2. März 2018

"Ich bin der erste Weiße, der rappen kann"

Interview geführt von

DCVDNS und Tamas sprechen über die Kontroversen des vergangenen und die Projekte des kommenden Jahres. Es geht um Beleidigungen und was die Leute als solche missverstehen wollen, um eine anstehende Kollabo und die Frage, wer der Geisteskrankere von beiden ist.

DCVDNS' Album "Der Erste Tighte Wei$$e" sammelte lobende Rezensionen und szeneinterne Kritik. Dann folgte auch noch der "Ritterschlag" im Rahmen des Edel-Trash-Formats "Ich bin ein Star – holt mich hier raus!", das drei seiner Songs zur Untermalung verwendete. "Eigentlich müsste das schon reichen, um bei der nächsten Dschungelcamp-Staffel mitzumachen", gibt er augenzwinkernd zu Protokoll. Doch zunächst stehen noch einige Auftritte seiner umfangreichen Tournee "D1TW.TR" auf dem Programm.

Bei seinem Stopp im Dortmunder FZW gewährt der Saarländer gleich zwei Audienzen. Zunächst gilt es, die Projekte und Kontroversen des vergangenen Jahres Revue passieren zu lassen. Doch nach seinem Konzert, das von Beiträgen seiner präprofessionellen Phase wie "Ein Dealer Zahlt Bar" über das Inglebirds-Album bis zum aktuellen Longplayer einen breiten Überblick liefert, kommt auch die Zukunft zu ihrem Recht. DCVDNS klärt exklusiv über seine Labelsituation auf. Dann gesellt sich auch noch ein ausgetobter, aber gut gelaunter Tamas dazu, um erstmals über das anstehende Kollaboprojekt der beiden zu berichten.

Du beschreibst bereits den Aufnahmeprozess deines Albums als Qual. Wie schrecklich ist es für dich, das Ganze auch noch live präsentieren zu müssen?

Schlimmer als für jeden anderen. Alle, mit denen ich auf Tour bin, können das bestätigen (lacht). Es geht los, du bist acht Stunden auf der Autobahn. Dann musst du rechtzeitig zum Soundcheck da sein. Dann musst du wieder vier Stunden warten, bis der Auftritt losgeht. Dann gehts ins Hotel, dann musst du wieder früh raus, dann geht es wieder auf die Autobahn. Da bin ich lieber zuhause im Studio.

Du sagst auf dem Album: "Mein Verhalten glich einem Autisten." Dein Auftritt beim Punchline-Quiz des Splash-Mags hat den Eindruck des Rap-Autisten noch verstärkt. Wie sehr dominiert Rap deinen Alltag?

Um ehrlich zu sein, waren das beim Punchlinequiz genau die zehn Deutschrap-Tracks, die ich kenne, ich hatte Glück. Rap dominiert nur meine Allnacht, ich bin jede Nacht im Studio, entweder am Schreiben, schneide Videos, nehme auf, kaufe Klamotten ein Jahr bevor Drake sie kauft, oder was sonst noch so zu tun ist. Hauptsache, bis morgens kommt irgendwas dabei rum.

Fällt es dir wegen autistischer Persönlichkeitsanteile schwer, den Fankontakt zu händeln?

Das Autistische ist in diesem Song ja nur auf Rap bezogen. Von daher geb' ich meinen Fans die Hand, mach Fotos mit ihnen, geb' ihnen Autogramme für einen Fünni und sage hin und wieder auch mal 'Yo'. Das Songkonzept ist doch auch gar nicht so schwer zu verstehen. Ich spiele auf die Story von Eminem an, in der er sich als Weißer unter Schwarzen beweisen musste. Nur bei mir sind es halt die Südländers. Er war gezwungen, besser zu sein und mehr zu machen als alle anderen, deshalb verglich ich die Herangehensweise mit der eines Autisten. Rap als Inselbegabung. Das hat natürlich einen gewissen Witz, aber eigentlich ist mir auch scheißegal, wer meine Texte versteht oder wer zu dumm dafür ist.

In "Der Erste Tighte Wei$$e" heißt es: "Wie Blut im Hirn flutet Hip Hop in den Adern, aber wegen meinen blonden Haar'n, bekam ich keinen Fuß in die Tür. Den Immigranten wird alles geglaubt, aber kaum rapp' ich von Plattenbau, Waffengebrauch, Straßen und Raub, ist es Ironie wegen der Farbe der Haut." Auf welchen persönlichen Erfahrungen fußt diese Einschätzung?

