laut.de-Kritik

Origineller Mix aus Score und hitverdächtigen Songs.

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Auf dem selbstbetitelten Album aus dem letzten Jahr deutete es sich an: Bonaparte haben keine Lust mehr, nur der personifizierte Visual Trash Punk zu sein. Ein Wandel hin zu einem gesetzteren, seriöseren Songwritertum deutete sich in Songs wie "Into The Wild" an. Jetzt liefert Bonaparte-Sänger Tobias Jundt seinen ersten Soundtrack "Becks Letzter Sommer" ab, der nur leichte Spuren der früheren Abgedrehtheit aufweist.

Die Idee, Jundt für die musikalische Untermalung der Benedict Wells-Buchverfilmung zu engagieren, stammte von Regisseur Frieder Wittich. Die Songs des Musikers (u.a. "Anti Anti") hatte er sich bereits für sein Debüt "13 Semester" geschnappt. Falls es sich bei der Vorgeschichte nicht um einen lange angelegten PR-Gag handelt – in einem 2014er Noisey-Artikel ist bereits die Rede davon -, dürfte Hauptdarsteller Christian Ulmen sich ebenfalls gefreut haben. Vor zehn Jahren spielte er mit Jundt scheinbar als Cashpunk. Eine gemeinsame Aufnahme schließt die Platte: In "Cashpunk (Live 2005)" quäken sie zu schnodderig gespielter Gitarre.

Auf die glorreiche Zeit mit der Band Cashpunk jedenfalls blickt im Film Robert Beck (Ulmen) zurück, voller Wehmut ob des vergangenen Ruhms und der verpassten Chancen als Musiker. Während er als Lehrer herumdümpelt, entdeckt er den begabten Rauli. Als dieser ihm eine entschleunigte Version von "Seven Nation Army" auf der Gitarre vorspielt, hat Beck ein Ziel: Er will dessen Karriere vorantreiben, hauptsächlich um selbst wieder ein Stück vom Kuchen des Musikgeschäfts abzubekommen. In "Istanbul", dem Track zum alles verändernden Roadtrip der Story, wummern Bässe und Drums zu Jundts unterkühlten Textzeilen verheißungsvoll.

Um diese Geschichte herum strickte Bonaparte einen klassisch aufgebauten Soundtrack, der angenehmerweise darauf verzichtet, altes Repertoire (Ausnahme: "Like An Umlaut In English (Live)") aufzuwärmen. Stattdessen komponierte er einen originären Mix aus Score und hitverdächtigen Songs mit Text. Orchestrale Klänge kombiniert der gebürtige Schweizer mit leisen Momenten und Elektro-Elementen.

Freie Bahn für rockigen Krach gibt es höchstens mal im quietschenden "Whistleblower" oder dem fiesen Ohrwurm "Chocolate Bears", der lyrisch in den gewohnten Bonaparte-Sprech verfällt: "They don't grow ponies from jelly / No marshmallow telly / Sweet caramel Jesus / Fudge pope to please us / No guitars made of cheese / They don't make any of these / I see that no one really cares / But they make chocolate bears".

Die übrigen Stücke zielen darauf ab, das Kino im Kopf anzuschmeißen, auch außerhalb der Filmszenen: Die "The Shadow Of Your Dreams"-Version mit Lias Saoudi von Fat White Family und King Khans 12-jähriger Tochter Amabelle und das pumpende Instrumental "Black Jua / Parallel Universe" wirken auch ohne die leicht surrealen, drogeninduzierten Filmszenen. Passend dazu baut sich auch das elektronisch-röhrende "Escaping Greenwood" bedrohlich auf. Die vier Variationen von "Beck's Theme" wanken mit Streichern, Bläsern, Synthies und Gitarre behutsam zwischen Melancholie und Hoffnung wie der Protagonist selbst.

Da Tobias Jundt für den Film das Stimmdouble des jungen Rauli gibt, dominiert seine markante Stimme die Vocals auf dem Soundtrack. Eine willkommene Abwechslung ist es deswegen, wenn Christian Ulmen in Bonaparte-Kumpel "Tim Fite's Big Mistake" mal die Hauptstimme übernimmt. Zu akustischen Klängen schunkelt er dabei gemütlich vor sich hin.

So ausgefeilt und ambitioniert war das Songwriting des (ehemaligen) Trash-Kaisers noch nie, selten aber auch so zahm. Etwas mehr Spektakel hätte über die 19 Tracks hinweg gut getan. Das ist am Ende natürlich den Rahmenbedingungen geschuldet. Für den Film nämlich hat Bonaparte auf "Becks Letzter Sommer" die richtigen Töne getroffen: Manchmal ein bisschen fad, aber insgesamt solide umgesetzt und versöhnlich gestimmt wie die Geschichte selbst.

Trackliste

  1. 1. Beck's Theme
  2. 2. Equinox
  3. 3. Whistleblower
  4. 4. Seven Nation Army
  5. 5. She Goes
  6. 6. The Shadow Of Your Dreams
  7. 7. Istanbul
  8. 8. Chocolate Bears
  9. 9. Tim Fite's Big Mistake feat. Christian Ulmen
  10. 10. Like An Umlaut In English (Live)
  11. 11. The Writing Of Heart
  12. 12. Beck's Theme #2 - Lenato Rubato
  13. 13. Escaping Greenwood
  14. 14. Beck's Theme #3 - Largo A Tempo
  15. 15. Black Jua / Parallel Universe
  16. 16. Beck's Theme #4 - Adante Con Spirito
  17. 17. 4 Variations On An Ending
  18. 18. The Shadow Of Your Dreams feat. Lias Saoudi & Amabelle Anjum A. Khan
  19. 19. Cashpunk (Live 2005) feat. Christian Ulmen

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