5. Oktober 2016

"Xavier Naidoo ist ein Guter"

Interview geführt von

Wir sprachen mit Afrob über das aktuelle Album "Mutterschiff", sein außergewöhnliches Cover, seine Liebe zum Jazz, den Einsatz von Autotune und die fremdenfeindliche Aussage von CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer.

Afrob gehört noch lange nicht zum alten Eisen. Nach seinem Comeback "Push" und der ASD-Platte "Blockbasta" ist mit "Mutterschiff" das dritte Album im dritten Jahr erschienen. Es ist an der Zeit, mal eingehender mit dem Stuttgarter zu sprechen.

Zuallererst: Toll, dass du mit uns sprichst. Deine letzten beiden Soloalben schnitten bei uns ja nicht so gut ab.

Afrob: Ihr habt das Album "Push" nicht gut bewertet?

Hat leider nur 2 von 5 bekommen.

Also das ist irrational. Dann hat das mit meiner Person zu tun, aber nicht mit der Musik, weil ich habe selten so gute Resonanzen für ein Album bekommen wie bei "Push". Aber es ist okay, ich bin ja kein Hater. Ich rede gerne mit euch.

Das finde ich klasse, dass du da locker bist. In jüngerer Vergangenheit haben sich einige Künstler darüber echauffiert.

Das ist okay, ihr dürft das ja auch ruhig machen.

Dann lass uns über "Mutterschiff" sprechen. Mir ist direkt aufgefallen, dass du viel Freude ausstrahlst und mit großem Elan deine Musik machst. Wo nimmst du diese Energie her?

Weil mir die Musik einfach Spaß macht, und ich Lust habe, auf die Beats zu rappen. Im Studio klingt es immer relativ gut, wenn ich da meine Vocals drauf habe, und ich hatte dabei stets das Gefühl, ich habe etwas geschafft. Mir macht sowieso dieser schöpferische Vorgang sehr viel Spaß, aus dem Nichts etwas zu kreieren, was vorher nicht da war. Ich bin sehr gerne im Studio.

Konntest du dieses Schöpferische bei "Mutterschiff" eher ausleben als bei deinen anderen Alben oder war das schon immer so?

Ja, das schlummerte schon in mir, aber ich kann jetzt viel befreiter und unbefangener Musik machen. Ich habe nicht so den Druck, weil ich nicht bei einem Majorlabel gesignt bin. Ich kann eigentlich machen, was ich möchte. Wenn ich eine bestimmte Idee oder Vision habe, dann kann ich auch daran arbeiten, ohne jetzt Angst zu haben, was die Geschäftsführung oder das Büro dazu sagt. Du musst ja immer Hand in Hand mit deiner Firma Konzeptionen erarbeiten, damit du den Enthusiasmus im Office behältst und sie diese ein, zwei, drei Anrufe mehr für dich machen. In diesem Fall konnte meine Vision voll ausleben und das ist dann viel leichter.

Würdest du dann jüngeren Künstlern raten, eher bei einem kleinen Label zu signen, weil man sich da mehr seinen eigenen Kreationen hingeben kann?

Per se kann man das nicht jedem raten. Aber ich glaube, wenn jemand relativ erfolgreich ist mit YouTube-Klicks und Konzerten, bei denen 200 bis 300 Leute kommen, würde ich niemals bei einem Major signen. Ein Major hat natürlich auch Vorteile, sie sind auch nicht mehr diese Gifthähne, die sie früher mal waren. Die sind da auch schon lockerer, aber es kommt eben darauf an: Wenn du hingehst, und du hast eine Vision und kannst die auch verkaufen, dann sind die auch meistens dabei. Wenn du es aber selbst nicht weißt, wo du hingehen möchtest, dann haben die Majors eine Vision für dich und da tun sich viele Künstler damit schwer. Aber ich rate jedem Künstler nach seinem eigenen Gefühl zu gehenund auch diese Selber-Machen-Option nie ganz auszuschließen.

Du hast dich beim Cover von Miles Davis' "Bitches Brew" inspirieren lassen. Wie kamst du zu einem Jazzinterpreten?

Ich höre schon lange Jazz, schon als 17-Jähriger. Ich hatte so eine Art Mentor, der hat mich an die ganzen Jazzsachen heran geführt. Ich fand diese Illustration von "Bitches Brew" seit jeher so schön! Ich wollte schon immer was Illustriertes machen, aber das ist dermaßen kosten- und zeitaufwändig, dass ich es dieses Mal wieder nicht geschafft habe und deshalb sind wir an der Collage hängen geblieben. Ich kann das Cover von Miles Davis nicht wirklich einordnen oder erklären, was es bedeuten soll, aber es sieht wunderschön aus und ich habe mich inspirieren lassen, und ja, ich bin einfach großer Jazzfan.

