laut.de-Kritik

Ein barocker Augenschmaus - leider völlig unbeeindruckend.

Review von

Derzeit hat Christina Aguilera ja mehr mit Sabberlätzchen als mit Seidenstrümpfen und glitzernden Spitzenkorsetts zu tun. Ihr neues Leben als Mutter stellt wahrscheinlich das diametrale Kontrastprogramm zu ihrer vergangenen Tour da, die sie auf vorliegender DVD noch einmal Revue passieren lässt.

Denn inmitten von Brei, Milchpumpen und Windeleimern verbirgt sich kaum etwas von dem Glamour, mit dem sie ihre Songs neulich noch live ausschmückte. Durch ein schlichtes Menü, das in Zirkusmanier daher kommt, gerät man zur eigentlichen Show, die im Grunde auch nichts weiter ist als neunzig Minuten Zirkus.

Das Intro zeigt nicht etwa bereits die Bühne, sondern zunächst ein kleines Filmchen, in dem sich Frau Aguilera in einer Mischung aus Marlene Dietrich und Marilyn Monroe-Aufmachung in schummrig-glamouröser Atmosphäre "auf die Show vorbereitet". Das heißt: sich lasziv anzieht, um dann magischerweise auf der Bühne, namentlich auf einer kleinen Showtreppe aufzutauchen.

Was in diesem Zirkuszelt geboten wird, ist so einzigartig wie widersprüchlich: ein Augenschmaus, Glitzer, Effekte, Kostüme, Bilder, Filmchen, Licht, Tanz, Tanz, Tanz. Gleichzeitig aber bleibt die gesamte, bis ins Kleinste durchstilisierte Show steril, unpersönlich und völlig glatt.

Tanz gehört nun mal zu einer ordentlichen Popshow dazu. Hier haben wir es mit einer perfekten, höchst dynamischen Choreographie zu tun. Sympathischerweise sind die hüpfenden Damen teilweise nicht von der allerschlanksten Sorte, was ihrer Biegsamkeit anscheinend aber keinen Abbruch tut. Musikalisch zielt Aguilera zukünftig wohl in Richtung Soul/Jazz gehen. Das suggeriert nicht nur die Video-Einblendung von Genregrößen wie Marvin Gaye oder Miles Davis.

Ihre süßen Stückchen von früher ("What A Girl Wants", "Come On Over") werden so geschliffen, dass sie in den souligen Kontext des Gesamtkunstwerks passen. Wobei es an ihrer Stimme selbst nie etwas zu bemängeln gab - die Frau kann einfach singen. Tontechnik hin oder her, live verliert ihr Organ so gut wie nichts von seiner Kraft.

Auch nach mehr als einer Stunde hat sie trotz Tanzeinlagengelage immer noch den Atem, sich bei "Hurt" völlig zu verausgaben. Das erste Mal wirkt sie wirklich menschlich. Es ist deutlich zu sehen, wie sie aus den Tiefen der Lungen jeden einzelnen Ton heraustreibt, den Kopf immer wieder hochkonzentriert schief legt. Erst zur letzten Zugabe "Fighter" müssen dann doch die Background-Sängerinnen nahezu die gesamte Sangesarbeit erledigen.

Bis auf eine Stelle in "Lady Marmalade", an der das Publikum mitsingt, bleibt der fade Geschmack der Totalinszenierung aber stets dominant. Mal abgesehen von Christina Aguileras Aussehen selbst, deren Aufmachung mit stark geschminkten Augen, stark geschminktem Mund und klebrig-künstlich wirkenden blonden Locken jedem Stilberater das kalte Grausen in das Make-Up-Täschchen jagen würde: Man nimmt ihr den Spaß am Auftritt einfach nicht ab.

Auch ihre Publikumsansagen wirken nie wirklich echt. So berichtet sie vor "Oh Mother" von ihren schlimmen frühkindlichen Erlebnissen mit dem gewalttätigen Vater und ruft zur Solidarität mit Gewaltopfern auf. Alles schön und gut – wieso muss der Song dann aber auch noch mit Bildern einer streitenden Familie unterlegt werden?

Das am Ende eingeblendete "I love you, Mom" und eine schwarze Leinwand allein hätten womöglich viel mehr beeindruckt. Und als sich Christina abschließend völlig sprachlos ob des Jubels geriert, wirkt ihre glückliche Miene eher wie die einer eher mäßigen Schauspielerin als denn einer überwältigten Chanteuse.

Trackliste

  1. 1. Intro (Back To Basics)
  2. 2. Ain't No Other Man
  3. 3. Back In The Day
  4. 4. Understand
  5. 5. Come On Over (All I Want Is You)
  6. 6. Slow Down Baby
  7. 7. Still Dirrty
  8. 8. I Got Trouble
  9. 9. Makes Me Wanna Pray
  10. 10. What A Girl Wants
  11. 11. Oh Mother
  12. 12. Enter The Circus
  13. 13. Welcome
  14. 14. Dirrty
  15. 15. Candyman
  16. 16. Nasty Naughty Boy
  17. 17. Hurt
  18. 18. Lady Marmalade
  19. 19. Thank You (Dedication To Fans)
  20. 20. Beautiful
  21. 21. Fighter

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1 Kommentar

  • Vor 15 Jahren

    Ist ja schön wie man die künstlerische Seite von der jungen Mutter und ihre Probleme beschreibt. Traurig nur dass bisher noch keiner bemerkt hat dass auf der ganzen DVD Frau Aguilera auf den Frontkanälen L+R ihren Gesang mit allen anderen Orchestermitgliedern teilt. Auf dem Centerkanal ( wo sie eigentlich hingehört) blöökt nur eine Backgroundsängerin. Soundqualität der DVD 6 = ungenügend = Geld zurück = der Kritiker von Laut.de ist taub