laut.de-Kritik

Mit Schmackes zwischen alle Stühle.

Review von

Ein über die Maßen spannendes Konzept hat sich Captain Gips zurecht gelegt: Seine Spaltpersönlichkeiten King Fuck, MC Fresh und Florida Klaus machen sich selbständig und zecken sich - gegen den Willen des Hauptakteurs, versteht sich - auf sein Album ein.

Daraus ließe sich eigentlich einiges stricken. Zumal der Käptn zum einen rappen kann, zum anderen seine irren Brüder im Geiste mit komplett unterschiedlichen Stimmen und Styles ausstattet.

Die dumpf-tumbe Wannabe-Gangster-Attitüde, mit der er als King Fuck ins Rennen geht, trifft die mannigfach durch die Straßen raunzenden Vorbilder genau. In Form des vermeintlich besseren Zeiten nachtrauernden Backpackers MC Fresh hat er wohl ein bisschen zu lange den Massiven Tönen zugehört, und als Florida Klaus gibt er einen hervorragenden Eindruck davon, wie sich Goofy anhören würde, griffe er zum Mic.

Allein, was nützt all das, wenn die Karikaturen sämtlich noch unlustiger ausfallen als ihre Vorlagen? Ein Schlagwort-Schachtfest langweilt, wenn es keinerlei Witz birgt, von einem, der es ernst meint, auch nicht mehr, als "Hamburg Kopfschuss". "Gangbanger-Beat" kann eigentlich nur 'wiederholt durchgenudelt' bedeuten.

Selbst Anleihen bei der Chopped & Screwed-Tradition des Dirty South und die schöne Idee, sich für "Sonnenbrille" des Synthiepop-Hits "Sunglasses At Night" zu bedienen, brennen lustig auf dem Scheiterhaufen der inhaltlichen Einfallslosigkeit.

MC Fresh und Florida Klaus nerven mit überspannter Betonung um die Wette, reiten Klischees zugrunde und wiederholen den Erkenntnisgewinn, den bereits King Fuck bescherte: no sellout-Rufe, back in the days-Sehnsüchte, einen ausgelutschten Love-Song und "allerfeinste Anti-Arbeits-Musik" - in der Parodie genau so dröge wie im Original.

Captain Gips in seiner Haupt-Gestalt kümmert sich um die einleitenden Tracks und die zu seinen Kunstfiguren überblendenden Skits - letztere drei lästige Totalausfälle, die unüberhörbar nach der Skip-Taste kreischen.

Erstere dagegen könnten Spaß machen, böten sie thematisch auch nur eine Spur mehr als Aufgüsse von Deichkinds "Arbeit Nervt", Ferris' "Feieralarm" und "Junge" von den Ärzten, gepaart mit übersichtlich spannenden Hamburg-Representern und "Ich bin zurück"-Bekundungen.

An fehlenden Skills liegt es nicht. "+ Und -" lässt - allerdings skandalös kurz - widersprüchliche Grundhaltungen aufeinander prallen. Die Ratschläge der "Mutter" dürften wohl jedem, dessen Frau Mama noch atmet, vertraut im Ohr klingen.

"Weisst Du Noch" legt ein Ohr auf die Schienen der Geschichte und entführt mal nicht in eine Hip Hop-, wohl aber in eine Punk-Vergangenheit, die dann doch in einer Huldigung an Public Enemy, Ice T, die Dead Prez oder den Wu-Tang Clan mündet: "Du tust verdammt gut daran, wenn du dein' Hut ziehst." Dazu versackt eine Gitarre mit leisem Country-Einschlag in pumpenden Gewabere: Es geht doch.

Für die technoiden Elektro-Beats zeichnet eine weitere Facette Captain Gips' verantwortlich: Diesmal unter dem Pseudonym Arne Ferrari kreiert er stampfende, scheppernde, knarrende Kulissen, die stets rechtfertigen, dass Chef-Transformer "Optimus Prime" als ihr Pate fungiert.

Stellenweise gerät das, wie in "Dr. Ocioso" oder zusätzlich mit geradezu widerlichem Eurodance-Touch garniert in "HeyHo!", allerdings saumäßig anstrengend.

Dazu noch ein Rapper, der offenbar nicht gerade viel zu erzählen hat, sich über Backpack- wie Gangsterrap gleichermaßen lustig zu machen versucht, aber trotzdem für sich in Anspruch nimmt, von Punk zu Funk das komplette Spektrum zu bedienen: grenzwertig. Wer sich mit Schmackes zwischen alle Stühle setzt, läuft eben doch Gefahr, mit dem Arsch im Dreck zu landen.

Trackliste

  1. 1. Introe
  2. 2. Hallo Werner
  3. 3. Volle Kraft Voraus
  4. 4. Dreckig Bleiben
  5. 5. Nicht Was Du Denkst
  6. 6. Mutter
  7. 7. Weisst Du Noch
  8. 8. + Und -
  9. 9. Arbeit & Spaß
  10. 10. Es Ist Nicht Fair
  11. 11. Dr. Ocioso
  12. 12. HeyHo!
  13. 13. Meet The King
  14. 14. Hamburg Kopfschuss
  15. 15. Schlagring
  16. 16. Sonnenbrille
  17. 17. Meet MC Fresh
  18. 18. MC Fresh
  19. 19. Sabine
  20. 20. Meet Florida Klaus
  21. 21. Bettman
  22. 22. Endlich Rente

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