11. Februar 2013

"Schwierig wurde es nur, wenn es um die Musik ging"

Interview geführt von

Wenn man Liebeskummer hat, gibt es zwei Möglichkeiten: entweder man verkriecht sich allein Zuhause, stellt alles und jeden in Frage und verschwindet für geraume Zeit in einer Dunstglocke voller Selbstmitleid und Tristesse. Oder aber man sucht – gewollt oder nicht – den Austausch mit Gleichgesinnten, um sich vom Schmerz zu befreien und Verständnis aufzusaugen. Adam Green und Binki Shapiro entscheiden sich bei Herzschmerz-Angelegenheiten eher für Letzteres.So trafen sich die beiden Künstler im letzten Jahr im New Yorker Apartment von Adam Green, schmissen Dutzende Karteikärtchen aufs Bett und fingen gemeinsam an, Songs zu schreiben. Das Ergebnis ist ein Album zweier Menschen, die versuchen, die jeweils grauen Wolken des anderen zu vertreiben, ohne dabei aber sich selbst aus den Augen zu verlieren. Wir sprachen mit dem Duo über das Duett-Debüt, vorschnelle Schlagzeilen und Beziehungsdramen.

Hallo, ihr zwei, wie geht es euch?

Adam: Oh, mir geht es gut, ziemlich gut sogar.

Binki: Ich bin gerade erst aus dem Bett gefallen, daher verzeih, sollte ich im Laufe des Interviews wie neben der Spur wirken (lacht). Aber ansonsten geht es mir auch gut.

Das sah vor einigen Monaten aber noch ganz anders aus, richtig?

Adam: Ja, wir hatten beide ziemlich zu kämpfen. Allerdings wird es in den Medien etwas zu drastisch dargestellt. Alle reden von einem Trennungs-Album. Das ist so ja nicht ganz richtig.

Dann pack doch jetzt die Chance beim Schopfe und bring Licht ins Dunkel.

Adam: Ich kenne Binki jetzt schon seit vielen Jahren und ich wollte schon immer einmal mit ihr zusammenarbeiten. Als wir uns dann im letzten Jahr in New York trafen und uns endlich Raum schaffen konnten, um an einer Zusammenarbeit zu feilen, war die Welt noch völlig in Ordnung – zumindest oberflächlich. Dass wir beide zu der Zeit allerdings schon lange in Beziehungen festsaßen, die dem Ende geweiht waren, wurde uns erst bewusst, als wir bereits fast die Hälfte der Songs für das Album fertig hatten.

Insofern ist das, was in der Presse über die Platte geschrieben wird, nämlich, dass sie auf einer Art Herzschmerz-Basis entstanden sei, nicht ganz korrekt. Ich würde schon sagen, dass ich zwar jemand bin, der seinen Kummer mitunter ganz gerne teilt, aber zu behaupten, dass Album wäre nur entstanden, weil sich zwei Beziehungsgeschädigte zur rechten Zeit am rechten Ort getroffen haben, ist schlichtweg falsch.

Binki: Aber es ist natürlich so, dass unser damaliges Liebes-Dilemma mit Sicherheit seine Spuren auf dem Album hinterlassen hat.

Siehst du das auch so, Adam?

Adam: Ja, natürlich. Es geht mir nur darum, dass die Leute nicht denken sollen, dass wir uns nur aufgrund dessen zu einer Zusammenarbeit entschlossen hätten.

Wir saßen auf dem Bett, haben guten Rotwein getrunken und einfach geguckt, was passiert

Demnach würde das Album anders klingen, wenn ihr beide während der Aufnahmen "glücklich" gewesen wärt?

Adam: Das ist eine gute Frage, auf die ich nicht wirklich eine Antwort habe. Ich denke nicht, dass es ein richtig hibbeliges Album geworden wäre, wenn wir beide seinerzeit keine Probleme in unseren Beziehungen gehabt hätten. Was meinst du, Binki?

Binki: Musikalisch hätte sich wahrscheinlich nicht viel verändert, denke ich. Aber natürlich hätten die Songs textlich ganz andere Aufhänger. Wenn man nicht gerade ein Konzeptalbum schreibt, dann verarbeitet man doch in der Regel immer das Hier und Jetzt, zumindest in den meisten Fällen.

Adam: Naja, ein bisschen mehr positiven Schwung hätte das Album wohl schon bekommen (lacht).

Unzufrieden?

Adam: Nein, ganz im Gegenteil. Ich wäre nur unzufrieden, wenn das Album so klingen würde wie es klingt, obwohl mir während der Zeit des Entstehens die Sonne aus dem Arsch geschienen hätte (lacht).

Es wäre sicherlich spannend zu sehen, wie ein gemeinsames Album von euch beiden klingen würde, das unter anderen emotionalen Umständen entsteht. Gibt es vielleicht schon Pläne für eine weitere Zusammenarbeit?

