laut.de-Kritik

Dreckig und frisch statt hart und härter.

Review von

Es lohnt sich immer wieder, einen Blick über die Grenze zu werfen. Während man in Berlin mit aller Gewalt für den Eindruck sorgt, als wehe der Wind härter und härter durch Straßen und Vorgärten, erfreut wieder einmal die Eidgenossenschaft mit Rap, wie er sein sollte: "dräckig u früsch, so wi usem Ärmu gschüttlet".

Mit "Unplugged" serviert Baze den Mitschnitt zweier kuscheliger Konzerte, die im Januar 2007 im Sous Soul, einem Club in seiner Heimatstadt Bern, aufgenommen wurden. Wir hören vorwiegend Tracks aus den vorangegangenen beiden Alben "Item" und "Mis Meitli". Die Debüt-EP "Himutruurig" fällt ebenfalls nicht unter den Tisch.

Auf die Bühne stellt Baze diesen breitgefächerten Querschnitt durch sein Werk in Zusammenarbeit mit einer Live-Band: Das Ergebnis tönt nach einer durch und durch runden Sache - und das obwohl die Herren von Secundo alles andere als den typischen Hip Hop-Sound auffahren.

Im Gegenteil: Fast schon im Country-Style jagen Drums und Akustikgitarre durch "Himutruurig". In "Bärg Ab" pluckert äußerst prominent der Bass durchs Klangbild. Hier eine Spur Rockabilly ("Aus Klar?"), da ein Reggae-Offbeat, soulige Streicher und eine Prise Ska ("Guet So Wis Isch"): Eingefahrene Rap-Heads dürften mit der ganz und gar Hip Hop-unbedarften Instrumentierung einige Probleme bekommen.

Aufgeschlossenen Fans, die zudem ein Faible für die Bergsprache mitbringen, werden ihre helle Freude haben. Letzteres ist allerdings dringend vonnöten: So mühelos, wie Baze das doch eher spröde Berndeutsche in flockige Reime packt, so schwer dürfte dem ungeübten Konsumenten außerhalb der Schweiz das Verständnis fallen. Handelt es sich doch um ein Idiom, bei dem manche durch bloßes Zuhören Knoten in den Gehörgängen davon tragen.

Es rentiert sich allerdings durchaus, sich mit Bazes von tiefgründigem Humor durchzogenen Texten ein wenig Mühe zu geben. Andernfalls entgeht einem u.a. ein durchaus spaßiger Ausflug in die Dorfdisco ("Disco Disco"): "Mädels mache sech hübsch vorem Spiegu / Gängsters Hand ade Nüss, Chopf em Nicke / Mä präsentiert sech, lässig ar Wand aglehnt" - wie überall, eben.

Übergeht man die Lyrics, verpasst man die berührende Betrachtung eines nicht ganz nach Plan absolvierten Lebenslaufes in "Leider" ebenso wie die spöttische Abfuhr, die in "Ender Weniger" eine junge Dame kassiert, in deren Nippes- und Räucherstäbchenhölle einem wahrhaft das Gruseln kommt: "Nei, sorry ... äh ... ender weniger / Scho nätt u so, aber ... äh ... ender weniger / Scho intelligänt, inneri Wärt, abr nid so mi Style."

Was Baze hier unter ständigen Schäkereien mit seinem Publikum abliefert, gerät weder "Längwilig" noch vermittelt es den Eindruck, mit der Schweizer Rapszene gehe es "Bärg Ab". In Verbindung mit dem melodisch-druckvollen, satten, handgestrickten Sound wirkt der Mann aus Bern "Ender Weniger" wie ein 08/15-Rapper, wie Hunderte andere nach dem Mic schnappen.

Baze hinterlässt eher den Eindruck eines cleveren, wortgewandten Rap-Liedermachers, von dessen Sorte uns hierzulande auch der eine oder andere gar nicht schaden würde. "Aus Klar?"

Trackliste

  1. 1. Mis
  2. 2. Himutruurig
  3. 3. Bärg Ab
  4. 4. Längwilig
  5. 5. Herbscht I Mirä Stadt
  6. 6. Leider
  7. 7. Leider Hätts Nie
  8. 8. Disco Disco
  9. 9. Cha Nüt Drfür
  10. 10. Guet So Wies Isch
  11. 11. Wohärä Geisch?
  12. 12. Tolle Typ
  13. 13. Aus
  14. 14. Morn Wider Nümm
  15. 15. Ender Weniger
  16. 16. Aus Klar?

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Baze

"In einem anständigen Land braucht man nicht auch noch anständige Musik zu machen." Mit diesem Credo, irrem Sprach- und Rhythmusgefühl, einer entgegen …

3 Kommentare

  • Vor 16 Jahren

    endlich mal mehr schweizer rap :)

  • Vor 16 Jahren

    ja.
    immer her damit!

    ... und wie ich mein schweizer publikum kenne, wird man sich wieder gediegen über meine versuche beömmeln, berndeutsche texte zu zitieren.

    viel vergnügen dabei. :D

  • Vor 16 Jahren

    geile review, herr fromm :D und gut hast dus gemacht mit der traskription der sprache unserer schönen bundeshauptstadt. (obwohl man hier natürlich einwerfen kann, dass die eh schon so dermassen langsam sprechen, dass ein mithören keine grosse sache mehr darstellt ;) ) obwohl dieser argumentation ja "himmutruurig" wieder sämtlichen wind aus den segeln nimmt.

    baze ist fürwahr einer der sympathischen lichtblicke in unserer overground-szene, das kommt eindrücklich rüber.
    :feier: