in Wort und Ton großartiger klingen? Wo GYBE! düstere Endzeitvisionen zeichneten, verknüpfen Do Make Say Think Kindlichkeit und Altersweisheit, Lebensdurst und Melancholie, weißrauschende Orkanböen und die Zärtlichkeit einer Hand, die dir über das Gesicht streicht. Das ist klischeefreier Postrock how it's meant to be.

Trackliste

  1. 1. Bound To Be That Way
  2. 2. A With Living
  3. 3. The Universe!
  4. 4. A Tender History In Rust
  5. 5. Herstory Of Glory
  6. 6. You, You're Awesome
  7. 7. Executioner Blues
  8. 8. In Mind

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LAUT.DE-PORTRÄT Do Make Say Think

Immer ziemlich undankbar, die Rolle des Zweitgeborenen. Andauernd im Schatten des großen Labelbruders und gleichzeitig abseits jeder Nachwuchs-Verhätschelung …

1 Kommentar

  • Vor 17 Jahren

    Post-Rock-Gewitter mit Ode an die Freude Nummer 2 in diesem Jahr. Nach Explosions In The Sky eine weitere Perle, die mich zeitweise die Mogwai-Releases vergessen lässt. Jetzt noch ein Godspeed-Album und das Jahr des Post Rocks ist perfekt...

    Nun zu meiner Frage: Wie sind die früheren Alben? Dass sie mir gefallen werden, steht jetzt schon nicht mehr zur Debatte ;), aber was erwartet mich?

    Würde mich echt freuen, wenn es hier noch ein paar Idioten gibt, die solche Musik auch noch fasziniert. :)