laut.de-Kritik

Mit Orchester im Rücken auf Erfolgskurs.

Review von

"Ich lass' mich einfach nur treiben, schalt' auf Autopilot." Gleich der behutsame, zarte, unglaublich edel geratene Einstieg mit Streichern und Klavier lässt den Verdacht keimen: Diesmal darf man bedenkenlos die Kontrolle abgeben.

Wie so mancher Betrieb in diesen Tagen haben Def Benski, Tatwaffe und Fader Gladiator Krisen durchlebt - aber überstanden: "Das Sechste Kapitel" präsentiert die Firma endlich wieder auf dem Erfolgskurs, der ihr gebührt.

Statt sich in für Außenstehende weitgehend bedeutungslosen Privatangelegenheiten zu verzetteln, gelingt den Herren am Mikrofon diesmal die Transformation des persönlich Erlebten ins Allgemeingültige oder zumindest doch für die Allgemeinheit Interessante wieder verblüffend gut. Sich in beklemmenden Alpträumen manifestierende Angst vor dem Verlassenwerden ("Ich Seh' Dich Gehn") beschäftigt eben nicht nur "Die Eine".

Die ewig unbeantwortete Frage, was wohl nach dem Tod kommen mag, drängt sich mit zunehmendem Lebensalter erfahrungsgemäß häufiger auf. Eben werden noch inflationär geklopfte Floskeln scharfsinnig aus wechselnder Perspektive auf ihre Spruchreife hin seziert ("Spruchreif"). Im nächsten Moment geht es aggressiv-großspurig zu: "Ich will alles, was soll ich mit der Hälfte?"

Tiefgang und Analyse auf der einen und vergnügliche Haudrauf-Attitüde auf der anderen Seite halten sich die Waage und erfreuen gleichermaßen, solange man jedem Extrem mit einem Augenzwinkern den herben Beigeschmack nimmt. Mit zur Faust geballten Stimmbändern der "Realität" brutal eins auf die Zwölf dreschen: in diesem Fall mehr als erlaubt.

Tatwaffe und Def Benski mischen nicht erst seit gestern im Geschäft mit. Ihr Stil mag an mancher Stelle antiquiert erscheinen. Derlei Kritik verfliegt jedoch im Nu, registriert man, wie mühelos die beiden selbst für Hip Hop eher untypische Rhythmen (das atemlose "Attentat") bändigen. Raps im Walzer-tauglichen Dreivierteltakt ("Traum") fallen mir ebenfalls nicht gerade im Dutzend ein.

Der wahre Zauber dieses "Sechsten Kapitels" steckt jedoch in der über alle Maßen aufwändigen Produktion. Unter Daniel 'Fader Gladiator' Slugas Regie setzt ein komplettes Sinfonieorchester die an Abwechslungsreichtum schwer zu überbietenden Beats in Szene. Der Aufwand lohnt sich.

Funky Gitarren und luftig klackernde Percussions tragen "Jetzt", das tönt, wie direkt aus den 70ern importiert. Immer wieder geben Atempausen Zeit zum Nachdenken: "Keiner Weiß Was Kommt". "Sonnenbrille" entpuppt sich als wahres Groove-Monster, während das sich stetig entwickelnde "Verbrechen Lohnt Sich Nicht" schon beim Vorspiel luxuriösen James-Bond-Appeal verbreitet.

Bluesig jodelnde E-Gitarre ("Traum"), klimpernde Spieldosen-Melodien ("Spruchreif"), schillernde Streicher vor filmreifer Kulisse ("Schwarzer Regen"): Alles findet wie ganz von selbst seinen Platz, trifft den passenden Ton. Selbst eine Eurodance-mäßige Verwurstung von "Rhythm Is A Dancer" wirkt in "First Class" höchst angemessen, um die gehetzte Jagd nach materiellem Reichtum zu illustrieren.

Nicht nur ein "Elefant", sondern gleich Colonel Hathis komplette Parade scheint durch die vielschichtig instrumentierte Nummer zu trampeln. Spätestens jetzt steht fest, dass für die Firma das Gleiche gilt wie für den einzigen aufgefahrenen Featuregast Curse: "Ich Brauch Keinen". Außer natürlich dieses Wahnsinns-Orchester im Rücken.

Dessen exzellent komponierter und arrangierter Sound zwingt einen geradezu, ein zweites Mal aus dem Eröffnungstrack zu zitieren, der dem Geschenk der "Stille" huldigt: "Es wird zu Gold, was vorher nur ein Häuflein Asche war."

Trackliste

  1. 1. Stille
  2. 2. Jetzt
  3. 3. Keiner Weiß Was Kommt
  4. 4. Sonnenbrille
  5. 5. Verbrechen Lohnt Sich Nicht (Prelude)
  6. 6. Verbrechen Lohnt Sich Nicht
  7. 7. Realität
  8. 8. Traum (Prelude)
  9. 9. Traum
  10. 10. Spruchreif
  11. 11. Alles
  12. 12. Schwarzer Regen
  13. 13. Attentat
  14. 14. Ich Seh Dich Gehn (Prelude)
  15. 15. Ich Seh Dich Gehn
  16. 16. First Class
  17. 17. Elefant
  18. 18. Ich Brauch Keinen feat. Curse
  19. 19. Schlaf

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11 Kommentare

  • Vor 13 Jahren

    Sehr geniales Album. Das Orchester gibt den Songs so eine riesen Power und das die Firma ruhige, tiefgründige Titel exzellent beherschen ist ja sowieso klar. Das ist wirklich das beste Rapalbum seit langem.
    @Presswerk: Hast du schonmal ein Album der Firma durchgehört? Du kannst ja nicht bestreiten, dass sie rappen (und zwar gut). Also kann ich nicht nachvollziehen, warum du sie im Pop einordnen möchtest.

  • Vor 13 Jahren

    Wieder dies nicht anhörn Truppe ey^^ Das Album ist recht gut 4/5 eben... ich mein die ersten 3 kommentare. Und wer sie mal in Spruchreif hat texten hörn... vor allem dieser zungenbrecher um "alles hat sein für und wider" in dem track... najo zeigt mir Leute die gschmeidiger guten Text hinbekommen... Alter man macht die Ohren auf und schaltet nicht immer das Hirn auf Durchzug... Sicher manch altbackeneres drin... aber nen fr nen fler und auch nen farid hörn sich schon aufm 2ten album altbacken an... najo auf ihre weise... noch schlimmer der herr kollegah der sein erstes album 5 mal rausbringt und damit versucht zur perfektion zu treiben.. was ja auch funktioniert stellenweise...trotzdem isses "the same shit as every year" hier bekommt ihr mal text und kotzt. Ich kotz.

  • Vor 12 Jahren

    Die Firma bietet mit "Das Sechste Kapitel" ein Album, dass an ihr Bestes Werk "Krieg und Frieden" doch sehr nahe rankommt. Obwohl mir manche Lieder wie "Elefant" oder auch "Ich seh dich gehn" eher nicht so gefallen, präsentiert sich dieses Album im Grossen und Ganzen sehr gut. Durchweg eingängige Beat, von einem Orchester wunderschön gespielte Preluden gemischt mit Rap-Lyrics die genau meinen Geschmack treffen. Was das Album aber so gross machen sind die Perlen wie "Traum" oder "Schlaf", Lieder die man den Ganzen Tag hören kann, die zum Nachdenken anregen und die zeigen, dass die Firma einfach eine der Besten Deutschen Rap-Crews ist und so manchen IchFickDeineMutterWeilIchAusDemGhettoKomme-Rapper deutlich übertrumpfen. Würde auch hier 5/5 Punkte geben.