20. Februar 2007

"Lest den NME am besten nie mehr"

Interview geführt von

Bromheads Jacket sind hierzulande bislang nur eingefleischten Britrock-Anhängern bekannt. Mit ihrem kruden Punkstyle-Rock, heavy Gitarren und bissigem Sprechgesang sollten sie jedoch bald auch die deutschen Fans für sich erobern. Schließlich brauchen die Jungs durchschnittlich gerade einmal anderthalb Minuten, um zu zeigen, dass sie kräftig Lärm und ordentlich Stimmung machen können. Die Arctic Monkeys erklärten die Bromheads kürzlich sogar zu ihrer "favourite new band" – na, wenn das nicht gehörig Aufwind bringt.Die Bromheads sind der neueste heiße Scheiß aus der britischen Indie-Hitschmiede Sheffield. Die einen vergleichen sie mit The Streets auf Speed, andere sind sich sicher, Tim Hampton (Gesang, Gitarre), Jono West (Bass) und Dan Potter (Schlagzeug) vereinen den Sound von Squeeze, Bad Manners und den Pistols. Derartige Parallelen öden die Jungs jedoch nur an - schließlich sind sie alles andere als durchschnittlich, wie Tim deutlich zum Ausdruck bringt. Im Zuge der Hurricane/Southside-Clubtour traf ich die Drei zum Interview im Konstanzer Kulturladen und befragte sie über die Sheffielder Musikszene, einen gewissen General Gonville Bromhead, das Debütalbum "Dits From The Commuter Belt" und die obligatorischen Bandvergleiche.

Woher kommt ihr und wo habt ihr euch kennengelernt?

Jono: Wir kommen aus Sheffield in England und wir haben uns an der Universität kennengelernt. Wir kommen alle aus unterschiedlichen Ecken des Vereinigten Königreichs.

Ihr kommt also nicht ursprünglich aus Sheffield?

Jono: Nein, ich bin aus London.
Dan: Ich bin aus Manchester.
Tim: Aus Yately.

Und wann habt ihr die Band gegründet?

Jono: Die Bromheads haben wir 2005 gegründet, aber wir haben vorher schon einige Jahre zusammen gespielt.

Und wie hießt ihr vorher?

Dan: Das halten wir geheim. (lacht) Wir haben sowieso nur in Sheffield gespielt.

Könnt ihr mir etwas zu eurem jetzigen Bandnamen erzählen? Was für eine Bedeutung steckt hinter dem Namen Bromheads Jacket? Hat der Name überhaupt eine Bedeutung? Ich frage das, weil ich das Wort Bromheads übersetzen wollte, aber keine passende Übersetzung gefunden habe. Kann man den Namen überhaupt übersetzen?

Tim: Nein, der hat keine Bedeutung. (lacht)

Ich habe im Internet recherchiert und bin auf einen britischen Offizier namens Gonville Bromhead gestoßen. Hat der etwas damit zu tun?

Alle: (erstaunt) Ja genau. Sehr gut! Genau der ist gemeint.
Dan: Hast du den Film "Zulu" gesehen?

Nein, aber ich weiß, dass der Film vom Zulukrieg handelt, in dem Gonville Bromhead gekämpft hat.

Dan: Ja, genau. Michael Caine spielt ihn.
Jono: Du bist gut!

Ja, ich wusste die Antwort schon vorher. Warum frage ich euch überhaupt?!

Jono: Wir lassen uns immer irgendwelche Geschichten zu unserem Namen einfallen, wo der Name herkommt. Aber das ist die tatsächliche, echte Geschichte.

Was erzählt ihr sonst?

Jono: Unterschiedliches. Ich kann mich gerade nicht erinnern.
Tim: Ja, ich habs auch vergessen.

Was hat euch inspiriert Musik zu machen? Irgendwelche Musiker beispielsweise?

Tim: Ja, klar.
Jono: Ja, Hunderte.

Wer zum Beispiel? Was hört ihr so?

Dan: Im Moment höre ich gern The Melvins, die sind sehr laut und kommen aus Amerika. Dann noch Patrik Fitzgerald und ein Typ namens Jilted John. Ja, die drei höre ich gerade.
Jono: Ich mag Art Brut und die Pigeon Detectives.

Die Stahlstadt und ihre Musikszene

Ich habe gehört, dass die Arctic Monkeys euch als ihre neue Lieblingsband bezeichnet haben. Stimmt das oder handelt es sich hierbei um einen cleveren PR-Trick?

