laut.de-Kritik

Easy Listening mit Stil und Anspruch.

Review von

Genau ein Vierteljahrhundert ist es her, dass Barbra Streisand mit "Guilty" nicht nur einen großen Singlehit zusammen mit Bee Gees-Sänger Barry Gibb landete, sondern auch gleich ein ganzes Album mit ihm produzierte. Mit "What Kind Of Fool" und "Woman In Love" warf diese Veröffentlichung noch zwei weitere weltweite Chartserfolge ab. Jetzt liegt eine Fortsetzung der 1980 erfolgreichen Zusammenarbeit vor.

Auf der damaligen LP posierten Barbra und Barry eng umschlungen ganz in weiß. 2005 sind Cover und Künstler nahezu identisch in Szene gesetzt, Kleidung und Hintergrund diesmal allerdings in schwarz gehalten. Eine Korrespondenz mit der Vergangenheit ist also bereits im Erscheinungsbild der CD zu entdecken. In den mittlerweile verflossenen Jahrzehnten hat Barry zwar viel von seinem einstmals prächtigen Haarschopf eingebüßt. Doch von dem Gespür, passende Soundgewänder für Barbra Streisand zu schneidern, ist nichts verloren. Die neuen Kompositionen klingen frisch und inspiriert. "Guilty Pleasures" knüpft als eigenständiges Werk an das erste Miteinander der beiden im Jahre 1980 an.

Die gesanglichen Fähigkeiten der beiden Künstler unterscheiden sich von jeher. Hier die Streisand, die mit Volumen, Intensität und Klarheit jedem Song einen einzigartigen Stempel aufdrückt, dort der Bee Gees-Vorsänger, dessen stimmlich doch eindeutig limitierteren Möglichkeiten ihm einen enger gesteckten Rahmen vorgeben. Doch gerade das Gegensätzliche zwischen den zwei Interpreten streut die rechte Würze in die gesangliche Zusammenarbeit.

Die Doo Woop-Hommage "Come Tomorrow" als Opener lehnt sich beschwingt an den Beat der frühen fünfziger Jahre. Im elegant funkelnden "Hideaway" spielt die Streisand ihre ganze Klasse und ihr ganzes Können aus. Sie schreitet leichtfüßig durch die vorbereitende Eröffnung, setzt zum Break an und führt den gefesselten Hörer mühelos durch einen immer weiter aufblühenden Titel. Mit einigen kurzen, vertiefenden Variationen beendet Barbra den Song mit gefühlvollen Schlussakkorden. Ab und an setzt Barry mit seinen dezenten und zurückhaltenden Hintergrundparts ergänzende Akzente. Das ist punktgenaue Kompositions- und Arrangementarbeit, effektiv auf den Punkt instrumentiert und nuanciert von einer Ausnahmekünstlerin in Szene gesetzt.

"Night Of My Life" fällt etwas ab in Sachen Qualität. Der Titel ist allzu vordergründig als Discostampfer konzipiert und vermag mit seinen etwas platten 70iger-Reminiszenzen nicht recht zu zünden. Mit "Above The Law", "Stranger In A Strange Land" und "Without Your Love" tanzt Barbra Streisand selbstbewusst über die große Bühne der leidenschaftlichen Emotionen inmitten schwelgerischer Orchesterlandschaften. In "Dawn" ist der Titel auch musikalisch Programm: Mit leichter Hand skizziert die Sängerin Augenblicke im streichelnden Wind einer verliebten Abenddämmerung. Sanfte und einschmeichelnde Sounds verzaubern den Hörer.

Es kommt der Gesamtproduktion zugute, dass Barry Gibb bei den Kompositionen nicht der Versuchung erlegen ist, etwa nur das Erfolgsmaterial der Vergangenheit zu kopieren. Kein Titel erinnert an "Guilty", und es ist spürbar, dass der Komponist sehr viel Wert auf Abwechslungs- und Facettenreichtum der einzelnen Songs gelegt hat.

Über die gesamte Länge des Albums hinweg fasziniert die Interpretationstechnik der Streisand. Ganz klar: Mit ihren heute 63 Jahren ist auch an Barbras Stimme die Zeit nicht spurlos vorübergegangen. Doch kann sie ihr die einzigartige Stilsicherheit nicht nehmen. Warmherzig, mit dem unnachahmlich nasalen Unterton in einigen Bereichen, verfeinert die Künstlerin mit viel Raffinement die ihr auf den Leib geschriebenen Kompositionen. Allerlei andere Namen beackern seit Jahrzehnten ebenfalls dieses Terrain - und ob sie nun Celine Dion oder Laura Pausini heißen, bleibt nebensächlich. Sie tauchen auf und verschwinden, Barbra Streisand bleibt der einzig unverrückbare Fixpunkt im Mixbereich von Lounge-Tracks, Pop und Musical. Diese Allround-Künstlerin stellt nach wie vor ein allzeit gültiges Maß der Dinge dar, wenn es um Easy Listening mit Stil und Anspruch geht.

Bahnbrechende Innovationen oder gar waghalsige Experimente sind nicht zu finden auf "Guilty Pleasures". Dennoch entsteht zu keinem Zeitpunkt der Eindruck, dass hier lediglich eine allzu routinierte Fingerübung abgeliefert wird. Die Chemie ist stimmig zwischen Barbra Streisand und Barry Gibb. "Guilty Pleasures" zeigt sich als qualitativ adäquater Nachfolger der beiden letzten Studioalben "Back To Broadway" und "A Love Like Ours". Und von "Guilty" selbstverständlich auch.

Trackliste

  1. 1. Come Tomorrow - Duet With Barry Gibb
  2. 2. Stranger In A Strange Land - Album Version
  3. 3. Hideaway - Album Version
  4. 4. It's Up To You - Album Version
  5. 5. Night Of My Life - Album Version
  6. 6. Above The Law - Duet with Barry Gibb
  7. 7. Without Your Love - Album Version
  8. 8. All The Children - Album Version
  9. 9. Golden Dawn - Album Version
  10. 10. (Our Love) Don't Throw It All Away
  11. 11. Letting Go

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