Naja, wer nimmt es schon ernst, wenn jemand mit Pullunder und Brille über Gangsterscheiße rappt? Es gibt keine persönlichen Erfahrungen, es geht eher darum, wie ich das wahrnehme. Es ist einfach ein überspitztes, übertrieben dargestelltes Songkonzept.

"Die Leute wissen, dass es nicht als Beleidigung gedacht war, aber sie wollen es glauben"

Für das Video zu "Internationaler Pimp" hast du zahlreiche Cover von hierzulande weitgehend unbekannten Rappern wie Big Kuntry King, Swamp Dogg oder Kingpin Skinny Pimp nachgestellt. Welche Idee steckt hinter dem Video?

In den 90ern gab es verstärkt in den Südstaaten diese collagenartige Gangster-/Pimp-Cover. Ich feiere diese Art von Platten-Cover und wollte sie in Videoform darstellen wie ein Genie.

Verbindest du mit den visuellen Zitaten auch einen missionarischen Eifer? Möchtest du den Leuten anderen Rap nahe bringen?

Nein, es war nie leichter, Musik zu suchen als heutzutage. Ich habe kein Interesse, die Musik, die man sich über Jahre gesucht hat, irgendjemandem weiterzuschenken. Die meisten interessieren sich eh nicht für Musik. Die hören das, was sie gezeigt bekommen, weil sie nur das hören, was jeder cool findet. Ich habe kein Bedürfnis, das irgendjemandem aufzuzwingen. Die können von mir aus die schlechteste Musik überhaupt hören, das interessiert mich nicht. Ich glaube aber, wenn die Leute das Zeug hören würden, was ich höre, dann würden sie vielleicht meine Musik ein bisschen mehr verstehen.

Auf "Der Erste Tighte Wei$$e" nimmst du oft Bezug auf Westberlin Maskulin, die offenbar einen Vorbildcharakter für dich haben.

Ich weiß, wie wichtig Westberlin Maskulin für deutschen Rap war. Ich hab immer nur gehört, wie Aggro Berlin Props bekommt, für das, was sie für deutschen Rap geleistet haben, aber selten Westberlin Maskulin, und wenn, dann oft nicht wegen Taktloss. Deshalb habe ich gedacht, los gehts.

Du hast eine recht heftige Kontroverse mit deinem Taktloss-Zitat ausgelöst, der sich selbst als "letzten tighten Nigga bezeichnet. Wie hast du diese Diskussion wahrgenommen?

Du hast gerade das gleiche getan wie ich, einen Namen zitiert. Bin gespannt, wie du aus dieser Sache rausgehst. Mir hat das Ganze nur noch mal bestätigt, wie heuchlerisch diese Szene ist. Es interessiert mich nicht, was irgendwelche Leute, mit denen ich nichts zu tun habe, von mir denken, deshalb konnte ich mich auch nicht zu einer Stellungnahme überwinden. Ich wüsste auch gar nicht, wo ich anfangen sollte. Ich hätte so viele Argumente, dass ich nur welche vergessen kann. Und selbst, wenn nicht: Ich bin mir sicher, die Leute wissen, dass es von mir nicht als Beleidigung gedacht war, aber sie wollen es glauben, und dagegen kann man nicht argumentieren.

Universal Urban hat das Album abgenommen. Gab es von deren Seite deswegen Bedenken?

Nein, damit konnte man nicht rechnen. Guck mal, wie viele Leute das schon gesagt haben. Bei mir war es ja nicht mal so, dass ich das einfach sinnlos reinhaue. Mein Album heißt "Der Erste Tighte Wei$$e" und ich wollte den Leuten, die die Anlehnung an Taktloss nicht peilen, es wenigstens einmal auf dem Album gesagt haben: "Der erste tighte Wei$$e seit dem letzten tighten Nigga". Wenn das als eine Beleidigung gedacht wäre, würde ich mich ja selbst beleidigen, weil ich mich in dieser Zeile auf die gleiche Stufe stelle. Eher wäre es eine Beleidigung gegen Weiße, weil ich sage: Ich bin der erste Weiße, der rappen kann.

