laut.de-Kritik

Außerirdische Elektro-Sounds mit Kraftwerk-Aroma.

Review von

Für alle, die noch nicht wussten, wer der funkige Teil des Duos Super_Collider war, warf Jamie Lidell kürzlich sein jüngstes Album "Multiply" auf den Markt. "Station 55" demonstriert nun nachhaltig, auf wessen Konto die schrägen Elektro-Sounds gingen.

Cristian Vogel ist nicht von dieser Welt, und "Station 55" möglicherweise sein Versuch, E.T.-mäßig nach Hause zu telefonieren. Ungeachtet der Tatsache, dass Vogel erstklassige DJ-Sets zu zelebrieren vermag, gerät "Station 55" komplett untanzbar. Für den Dancefloor ist diese Platte wirklich nicht gemacht, wer so etwas sucht: Hände weg! Wer allerdings einen Blick in Vogels digitales Universum wagen möchte und dabei schiefe Töne nicht scheut, trete getrost näher.

Dabei fängt alles vergleichsweise harmlos an: "Typewriter Of The Dead" startet gelassen und atmosphärisch, allerdings hält dieser Zustand nicht lange vor. Obwohl der ruhige Rhythmus im Hintergrund weiterläuft, schaben sich kratzige Klänge ins Ohr, als ob der Produzent seelenruhig die Gabel über den Teller ziehen würde. Eine Gabel? Nein. Eher ein ganzes Besteckset. Schön ist das nicht. Aber auch alles andere als langweilig.

Überhaupt ist langweilig zu sein ein Vorwurf, den sich Cristian Vogel nicht gefallen lassen muss. Quer und anstrengend, ja. Aber öde keinesfalls. Dafür bleibt überhaupt keine Zeit, selbst im Zehn-Minuten-Track "On The Line" nicht. Ständige Tempo- und Stimmungswechsel machen Abdriften unmöglich. Ob hier das Etikett "Ambient", "Techno", "Electro" oder gar "Drum'n'Bass" draufzukleben ist, vermag ich nicht zu entscheiden. Eine Spur von allem ergibt in der Mischung eben doch ganz etwas anderes.

Mein persönlicher Tiefpunkt steht leider am Ende des Albums, was den Gesamteindruck doch ziemlich verdirbt: "Lovelights" kombiniert ohne für mich erkennbaren Sinn und Verstand einen nach Tischtennisballgeklacker klingenden Beat, verzerrte Töne diverser Art und akustische Gitarrenmusik-Fetzen, die wieder und immer wieder aufgewärmt werden. Auf diesen Track hätte ich wirklich problemlos verzichten können.

"1968, Holes" zerrt mit getriebenem Rhythmus, zusätzlichem Elektrogefrickel und Kevin Blechdoms Geschrei extrem an den Nerven. Auch in "Somewhere In The Waves" gehen mir die Vocals eher auf den Wecker. Ist das Spanisch? Auf jeden Fall kommt es mir so vor, was Virüs da absondern. An jeder gesangsfreien Stelle macht der Track allerdings großes Vergnügen. Man stelle sich einen Beat vor, ähnlich dem aus Laid Backs "White Horse", ausgeschmückt mit wabernden Computersounds, und man erhält einen Hauch dessen, was Vogel hier fabriziert.

Allerdings sind nicht alle Gesangsbeiträge störend. Franz Treicher, ausgeliehen von den schweizer Young Gods, fügt sich mit ruhiger Sprechstimme bestens in die zunächst minimalistische, im weiteren Verlauf ständig kompakter werdende Nummer "Turn On, Tune In, Drown Out" ein und bildet einen angenehmen Kontrast zur Hektik des Instrumentals. Und was Max Turner von den Meteorites in "Monkey Inc" abliefert, verdient wahrhaft die Bezeichnung "spoken word performance". "They throw me words I'm supposed to play with." Wenn dabei solche Leistungen herauskommen, nimmt jedes Improvisationstheater diesen Mann mit Handkuss.

"The Time Lock" erfreut mit einer simplen und doch immer wieder neu ausgeschmückten Melodielinie, zum Beginn von "Neon Underground" darf man sich durchaus eine von diesen archaischen Steptanz-Revue-Nummern vorstellen. Der organische Klang nach "richtigen Instrumenten" verliert sich allerdings zunehmend in technoiden Tönen und hinterlässt ein Aroma von Kraftwerk. Hier vergehen sieben Minuten im Nu.

Einmal mehr ein durchwachsenes Menu, das Herr Vogel hier kredenzt. Doch, ganz ehrlich: ohne die harten Nüsse nur halb so lecker.

Trackliste

  1. 1. Typewriter Of The Dead
  2. 2. The Time Lock
  3. 3. 1968, Holes
  4. 4. On The Line
  5. 5. Somewhere In The Waves We Will Find You
  6. 6. Neon Underground
  7. 7. Turn On, Tune In, Drown Out
  8. 8. Arctic Wolfman
  9. 9. Monkey Inc.
  10. 10. Lovelights

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