Was für Jazzkünstler hörst du noch außer Miles Davis?

Ich bin ein riesen Bill Evans-Fan, weil ich eher die Jazzpianisten mag. Bobby Timmons, der leider zu früh verstorben ist. Den eher poppigeren Jazz mag ich jetzt nicht so sehr, wie z.b. Thelonious Monk. Aber es gibt viele Sachen, dich mich ansprechen: Yusef Lateef oder Charlie Bird. Ich bin da schon richtig drin in der Materie, leider nur bei den alten Sachen. Bei neueren Jazzgruppen habe ich nicht das gleiche Gefühl wie bei den Künstlern aus den 50er, 60er und 70ern. Diese ganze Bebop-Ära gefällt mir sehr.

Bezüglich der Farbe des Covers: warum ist es braun geworden? Deine beiden Vorabsingles hatten jeweils das gleiche Cover, aber eine andere Farbe.

Ja da hast du recht, im Original war das schon eine andere Farbe, Richtung grau-grünlich und es hatte schon was. Aber dann habe ich das durch einen Foto-Filter gejagt und es kamen recht interessante Sachen dabei raus. Ich habe mit meinem Grafiker gesprochen und dann sind wir auf diese Farbe gekommen. Das Braun ist einfach geblieben, da gab es jetzt keinen besonderen Grund. Es wirkt trotzdem sachlich und kräftig, also ich finde es sehr gelungen. Ich sehe es in Berlin fast überall hängen und es ist auf jeden Fall ein Hingucker.

"Ich hatte keine Sureshots mit Backpacker-Style und 95 Bpm auf die Fresse"

In den "Mutterschiff"-Texten geht es oft um Sinnsuche, Lebensweisheiten - du hast viele nachdenkliche Songs. Ist das eine nun ausgeprägte Seite von dir, weil du völlige Freiheit bei der Albumproduktion hast?

Also zunächst ist mmer noch der kräftige Afrob-Sound da, aber es ist insgesamt etwas langsamer. Da steckt auch die Idee dahinter, Tempo rauszunehmen, Platz lassen für die Vocals und die Instrumentierung, damit man auch besser mischen kann. Dann sind es nicht mehr 20 Spuren, sondern vielleicht nur 15. Ich finde, es klingt immer noch kräftig und gut produziert, aber wie gesagt, durch die Freiheiten, die ich hatte, konnte ich mir erlauben zu sagen: Ich mache jetzt vielleicht schwerpunktmäßig etwas anderes und trau mich das dann auch. Und nicht nur diese Sureshots, Backpacker-Style mit 94/95 Bpm, immer schön auf die Fresse und diese Effekthascherei. All das hatte ich dieses Mal nicht, und ich fand, das war der richtige Zeitpunkt. Ich wollte diese musikalische Seite in mir ausleben und zeigen. Ich habe mich gut gefühlt dabei, und deshalb ist "Mutterschiff" jetzt auch so geworden.

Ich wollte zudem auch nicht irgendwas erfinden, alles auf der Platte ist auch so passiert. Diese Selbstreflexion über das Geschehene der letzten Jahre, was man da durchmacht: Die Antworten auf Fragen finden, die man sich die ganze Zeit stellt, die vorhandenen Perspektiven, mit dem Älterwerden, möchte ich Familie oder nicht. Die Sachen im Großen spiegeln sich ja auch im Kleinen wider und haben Auswirkungen auf den Menschen selbst. Es ist in jedem Fall selbstreflektierend.

Die Platte wirkt sehr diversifiziert vom Sound her, du hast Trap, Streetrap, Cloud etc. Wolltest du zeigen, dass du alles bedienen kannst?

Ich glaube, das war schon immer mein Markenzeichen. Auf meinen Platten hört man, dass ich ein Musikliebhaber bin und ich Rap in all seinen Facetten mag. Ich mag die Golden Era-Mucke, aber ich mag auch die neuen Trap-Sachen. Ich mag diese einladende genauso wie die ignorante Musik, bei der es überhaupt keine Melodie gibt, obwohl ich eigentlich Melodien mag. Deswegen spiegelt sich das auf all meinen Platten gut wider. In dieser Hinsicht ist das auch keine Überraschung, wenn man sich mit meinen Alben beschäftigt hat, dann weiß man, dass das Rap-Genre einmal hoch und runter geht auf meinen Platten.

