laut.de-Kritik

Der Geist von Woodstock lebt weiter.

Review von

Devendra Banhart entzieht sich einer einfachen Kategorisierung. Er ist Musiker, beschäftigt sich aber auch als Maler und Grafiker. Aufgewachsen ist er in Kalifornien, hat als Kind aber in Venezuela gelebt und hält sich mittlerweile in New York auf. Mit langen Haaren, Vollbart und nacktem Torso verkörpert er einen verlotterten Mädchenschwarm, verkleidet sich allerdings auch mal gerne als Frau.

All diese Aspekte fließen in Banharts vierte CD "Cripple Crow" ein, die er mit seiner Liveband in Woodstock eingespielt hat. Die Wahl des Ortes dürfte bewusst gefallen sein, denn auf einem Feld in der Nähe des Städtchens fand 1969 ein gleichnamiges und sagenumwobenes Konzert statt. Damals wie bei diesen Aufnahmen lautete das Motto "Love, Peace & Music".

Die Geister der 60er zeigen sich auf dem Cover, das entfernt an "Sgt. Pepper's" von den Beatles erinnert, und bestimmen die Kleiderordnung. Ihre deutlichsten Spuren hinterlassen sie aber in der Musik. "Cripple Crow" ist kein Album mit einem roten Faden, sondern das Ergebnis eines Kollektivs, das seiner musikalischen Intuition freien Lauf lässt.

Ist im Opener "Now That I Know" Nick Drake heraus zu hören, bietet "Santa Maria Da Feira" lateinamerikanische Rhythmen und einen spanischen Text. Während "Heard Somebody Say" eine Antikriegshymne in der Tradition von John Lennons "Give Peace A Chance" darstellt, zeigt sich Banhart in Stück vier von seiner ironischen Seite: Falls ich jemals ein Kind habe, will ich, dass es lange Haare hat – damit es im Winter nicht friert, erläutert er dort sinngemäß.

Banhart begleitet seine vibrierende, melodische Stimme mit einer Akustikgitarre. Seine Mitstreiter unterstützen ihn mit einer breiten Palette an Instrumenten, zu der Cello, Geige, Bongos, Klavier, Orgel und Slidegitarre gehören. Das Ergebnis fällt dadurch vielfältig aus. Mal sind die Stücke schnell und fast tanzbar wie bei der Singleauskopplung "I Feel Just Like A Child", mal in Melancholie getränkt, wie beim Titeltrack. Mal singt Banhart auf Englisch, mal auf Spanisch, mal in einem unverständlichen Kauderwelsch. Manche Texte scheinen durchdacht, andere machen keinerlei Sinn.

Hier liegt die Stärke, und zugleich die Schwäche, in Banharts Schaffen. Dadurch, dass er alle Facetten seines Wesens einfließen lässt, verliert das Album an Kohärenz. Viele der Ideen sind nur angedacht und einfach in die Menge geworfen, wie etwa die Schnipsel "Dragonflys" oder "The Beatles". Es wäre durchaus sinnvoll gewesen, die 22 Stücke und 84 Minuten des Albums (inklusive mp3-Track, der nur auf dem Rechner abspielbar ist) auf die Hälfte zu reduzieren.

Für ein Kollektiv, das neben Komposition und Realisierung auch die Produktion übernommen hat, klingt ein solcher Gedanke wahrscheinlich viel zu mainstreamig. Ihnen kommt zugute, dass sowohl Begeisterung als auchTalent vorhanden sind. Wenn Banhart und seine Mitstreiter lernen, ihre Gedanken zu bündeln und bei der Umsetzung mehr Geduld aufzuwenden, könnte ihnen nicht nur ein gutes, sondern ein großes Album gelingen.

Trackliste

  1. 1. Now That I Know
  2. 2. Santa Maria De Feira
  3. 3. Heard Somebody Say
  4. 4. Long Haired Child
  5. 5. Lazy Butterfly
  6. 6. Quedate Luna
  7. 7. Queen Bee
  8. 8. I Feel Just Like A Child
  9. 9. Some People Ride The Wave
  10. 10. The Beatles
  11. 11. Dragonflys
  12. 12. Cripple Crow
  13. 13. Inaniel
  14. 14. Hey Mama Wolf
  15. 15. How’s About Tellin A Story
  16. 16. Chinese Children
  17. 17. Sawkill River
  18. 18. Luna De Margarita
  19. 19. Korean Dogwood
  20. 20. Little Boys
  21. 21. Canela
  22. 22. White Reggae Troll / Africa (Hidden mp3 Track)

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8 Kommentare

  • Vor 18 Jahren

    Nach langer Suche habe ich es endlich in meiner Hand und ich kann sagen, dass ich es wirklich sehr nett finde. Mal was ganz anderes zum chillen, oder einfach laufen lassen, es beruhigt, dass kann ich schonmal sagen. Ist mein erstes Album dieser Art, bin aber ganz schön begeistert von der Anzahl der Tracks, satte 22 Stück. Und das Cover erst *großeaugenbekomm*. Mit meinen 14 Jahren höre ich sowas eigentlich nicht, doch nun konnte ich mich auch für andere Interpreten wie Cocorosie usw. begeistern.

    Für mich eine 2+ ;-) kann sich aber noch alles ändern

  • Vor 18 Jahren

    Ich wünschte, ich hätte mit 14 schon so tolle Sachen gehört :)
    Grosse Platte, sein bestes Album bis jetzt. :)

    Btw: Hab mich über die plattentests.de-Review aufgeregt ...die sollen bitte jemanden drüber schreiben lassen, der mit dem Sound zumindest was anfangen kann :nerved:

    Da kann ich mich mit den Meinungen von pitchfork, Musikexpress, intro, Stereo, etc. schon viel eher anfreunden. Echt ... absolut gelungenes Album. :)

  • Vor 18 Jahren

    finde meinen musikgeschmack teilweise etwas seltsam...the smiths...morrissey..jetzt der devendra ;-) uiuiui...was da noch alles kommt

  • Vor 15 Jahren

    nachdem mir das aktuelleste von devendra banhart so gut gefallen hat, ging heut beim shoppen einfach auf gut glück dieses stück mit. und nach einem durchgang gefällt es. soll erfüllt, würd ich mal sagen....

  • Vor 15 Jahren

    Von allen neueren Freakfolk-Akteuren gibt es kaum einen, den ich so hartnäckig versucht habe, durch Hören zu Verstehen, mich Reinzuhören. Vergeblich! Auch Live: Fehlschlag. Vashti Bunyan - großartig, CocoRosie, Joanna Newsom - faszinierend ... usw. Devendra Banhart? Ich schau immer nur irritiert und traurig auf den Boden. Ich versteh' den nicht!

  • Vor 15 Jahren

    hhm...vashti bunyan. muss ich mal reinhören.