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Warum eröffnet Boys Noize nicht einfach eine Fußball-EM?

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Den Notruf "Mayday" kennt ein jedes Kind. Erst in den 90er Jahren bekam der Begriff eine weitere Bedeutung, Deutschlands größter Hallenrave schrieb sich das Wort auf die Fahnen. Mit der Veranstaltung geht es seit ein paar Jahren style-mäßig leider irgendwie bergab, Alex Ridha aka Boys Noize tritt nun zur Ehrenrettung zumindest des Namens an.

Der Boy spielt international hunderte Shows im Jahr, gilt als Schnittstelle zwischen alten Hasen und hungrigen Youngstern und beweist in seinen DJ-Sets, dass er die Scheiße aufs Allerderbste rocken kann. Genau diese Rastlosigkeit führt auch immer wieder zu Album-Outputs, die auch seinen Skills als Producer Rechnung tragen.

Der Sound bleibt zeitgemäß mit allerlei 90er-Reminiszenzen. "Overthrow" widerspricht der landläufigen These, dass Rave stets hohe BPM-Zahlen aufzuweisen hat. Vielmehr schöpft der düstere Stadiontrack nur noch mehr Energie aus der Entdeckung der Langsamkeit. Nach dem Break kommt ein superkranker Synth ins Spiel, der den Track in Gesaffelstein'sche Sphären hievt. Man grübelt die ganze Zeit, zu wie vielen Teilen analoges und digitales Klanggut da wohl versammelt sein mag. Im Gesamtbild auf jeden Fall eine sehr gelungene Kombination.

"Dynamite" featuring Gaststar Benga erinnert mit souligen Vocals und harten synthetischen Beats tatsächlich an frühe Eurodance-Hymnen, ein sehr eingängiges und fast poppiges Stück. Die Produktion der Tracks ist gewohnt fachmännisch, ohne aber in Routine zu verfallen.

Es ist die Lässigkeit, mit der Alex lockere Downbeat-Stücke wie "Revolt" einfließen lässt, die beeindruckt. Es macht sowieso Spaß, auf elektronischen Alben mehrere Styles anstatt einer stur durchballernden Bassdrum vorzufinden. Diesen Spirit unterstreicht "Starchild" feat. Polica. Der angenehm smoothe, an UK-Garage erinnernde Song erfüllt sowohl Radio- als auch Clubkriterien, von seiner hohen Musikalität einmal abgesehen. Warum eröffnet Boys Noize nicht einfach mal eine Fußball-EM?

In-Die-Fresse-Acid gibts zum Glück auch noch, für solche Soundorgien kennt und schätzt man den Wahlberliner ja vor allem. Richtig nice kommt das jedenfalls bei "Rock The Bells", einem starken Oldschool-Breaks-Banger. Just the right amount of cowbell, in this case. Wer Lust auf internationalen, vielfältigen Electro abseits von Kommerz und EDM hat, kann hier guten Gewissens zugreifen.

Trackliste

  1. 1. Overthrow
  2. 2. Mayday
  3. 3. Dynamite (feat. Benga)
  4. 4. Rock The Bells
  5. 5. Euphoria (feat. Remy Banks)
  6. 6. 2 Live
  7. 7. Would You Listen
  8. 8. Revolt
  9. 9. Starchild (feat. POLIÇA)
  10. 10. Midnight
  11. 11. Los Niños
  12. 12. Hardkotzen
  13. 13. Birthday (feat. Hudson Mohawke & Spank Rock)

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