Adam: Das kann man jetzt noch nicht sagen. Wir sind froh und unheimlich stolz auf dieses Album hier. Aber wir haben ja auch noch unsere Solo-Karrieren, die wir keineswegs auf Eis legen wollen.

Binki: Man wird sehen, aber ich denke schon, dass wir uns bestimmt irgendwann noch einmal treffen werden (lacht).

Wie schwer war es denn für euch, sich beim Songwriting in die Lage des jeweils anderen zu versetzen?

Adam: Das war natürlich eine ziemliche Herausforderung. Wir wollten nicht, dass jeder nur seinen eigenen Müll ablädt. Wir wollten als Team arbeiten. Jeder sollte sich dem anderen gegenüber so gut es geht öffnen. Das war nicht immer einfach, denn gerade zum Ende hin kam schon ziemlich viel Intimes zum Vorschein.

Binki: Das ist das wirklich Spannende an dem Album; dieser ständige Versuch mit den Augen des anderen zu sehen.

Adam: Dafür haben wir uns aber auch ein schönes Umfeld geschaffen. Wir saßen auf dem Bett, haben guten Rotwein getrunken und einfach geguckt, was passiert. Manchmal sind wir auch einfach zusammen durch New York gelaufen und haben uns dort inspirieren lassen. Es war eine anstrengende, aber auch sehr schöne Zeit.

Binki: Schwierig wurde es eigentlich immer nur dann, wenn es um die Musik ging (lacht).

Aha?

Binki: Textlich gab es nie Probleme. Adam und ich können über dieselben verrückten Dinge lachen. Das ist immer eine gute Basis, wenn man zusammen schreiben will. Aber musikalisch kommen wir doch aus verschiedenen Richtungen. Da war es dann nicht immer ganz so einfach. Aber es war auch toll, immer wieder auf einen Kompromiss hinzuarbeiten.

Adam: Genau, so eine Situation hat man ja als Solokünstler sonst eher selten. Man muss plötzlich eigene Wünsche und Ideen zurückstecken. Das ist schwierig, aber auch unheimlich wichtig. Vor allem wenn man im Nachhinein merkt, dass es dem Ergebnis gut getan hat. Vier Ohren hören einfach mehr als zwei. Das mag zwar plump klingen, aber es ist einfach so. Außerdem tut es auch mal ganz gut, die Eitelkeit und diese ich-weiß-am-besten-wie-es-läuft-Gedanken irgendwo in der Ecke abzustellen und auf jemanden zu hören, der einem ganz neue Horizonte eröffnet.

Binki: Das hast du schön gesagt, Adam (lacht).

Adam: Oh, sehr gerne; nichts als die Wahrheit.

"Vier Ohren hören einfach mehr als zwei"

Zwei erfolgreiche junge Künstler arbeiten zusammen während es in den Beziehungen von beiden gerade kriselt. Kommt man sich da nicht automatisch näher?

Adam: Nein, nicht unbedingt. Binki ist eine wundervolle Frau, ohne Frage. Aber es ging nur um die Arbeit.

Binki lacht, während du nur kurz und knapp verneinst; man könnte fast meinen, hier will gerade jemand nicht so richtig mit der Sprache rausrücken.

Adam: Nein, wirklich. Wir sind nur gute Freunde und das wird auch so bleiben. So viel Kitsch wäre auch des Guten zu viel, meinst du nicht auch?

Es wäre nur eine Geschichte, die das Leben schreibt.

Adam: Ja, das stimmt. Aber, wie gesagt: wir hatten eine aufregende, aufreibende, anstrengende und sehr lehrreiche Zeit miteinander, die ich nicht missen will; mehr aber nicht.

Inwieweit hat euch die Zusammenarbeit dabei geholfen, die jeweiligen privaten Probleme zu verarbeiten?

Binki: Auch das ist schwer zu beantworten. Natürlich ist es befreiend, wenn man in so einer Situation eine Art Ventil findet. Aber das Leben ist viel komplexer, als dass man die Probleme, die es mit sich bringt, mal eben so mit einer Albumaufnahme wegwischen kann.

Adam: Dennoch nimmt man aber viel aus so einer Zusammenarbeit mit, ganz klar. Man befreit sich ein bisschen von oberflächlichem Ballast. Um die wahren Probleme zu lösen, muss man aber tiefer gehen, da gebe ich Binki Recht. Ich denke, dass wir uns vor allem während der gemeinsamen Zeit in New York gut haben ablenken können, von all dem Mist, der sich plötzlich vor einem auftürmte. Diese Zeit der Befreiung haben wir auch ziemlich genossen, glaube ich. Das hört man dem Album auch an.

Binki: Das sehe ich auch so; neben all der Melancholie und dem endlosen Herzschmerz steckt auch unheimlich viel Humor und Gift in der Platte.

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