Wie gesagt, es macht mir alles Spaß und mich möchte auf nichts verzichten - aber da ist das ein Problem für mich. Wenn ich einen Beat höre, der geil klingt, aber von der Idee oder von der Konzeption eigentlich nicht auf die Platte passt, mache ich es dann trotzdem und versuche das Homogene und den roten Faden durch das Tracklisting zu lösen. Das ist dann immer eine Herausforderung.

Hast du deswegen mit verschiedenen Produzenten zusammengearbeitet, damit du die vielen verschiedenen Sounds auch bekommst, und wie wichtig ist dir dabei das Verhältnis zu deinen Produzenten?

Ich kann gar nicht in Worte fassen, wie wichtig mir das Verhältnis mit Produzenten ist, die mir die Beats und die Musik bringen. Ich rede immer viel mit denen, und ich habe ein gutes, freundschaftliches Verhältnis mit meinen Core-Producern, sei es jetzt Rik Marvel oder DJ Rocky oder Phono, die auch auf dieser Platte mitgearbeitet haben. Abaz ist neu dazugekommen, der hat mir diesen Sound gebracht, den ich gern haben wollte: Diese Schwere, diese Endlosigkeit und diesen Soundscape, den er benutzt.

Es ist schon so, dass es Vorgaben gibt, aber meistens gehe ich zu den Leuten, wo ich genau weiß, was ich für einen Sound bekomme. Ich setze mich da nicht hin und verlange vom Produzenten etwas ganz anderes, was er sonst nicht macht – sowas würde ich nicht machen, weil es zu nichts führt. Man würde 10 bis 15 Beats oder was weiß ich benötigen, bis man zum gewünschten Sound kommt. Es ist etwas sehr natürliches, die Produzenten kennen mich auch sehr gut und können einschätzen, wie ich auf was klinge. Von daher ist ein enges Verhältnis sehr wichtig. Bevor es überhaupt ins Studio geht, reden wir sehr viel über Musik und Instrumentierung.

Findest du, dass Produzenten nicht genug wert geschätzt werden?

Auf jeden Fall. Das sind die Jungs, die den Sound machen für uns ALLE, nicht nur für mich. Ich finde, dass die Produzenten viel zu wenig Anerkennung und Aufmerksamkeit bekommen. Deshalb sage ich nach außen immer, dass es ohne die Produzenten für mich nicht geht.

In deinem Booklet und hiten auf der CD hast du ja auch bei jedem Song notiert, wer ihn produziert hat, sodass du ihnen Credit gibst.

Unbedingt, das ist wichtig.

Wenn du und deine Produzenten die Beats im Studio basteln, bist du dann perfektionistisch veranlagt? Muss jede Hi-Hat und jede Snare auf die Sekunde genau sitzen?

Man muss einfach die jeweilige Situation erkennen. Klar gibt es Momente, bei denen jede Hi-Hat genauso so sein muss. Aber ich bin ein Mensch, der sagt: Nicht perfekt ist manchmal genau richtig, dabei ist eher das Gefühl wichtig. Bei den Beats schaffen die Snares oder Hi-Hats die Ordnung und wenn ich höre, dass da überhaupt nichts stimmt, machen mir solche Dinger trotzdem Spaß. Ordnung muss auf jeden Fall sein, aber es muss nicht immer perfekt sein. Manchmal ist es eben unperfekt perfekt (lacht).

Je nach Beat oder Schnelligkeit des Tracks muss man sich anpassen können. Bei langsamen Tracks braucht man unbedingt die Ordnung, bei etwas schnelleren Tracks geht es meistens um das Gefühl und weniger um perfekte Beats.

Oft ist es auch so, dass man bei schnellen Tracks ein Flow-Gefühl braucht. Man transportiert viel Text und da müssen die Raps fließen.

Ja genau, du bist ja voll der Pro, siehst das wie ich.

In der zweiten Albumhälfte verwendest du sehr häufig Autotune. Ist das für dich der so genannte Future-Sound?

Autotune ist ja ein Politikum und da gibt es auch keine rationale Debatte. Der Keep-it-real-Faktor ist einfach nicht mehr da, wenn man Autotune benutzt. Ich hab da aber keine Berührungsängste. Alles, was ich mit Autotune gemacht habe, hätte ich auch singen können – ohne Ausnahme. Manche benutzen Autotune zum Fixen, weil sie nicht richtig singen können, aber bei mir war es eher ein Effekt.