Dass er diese Disziplin beherrscht, stellt DCVDNS im folgenden Auftritt neben seinen Supportern Karmo Kaputto, Hermann Weiss und Tamas unter Beweis. Mit Letztgenanntem setzt er sich nach ausgiebiger Erfüllung aller Fan-Wünsche zu einem zweiten Gesprächsteil zusammen, um einen exklusiven Einblick in das folgende gemeinsame Album der beiden technikaffinen Rapper zu geben.

Ihr arbeitet im Moment an einem Kollaboprojekt, das noch dieses Jahr erscheinen soll. Wie kam das zustande?

Tamas: Für mich hat dieses ganze Projekt damit begonnen, dass ich ihn durch MC Basstard kennenglernt habe, bei dem er sein erstes Album "Brille" aufgenommen hat, was für mich megageisteskrank war. Du kommst aus dem Wedding, du hast alles gesehen, du hast Stiche kassiert, du hast Prügel verteilt, und dann siehst du jemanden, der einfach geisteskranker ist als du, und guckst ihm in die Augen, und du siehst einfach nur Feuer. Ich kann alles so ein bisschen durchschauen, aber ich wusste einfach nicht, was der will. So hat es angefangen, und dann haben wir immer mehr Musik gemacht. Irgendwann hat er halt gefragt, ob wir nicht zusammen eine EP machen wollen. Die Zusammenarbeit war dann einfach so unglaublich krass.

DCVDNS: Ich bin auf keinen Fall geisteskranker als Tamas.

Tamas: Es gibt ja verschiedene Geisteskrankheiten, jeder Mensch hat ja so ein bisschen eine. Musikalisch ist es aber einfach so, dass ich in dieser Zeit jemanden gefunden habe, mit dem es einfach genauso viel Spaß macht wie damals bei meiner alten Rapgruppe DeineLtan.

DCVDNS: Wir machen das Album zusammen, weil es sonst keinen gibt, bei dem man sich anstrengen müsste. Bei anderen muss man sich zurückschrauben.

Tamas: Ich bin jemand, der sehr oft sagt: Okay, das reicht so für mich. Aber da pusht mich DCV bei der Zusammenarbeit krass: 'Mach das nochmal neu, du schaffst das nochmal besser.' Das war drei, vier Mal so. Es ist nicht in Streit ausgeartet, aber jetzt höre ich auf jeden Fall auf ihn, wenn er sagt, es geht besser.

DCVDNS: Es ist schon oft in Streit ausgeartet.

"Diese ganzen Hip Hop-Johnnys mit ihren Ghetto-Psychosen wissen gar nicht, was das für ein Mensch ist."

Wie sieht der aktuelle Zwischenstand aus? Habt ihr die Aufnahmen bald abgeschlossen?

Tamas: Er ist ein unglaublich krasser Perfektionist. Wir hätten locker ein Album, aber mittlerweile habe ich schon auf die Tracks keinen Bock mehr (lacht). Wir haben schon viel Material und viele Skizzen. Ich kann es nicht anders beschreiben, als dass es krass wird. Und ich meine jetzt nicht, wie Fler sagt: 'Das wird das krasseste Ding der Erde!' Das wird technisch einfach an alte Tage anknüpfen. Man kann dann nicht sagen, das klinge wie ... wenn, dann müsste man es mit Amis vergleichen. Ach, das war gerade voll der Fler-Spruch (lacht). Es wird Spaß machen und man wird merken, dass es nicht eine Fahne im Wind ist, so wie gerade das komplette Musikgeschäft. Afro-Trap, zum Beispiel, es gibt zwei Leute, deren Namen wir nicht nennen müssen, die machen das gut, die haben damit Geld verdient und die verdienen damit auch weiter Geld. Alle anderen, die das machen, sind nicht so gut. Punkt. Aber wir wollen das machen, was wir wollen.

DCVDNS: Die geplante EP wäre auf jeden Fall fertig, aber weil es so schön ist, nehmen wir lieber noch drei bis vier Songs mehr auf und bringen ein Album.

Tamas, wie würdest du deine Beziehung zu DCVDNS beschreiben?

