laut.de-Kritik

ADHS-Straßenrap mit wehender Memphis-Flagge.

Review von

Memphis hat sich in den vergangenen Monaten schleichend einen größeren Einfluss im modernen Hip Hop-Feld erkämpft. Nicht nur sind Rapper wie MoneyBagg Yo schon seit längerer Zeit auf dem Vormarsch, auch die Three 6 Mafia gewinnt mit Features und Referenzen zunehmend den Respekt, den sie sich als unzweifelbare Gründerväter des Traps verdient haben. Dass nun ausgerechnet ein Tanzschritt diesen Sound ins Mainstream-Bewusstsein katapultiert hat, passt da eigentlich nur zu gut ins Bild.

"Simi" von BlocBoy JB ist eine rasante und kurzweilige Fahrt zwischen dem kaltschnäuzigen Proto-Crunk eines Project Pat, dem frontalen Modus Operandi eines Juicy J und den rumpelnden Lo-Fi-Beats von Hausproduzent Tay Keith. Mit Knock und viel Staccato spannt dieser harte Piano-Akkorde oder kurze Sample-Fragmente über rumpelnde, direkte 808-Pattern.

Herzstück dieses Sounds ist der Track "Shoot". Nicht nur ist die beinahe grenzdebil repetitive Hook einer der bescheuertsten, aber unwiderstehlichen Ohrwürmer des letzten Jahres, die gesamte Energie des Songs sorgt für leichtherzigen, aufgedrehten Spaß. Die Delivery von BlocBoy JB ist unverwechselbar, hektische Stop-and-Go-Flows mit irre markanten Adlibs geben sich die Klinke in die Hand, so dass Verses und Flowpattern auf natürliche Art und Weise schnell völlig chaotisch und überfrachtet wirken.

Gerade dieses Chaos ist für BlocBoy der fruchtbare Boden, um sein eigenwilliges Charisma zur Geltung zu bringen. "No Chorus Pt. 11" übt sich in Minimalismus, "Good Day" demonstriert, wie weit JB ein einziges Flowpattern ausschlachten kann, ohne musikalisch daneben zu greifen. Dafür, dass er wie ein absurd eindimensionaler Rapper wirkt, zeigt "Simi" auch über massive 18 Titel hinweg kaum Ermüdungserscheinungen. Dafür sorgt auch Produzent Tay Keith, der immer wieder für die benötigte Abwechslung einschreitet.

Das melancholisch anmutende "Left Hand", das Latin Pop-inspirierte "Mexico" oder das schwermütige, aber hoffnungsvolle "Outro" sorgen dafür, dass der typische Sound den Hörer nicht überfrachtet. Natürlich ist nicht jeder Song ein bedingungsloser Hit, aber abgesehen von zwischenzeitlichen Längen finden sich auch keine Aussetzer auf der Platte. Am ehesten noch das äußerst unsensible "Asian Bitch", der Track über asiatische Frauen, der im Mainstream-Rap inzwischen so oft passiert, dass er selbst langsam zum Klischee wird. Reden wir nicht darüber.

Ein weiterer Grund für die Frische des Tapes sind die Feature-Gäste, die durch die Bank ihr Ding machen. Lil Pump flowt hier versierter als auf seinen eigenen Tracks, 21 Savage reichert "Rover 2.0" mit einem grimmigen, unterkühlten Kontrast zum BlocBoy an und auch YG reißt ein paar entspannte Bars runter. Außerdem wäre da natürlich noch Drake höchstpersönlich, den man ja ein wenig für den Erfolg von JB verantwortlich machen muss.

Nicht nur, weil "Look Alive" nun seit über zehn Wochen standhaft in den Top 10 der Vereinigten Staaten rangiert, sondern auch, weil es die verdammt eingängigste Hip Hop-Nummer des Jahres ist. Der Beat folgt klar der "Rover"-Formel, fügt aber ein klein bisschen mehr Schmackes und Groove hinzu. Dazu synergieren Drakes kaltschnäuzige, druckvolle Bars unerwartet fantastisch mit dem hyperaktiven BlocBoy-Drill. Auf nur etwa zweieinhalb Minuten Dauer hat diese Nummer so viel Dampf und so viel Memphis, dass man fast intuitiv den Replay-Button hämmern dürfte. Der Sound, die Energie, die Video-Location, in seinem Verse zitiert Drake sogar eine Line von Project Pats legendärem "Ghetty Green"-Album.

Außerdem zementierte diese Nummer auch den "Shoot"-Tanzschritt im öffentlichen Bewusstsein, den inzwischen auch deutsche Trunkenbolde am 1. Mai oder Childish Gambino im "This Is America"-Video gemacht haben. Ob der BlocBoy mit seinem doch eher eindimensionalen Profil wahnsinnig lange im öffentlichen Bewusstsein bleibt, ist schwer zu sagen. Aber dieses Mixtape dürfte die richtige Dosis seines Sticks sein, um Trap-Partys im aufkommenden Sommer zu befeuern. Wer Tiefgang oder entspannten Sound erwartet, sollte die Platte zwar meiden wie die Pest, aber wer sich für ADHS-Trap mit wehender Memphis-Flagge begeistert, wird "Simi" nicht ohne Ohrwurm verlassen.

Trackliste

  1. 1. Turnt Up
  2. 2. Look Alive (feat. Drake)
  3. 3. Nun Of Dat (feat. Lil Pump)
  4. 4. Good Day
  5. 5. Left Hand
  6. 6. Asian Bitch (feat. Moneybagg Yo)
  7. 7. Rover 2.0 (feat. 21 Savage)
  8. 8. Shoot
  9. 9. Wait
  10. 10. Nike Swoosh (feat. YG)
  11. 11. Mamacita
  12. 12. Mexico
  13. 13. No Velcro
  14. 14. Left Right
  15. 15. No Chorus, Pt. 11
  16. 16. Straight Drop
  17. 17. Feature
  18. 18. Outro

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