Diese Symbiose aus den langsamen Beats mit den Abaz-Sachen, der diesen angeblichen Zukunftssound hat, ist für mich einfach perfekt. Das Autotune, die Schwere der Musik und die Instrumentierung waren insgesamt sehr stimmig und passend.

Einige verwenden Autotune, weil sie sich nicht richtig trauen, etwas zu singen und verstecken sich dahinter ein wenig. Du hast es hingegen als Ergänzung zu deinen Sounds gesehen.

Exakt. Und da steht jedem ein bisschen Gelassenheit ganz gut, würde ich sagen. Wenn man da ein, zwei Autotune-Tracks auf einem Album hat – meine Güte, der Rest ist doch das gewohnte Boomboom-Tschack. Es ist genügend da und diese Ausflüge, die man sich als Artist gönnt, etwas Anderes auf die Platte zu nehmen, stehen jedem zu, ohne, dass man gleich sagt: Ich finde diesen Artist voll scheiße deswegen (lacht). Ich war letztens in der Disco und es kam eine T-Pain-Voll-Autotune-Hook und da sind alle ausgerastet. Da wird nicht diskutiert: Ja das ist Autotune, da singe und tanze ich jetzt nicht mit. Die ganze Autotune-Diskussion ist komplett irrational. Man mag es oder man mag es eben nicht.

"Es findet eine Entmenschlichung statt."

Du hast mit M.A.M einen Nachwuchsrapper auf "Mutterschiff". Siehst du es als deine Pflicht an, jungen Künstlern eine Plattform zu geben?

Also meine Pflicht ist es nicht. Es ist immer schwierig mit Leuten zu arbeiten. Vor allem wenn du in der Verantwortung bist, wenn etwas nicht funktioniert oder nicht läuft. Du weißt ja, wer dann schuld ist – der Artist selbst (lacht). Aber ich habe das immer gerne gemacht auf meinen Platten, es waren immer Leute drauf, die mehr oder weniger bekannt waren. Ich hatte auch oft weibliche Rapperinnen, nicht nur Frauen, die gesungen haben.

Bei M.A.M war es so: Ich habe ihn auf einem Konzert in Hamburg gesehen, und er hat mir super gut gefallen. Wir haben uns kurz unterhalten nach der Show, haben uns noch mal getroffen und ich ihn gefragt, ob er sich das vorstellen kann, und er hat direkt zugesagt. Er hat eine super Strophe abgeliefert, und was mich auf jeden Fall freut ist, wenn junge Künstler Musik machen mit einer gewissen Ernsthaftigkeit, und die bringt er mit.

Also ist es für dich einfacher, mit jungen Künstlern zu arbeiten, die schon einen gewissen Plan haben?

Ich weiß nicht, wie ich diese Frage beantworten soll. Also klar, da gehören bestimmte Attribute dazu, was für eine Agenda oder Vision die Künstler haben. Ich sag ja immer: 20 Prozent Talent, 80 Prozent Charakter. Damit man auch weiß, was man kann und nicht kann, man sieht die Möglichkeiten und nutzt jede Chance, die sich einem bietet. Wenn jemand mit einer guten Portion Selbstreflexion an den Start geht, ist das ein Vorteil, aber das heißt erst mal noch nix.

Dein Kollege Samy Deluxe war in der letzten Staffel Sing meinen Song dabei. Wäre das eine Show, in der du ebenfalls teilnehmen würdest?

Weiß ich nicht, aber ausschließen kann ich es auf keinen Fall. Ich habe keine Angst vor so etwas, und wenn ich mich gut fühle und die Leute, die da mitmachen, relativ cool sind, warum nicht. Zu Samy hab ich gesagt, er soll es unbedingt machen und das war ja auch gut!

Kam dadurch der Kontakt zu deinem Feature-Kollegen Xavier Naidoo zustande?

Genau, wir kennen uns ja schon lange. Ich habe zu Samy gesagt, er soll auf jeden Fall Xavier das Instrumental zeigen, und Samy kommt da nicht drum herum! Die hatten in Südafrika das ganze Equipment auch vor Ort wie Audiointerface, Mikrophon etc. Ich habe gleich gesagt, er soll es am besten dort machen, denn wenn er in Deutschland ist, bekommt man den Xavier nicht mehr ans Telefon. Aber genau das Gegenteil war der Fall: Er kam hierher und hat das im Studio aufgenommen. Ich bin echt dankbar, wie unkompliziert er ist. Er ist auf jeden Fall ein Guter. Ich bin froh und sehr stolz, dass er auf der Platte ist.