Jono: (leicht gelangweilt) Ja das stimmt wirklich, das haben sie gesagt. Wir kennen sie, wir wohnen ja in der selben Stadt und die Szene ist klein. Aber wir sehen sie nicht oft, sie sind die meiste Zeit unterwegs. Sie reisen um die ganze Welt.

Also interessiert euch das gar nicht? Freut ihr euch nicht, wenn euch so eine populäre Band wie die Arctic Monkeys featuret?

Jono: (interessierter) Naja, das war einerseits gut und andererseits schlecht. Es hat gezeigt, dass wir zu einer gemeinsamen Szene gehören, zu einer Szene mit Haltbarkeitsdatum, aus der man schnell wieder ausscheidet. Die Arctic Monkeys werden auch weiterhin angesagt sein, selbst wenn alle anderen längst wieder vergessen sind, weil sie es geschafft haben ...

Wir sind niemals mit ihnen aufgetreten. Wir haben immer unser eigenes Ding gemacht, unsere eigenen Shows gespielt. Wir versuchen einfach, verschiedene Musikstile zu vereinen. Wir versuchen so offen und facettenreich wie möglich zu sein. Ich denke die Arctic Monkeys und wir sind sehr verschieden. Wir kommen aus unterschiedlichen Teilen Englands, wir sprechen unterschiedlich, wir sind unterschiedlich alt, wir mögen unterschiedliche Musik ... Aber die Jungs sind großartig und sie haben ihre Sache wirklich gut gemacht. Das war phänomenal, was ihnen da widerfahren ist.

Dan: Ja, das war wirklich nett, zu sagen, dass sie unsere Band mögen.

Könnt ihr mir etwas mehr zur Musikszene in Sheffield erzählen? Oder zu der Nordengland-Musikszene allgemein – in der Nähe befindet sich ja auch Leeds, ein weiterer Musik-Hotspot. Was denkt ihr über diese Szene?

Jono: Es gibt eine Menge Bands, die aus Yorkshire kommen. Normalerweise, also historisch gesehen, stammen viele Bands aus Manchester und Liverpool. London hatte so eine Art Dürreperiode und dann sind eines Tages all diese Bands aus dem Norden Englands aufgetaucht, Bands wie Maximo Park, die Futureheads und dann ¡Forward Russia!, The Pigeon Detectives ... und dann auch eine Reihe Bands aus Sheffield. Ja, es ist interessant, dass die alle zur selben Zeit erschienen sind.

Könnt ihr euch erklären, warum gerade aus Sheffield oder Leeds so viele Bands kommen?

Jono: Naja, es gibt da keine Kunstschulen, keine Musikcolleges oder so etwas. Es gibt auch keine spezielle Werbung seitens der Medien, die Medien pushen da nicht direkt. Ich denke, das passiert einfach.
Tim: Ich denke, das ist eine Art Erbe. Es gab dort schon immer viel Musik. In diesen Städten gibt es seit Ewigkeiten Musik. Seit ... ja, seit wann eigentlich? Vermutlich schon immer. Angefangen bei den Sechzigern – den späten Fünfzigern, den frühen Sechzigern – gab es eine Menge Leute, die nach Sheffield gekommen sind, um Musik zu machen. Oder auch Leute aus Sheffield wie Joe Cocker. In den Siebzigern waren Kraftwerk groß und haben die Musikszene in Sheffield sehr stark beeinflusst, denn plötzlich gründeten sich eine Menge elektronischer Bands, Cabaret Voltaire oder Human League. Und das hat auch die Achtziger beeinflusst, in die Achtziger übergeleitet.

Also ich denke, dass es in dieser Region schon immer gebrodelt hat. Im Endeffekt gibt es aber gar keinen Unterschied zwischen diesen Städten und anderen. In Manchester war es beispielsweise genauso oder eben in Liverpool und London. Ich glaube, das ist so ein Medien-Ding, das Interesse der Menschen zu bestimmten Zeiten auf bestimmte Regionen zu richten. Die Medien entwerfen gerne diese romantischen Bilder für die Öffentlichkeit. Nach dem Motto "Ja, da gibt es all diese Bands und die gehen jeden Tag zusammen ins Pub." Natürlich ist das nicht so.

Der New Musical Express hat ja auch die Bezeichnung "New Yorkshire" erfunden – eine Art Genre, das junge Gitarrenbands aus der Grafschaft Yorkshire, speziell aus Sheffield und Leeds, bezeichnet. Ihr zählt auch in diese Gruppe, weil ihr aus Sheffield seid. Was denkt ihr über solche Genres, solche Klassifikationen?