Tamas: Wir sind wie Brüder, unterhalten uns über ernste Themen. Ich stehe ihm zur Seite, wie ich es bei meinem richtigen, wahren Bruder tun würde. Da fließen Tränen, da herrschen Aggressionen, da merkt man einfach, dass jemand einem wichtig ist. Deswegen wird dieses Album so gut, weil wir zwischen den Tracks, die pumpen und abgehen sollen, auch ein bisschen Herz reingeballert haben. Das kennt man vielleicht von meinen Metal-Sachen, aber von DCV kennt man diese offene Seite halt nicht so wirklich. Der Gee ist sonst einfach so schlau, dass er sich nicht öffnet. Das habe ich mir bei ihm ein bisschen abgeguckt. Du kannst Leute verunsichern, indem du überhaupt keine Emotionen zeigst. Ich bin nur so offen, weil ich gemerkt habe: Wenn ich offen bin, gibt es keine Angriffsfläche.

Während Tamas extrem extrovertiert wirkt und diese Seite auf der Bühne auslebt, wirkt DCVDNS eher schüchtern. Stimmt der äußere Eindruck?

DCVDNS: Eher nüchtern als schüchtern. Das könnte so wirken, weil Tamas zwei Meter hoch, ein Meter breit ist, zum Frühstück schon zwei Dosen Faxe trinkt und ich ihm die ganze Zeit auf der Bühne ausweichen muss, damit er mich nicht über den Haufen rennt.

Tamas: Ich bin in gewissen Situationen schon ruhiger. DCV ist die ganze Zeit überdacht, aber da wir so gute Freunde sind, kann ich durch einen Blick merken wie er Dinge meint. Er ist so durchdacht und weiß, was er macht. Die Außenwelt, diese ganzen Hip Hop-Johnnys mit ihren Ghetto-Psychosen, die wissen gar nicht, was das für ein Mensch ist. Nicht als Rapper, sondern als Künstler, der alles komplett als Kreis sieht. Das hat alles einen roten Faden. Alles, was der macht, ist 'straight', um mal Anglizismen zu droppen. 'Droppen' ist auch schon wieder ein Anglizismus. So ist das für mich, deswegen respektiere ich diesen Menschen. Er weiß einfach zu 95 Prozent, was er tut.

DCVDNS: Aber das ist bei P. Diddy auch so. (Gelächter)

Musikalisch stehen auf eurem Album vor allem eure Hip Hop-Einflüsse im Vordergrund. Bei DCVDNS ist es der Westcoast-Rap, bei Tamas sind es die Einflüsse aus Memphis und Kansas wie Tech N9ne. Ihr habt aber auch einen Grime-Song aufgenommen. Damit passt ihr ja auch zu Sylabil Spill, der erst kürzlich eine ganze EP in diesem Stil veröffentlicht hat. Wie kam das zustande?

Tamas: DCV hat mich besucht, weil ich wieder mit Aufnahmen nachgehinkt habe. Dann waren wir bei MC Basstard im Studio, und da war Asadjohn, der uns einen Grime-Beat gezeigt hat. Den Song haben wir in einer Stunde gemacht.

DCVDNS: Ich wollte schon die ganze Zeit so einen Track machen. Asadjohn zeigt uns den Beat, und bevor er zu Ende war, hatte Tamas schon einen halben Part fertig.

Tamas: Sylabil Spill macht seinen eigenen Film, und das ist auch ein ganz anderer Flow. Ich mag den und wir bauen auch ein bisschen labelintern Kontakt auf. Der ist ein komplett cooler Mensch. Das Album wird auch richtig gut, was er macht. Das steht außen vor, weil der Typ einfach ein guter Rapper ist.

Tamas, wirst du eigentlich noch regelmäßig nach einer DeineLtan-Reunion gefragt?

DCVDNS: Ich frage ihn immer, ich hätte sie gern auf unserem Album.

DCVDNS, du hast "Der Erste Tighte Wei$$e" über Universal Urban veröffentlicht. Mittlerweile hast du den Major aber wieder verlassen. Wie sieht deine aktuelle Labelsituation aus?

DCVDNS: Ich mach' jetzt wieder alles selbst. Rat-A-Tat ist mein Label. Erstmal ist das aber nur für meine Sachen. Über Signings mache ich mir erst Gedanken, wenn es jemanden gibt, der gut genug ist. Tamas wäre natürlich gut genug, aber der ist ja besetzt.

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