Zum Schluss noch eine aktuelle Sache: Du hast am 20. September einen Tweet als Reaktion auf eine Aussage von CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer bezüglich eines fiktiven Senegalesen abgesetzt. Anscheinend hat er es nicht ganz genau so gesagt, wie von den Medien zitiert. Hast du mittlerweile das korrekte Zitat gelesen?

Ganz ehrlich, ich hab auch noch recherchiert und nur diese Aussage gefunden. Ich weiß auch, dass er das in Regensburg gesagt hat und der RB war vor Ort und alle haben ihn so zitiert. Es ist auch egal, ob er es haargenau so gesagt hat, wenn am Ende der O-Ton der gleiche ist, dann geht das natürlich nicht. Wie hat er es denn gesagt?

Das korrekte Zitat lautet: "Das Schlimmste ist ein fußballspielender, ministrierender Senegalese, der über drei Jahre da ist. Weil den wirst du nie wieder abschieben. Aber für den ist das Asylrecht nicht gemacht, sondern der ist Wirtschaftsflüchtling."

Ja, okay. Aber im Prinzip sagt er eben das Gleiche. Ich möchte mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, und deshalb mach ich das jetzt auch nicht (lacht). Aber es ist schon so, dass die Daseinsberechtigung in Frage gestellt wird, die Legitimation hier zu sein. Da macht kein Mensch auf der Straße einen Unterschied und das wäre die Spitze des Eisbergs, wäre es tatsächlich so.

Ich fühle mich, durch das, was er sagt, einfach unerwünscht. Die Außenwirkung von jemandem, der einer Regierungspartei angehört, der Generalsekretär ist und so etwas sagt - das kann man gar nicht in Worte fassen. Ich bin entsetzt, dass der einfach so damit durchkommt. Hätte das ein AfD-Mitglied gesagt, dann wäre das erste Seite Bildzeitung all over the place. Was mich ärgert ist, dass sich die Empörung wieder mal in Grenzen hält und es gibt ja keinen Aufschrei. Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann sitzt bei "Hart aber Fair" und sagt sowas wie "Roberto Blanco war ein guter Neger", und keiner ärgert sich drüber. Dann kommt da der Scheuer und sagt, was über einen Senegalesen, der nicht mal kriminell ist. Der geht in die Kirche und spielt Fußball!

Das ist normal, und der Scheuer macht daraus so etwas wie einen Vorwurf.

Ja, genau! Ich weiß ja nicht, aber entweder es sagt jetzt jemand was, oder es gibt grünes Licht für alle auf dieser bestimmen Ethnie herumzureiten. Mit dem Wirtschaftsflüchtling hat er zwar vom Papier her recht, aber die Menschen machen keinen Unterschied, wenn sie einen Schwarzen sehen, ob der ein Wirtschaftsflüchtling ist oder ob das Asylrecht anzuwenden ist. Für mich ist das übelste Hetze, und ich muss ehrlich sagen, dass da eine Entmenschlichung stattfindet.

Übrigens habe ich nicht als Musiker reagiert, sondern als Mensch, der so was unmöglich findet. Deswegen hab ich da 'Sieg Heil!' geschrieben. Ich versuche da gar nicht meine Marke zu schützen. Ich habe nicht als Afrob der Rapper gesprochen, sondern als Robert, der hier lebt, sich integriert hat und alles gemacht hat, was die Leute von einem erwarten. Ich kann alle 16 Bundesländer aufzählen, ich kann fast alle Parteien im Bundestag aufzählen, ich kenne fast alle Kaiser in Deutschland. Ich bin vertraut mit den Traditionen, Gewohnheiten und Gepflogenheiten in diesem Land und dann muss ich so etwas lesen? Ich frage mich halt: Bin ich hier der Verrückte? Nein! Und das ist eben ein Problem, das man ansprechen muss.

Es gibt zudem keine Lobby für Senegalesen oder Afrikaner im Allgemeinen und da muss man keine Angst haben, wenn man solche Äußerungen von sich lässt, weil da einfach nichts passiert. Da muss keiner zurücktreten deswegen.

Erfordern deshalb die Umstände, dass sich Musiker politisch äußern müssen? Eko Fresh und vor allem Jennifer Rostock haben beispielsweise Anti-AfD-Songs produziert.

Ich bin kein guter Repräsentant für die schwarze Community in Deutschland, aber mich hat das so hart getroffen, deshalb habe ich das gepostet. Wenn andere Musiker das machen, finde ich das gut und lobenswert. Leider ist das Interesse von der Bevölkerung an Politik und solchen Themen nicht wirklich vorhanden. Das ist sehr schade.

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