Tim: Das langweilt einfach nur. Ich empfehle dir, dieses Magazin am besten niemals wieder zu lesen. (lacht)

Okay, ihr seid ja auch nicht auf NME-Tour, da könnt ihr das sagen. Zurzeit spielt ihr im Rahmen der Hurricane/Southside-Clubtour in mehreren deutschen Städten. Wart ihr vorher schon mal in Deutschland?

Jono: Ja, wir haben letztes Jahr einen Gig in München gespielt.
Tim: Wir haben aber nicht viel von der Stadt gesehen, damals hatten wir nicht genug Zeit. Auf der aktuellen Tour haben wir mehr gesehen.
Jono: Ja, wir sind viel rumgelaufen.
Dan: Wir haben uns zum Beispiel den Kölner Dom angeschaut.

Habt ihr euch auch in Konstanz ein wenig umgesehen?

Tim: Wir haben uns zwar einen Stadtplan ausgedruckt, aber ...
Jono: Wir wollten eigentlich das Stadttheater besuchen, aber wir haben es nicht geschafft. Deswegen sind wir nur hier in der Nähe, im Industriegebiet gewesen. Es hat allerdings geregnet. Wir waren den Tag über in Zürich, weil wir gestern Abend dort gespielt haben.

Verstehe. Ihr tourt ja gerade mit drei weiteren Bands, mit The Films, Plain White T's und Ok Go. Warum sind Ok Go heute Abend nicht mit dabei?

Jono: Wegen der Grammys. Sie sind auf der Grammy-Verleihung.
Dan: Deswegen sind sie zurück nach Amerika geflogen.
Jono: Sie sind in der Kategorie "Bestes Video" nominiert.

Kanntet ihr die Ok Go-Jungs eigentlich vorher? Oder die anderen beiden Bands?

Alle: Nein, überhaupt nicht.

Wie läuft die Tour bis jetzt?

Jono: Ziemlich gut. Das Publikum ist wie eine Festivalcrowd, ziemlich jung. Letzte Nacht haben die Leute unsere Songs mitgesungen, das war erstaunlich.
Tim: (sichtlich erstaunt) Ja das war echt schräg.
Jono: Die Leute sind durchgedreht. Alle sind gut drauf und machen mit, dabei gehen wir auf die Bühne und die kennen uns eigentlich gar nicht. Das ist cool.
Dan: Wir sind etwas lauter als die anderen Bands – manche mögen das eben.

"Der Mike Skinner-Vergleich hat nur etwas mit dem Akzent zu tun"

Hierzulande kommt euer Debütalbum im März auf den Markt. Könnt ihr es ein bisschen beschreiben? Wer schreibt bei euch eigentlich die Lyrics?

Dan: Tim schreibt die Lyrics. Wir haben versucht das Album ziemlich rau klingen zu lassen, so rau wie möglich. Und auch dynamisch.

Habt ihr euren Sound im Vergleich zur vorherigen Band geändert?

Tim: Ja. Wir haben unseren Sound ziemlich verändert. Wir verändern ihn immer noch. Das ist etwas, was wir alle als sehr wichtig empfinden, dass man sich ständig weiterentwickelt. Uns wird nachgesagt, dass wir amerikanisch klingen, aber wir versuchen immer etwas neues zu machen und das ist uns auch sehr wichtig. Als wir angefangen haben, waren wir sehr von amerikanischer Musik beeinflusst. Und dann interessierten wir uns mehr für britische Musik, haben unseren Sound verändert. Später sind wir wieder ein bisschen zurück gerudert und klangen amerikanischer, dann wieder britischer. Bei dem Album wollten wir zeigen, dass wir auch ruhige Songs schreiben können, wenn wir wollen... Wir wurden auch sehr von Johnny Cash beeinflusst, genauso stark auch von The Who, von Led Zeppelin oder Nirvana. Das wollen wir auch zeigen.

Und das ist auch wichtig, denke ich. Die meisten Bands machen das nicht. Sie denken nicht über die Vergangenheit nach, über Strukturen in ihren Songs. Wenn alles im selben Tempo gespielt wird oder in derselben Lautstärke, für anderthalb Stunden, dann ist das genauso langweilig wie jemandem zuzuhören, der total monoton spricht. Wir wollen uns einfach so oft wie möglich verändern und hören auch so viel verschiedene Musik wie möglich.

Ich habe einiges über euer Debüt gelesen und bin auch auf ein paar Band-Vergleiche gestoßen. Wegen eurer Texte – ihr singt über die Alltäglichkeiten des Lebens, eben über das Leben junger Leute – vergleicht man euch ja auch mit den Arctic Monkeys. Dich, Tim, vergleicht man aufgrund deines Sprechgesangs mit Mike Skinner. Macht euch das stolz oder stören euch derartige Vergleiche?

Tim: Ich denke nicht, dass wir stolz darauf sind. Es lag wahrscheinlich an dem Zeitpunkt, es war ein unglücklicher Moment, als wir unsere Musik releast haben. Wenn wir ein klein wenig schneller gewesen wären, hätten wir vielleicht nicht diese Probleme mit den Vergleichen. Ich denke, es war einfach an der Zeit, und dann fing es an mit dieser "Das nächste große Ding"-Sache. Alle kamen dann mit diesen textbasierenden Vergleichen an - mit diesen Vergleichen, weil wir soziale Dinge kommentieren. Worüber wir reden ist aber nichts anderes, als das, worüber Ray Davies schon 1964 gesprochen hat oder das, worüber Bo Diddley gesprochen hat oder wer auch immer. Für mich haben die meisten Songwriter gemeinsam, dass sie einfach das kommentieren, was sie sehen. Jeder macht das, unabhängig davon, worüber er schreibt. Deshalb ist es frustrierend für uns, in so eine Schublade gezwängt zu werden.

Und dieses Mike Skinner-Ding hat einfach nur etwas mit dem Akzent zu tun. Aber davon wegzukommen ist auch eine Herausforderung. Hör dir einfach den letzten Song auf dem Album an, dann den ersten und dann einen der ruhigen in der Mitte und erzähl mir dann, dass es sich, wenn du all diese drei Songs gehört hast, wie Mike Skinner anhört oder wie die Arctic Monkeys oder wie irgendwer sonst?! (enthusiastisch) Das ist, was wir sind. Das sind wir und so klingen wir und wir sind vollkommen einmalig! Wir versuchen so schnell wie möglich ein zweites Album aufzunehmen, um allen zu zeigen, dass wir das können und dass wir nicht nur für fünf Minuten da sind. Wir wollen so viele Alben wie möglich veröffentlichen in den nächsten ... ja, hoffentlich für den Rest meines Lebens.

Wie habt ihr überhaupt euren Vertrag bekommen?

Tim: Wir wurden einfach im Radio gespielt und dann gesignt.

Also habt ihr ein paar Demos versendet und dann ...

Dan: Nein, wir selbst haben eigentlich keine Demos versendet. Irgendjemand anders hat sie eingesendet.
Jono: Ja, zu ein paar Radiostationen.

Und dann hat euch ein Label-Typ angerufen und gesagt: "Hey, lasst uns einen Vertrag abschließen."

Tim: Nicht nur einer, es waren jede Menge.
Dan: Das Telefon hat nicht mehr aufgehört zu klingeln. (lacht)

Wie sehen eure Zukunftspläne aus? Jetzt seid ihr auf Deutschland-Tour, danach spielt ihr wieder in England.

Jono: Ja, richtig. Im April beginnen wir hoffentlich mit der Arbeit am neuen Album. Dann kommen noch einige Festival-Auftritte auf uns zu, Tourneen ... und dann veröffentlichen wir hoffentlich das zweite Album.

Wisst ihr schon, wann genau das Folge-Album erscheint?

Dan: Wir würden es gern noch dieses Jahr veröffentlichen. Mal sehen wie es läuft.
Jono: Auf die Old School-Art – ein Album pro Jahr rausbringen, das wäre cool!

Sagten sie und verschwanden zum Soundcheck. Am Abend zeigten die Bromheads, dass sie live gehörig rocken, brachten die Konstanzer Crowd massiv zum Ausflippen und stahlen den Headlinern damit ein wenig die Show. Eröffnet wurde der Gig von den Plain White T's, die mit ihrem Emo-Pop-Collegerock das weibliche Publikum zu euphorischen Tanzeinlagen bewegten, danach musste erst einmal nachgeschminkt werden. Weiter ging es mit den Bromheads und zum Abschluss gaben The Films ihren Indie-Pop-Rock-Mix à la Kooks, Strokes und Libertines zum Besten. Alles in allem also ein sehr gelungener Abend mit viel Musik für wenig Geld und vor allem Lust auf mehr. Das Bromheads Jacket-Debüt "Dits From The Commuter Belt" steht am 16. März in den deutschen Läden.

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