11. September 2013

"Eure Reviews waren voller Beleidigungen"

Interview geführt von

Inga Humpe und Tommi Eckart schließen den Kreis. Nach fast 15 Jahren 2raumwohnung-Geschichte kehren die beiden Wahlberliner auf ihrem neuen, mittlerweile siebten Album "Achtung Fertig" wieder zurück zu ihren Wurzeln.

Die Experimentierschatulle wird geschlossen. Stattdessen regieren Beats und Harmonien. Für die Rückkehr zur Basis nahm sich das Deutschpop-Duo nicht nur viel Zeit, sondern schnürte sich auch zwei prall gefüllte Reisetaschen um die Schultern. Es ging um die Suche nach dem druckfreien Raum. Fündig wurden Inga und Tommi letztlich in Los Angeles, San Francisco und Berlin – einem ausgesuchten Kreativitätsdreieck, in dem die Verantwortlichen alles fanden, was nötig war, um einen festen Faden zwischen Vergangenheit und Neuzeit zu spannen.

Wir wollten mehr erfahren und baten die weibliche Hälfte des Zweiers zum Gespräch. Bevor wir uns mit Inga Humpe jedoch über Aktuelles unterhalten konnten, musste erst einmal Vergangenes bereinigt werden:

Hallo Inga, schön, dass du Zeit finden konntest.

Inga: Gerne. Obwohl ich ja doch etwas verwundert war, als ich hörte, dass ihr mit mir sprechen wollt.

So? Warum?

Naja, in den vergangenen Jahren wurden wir bei euch doch ziemlich niedergemacht.

Von den acht bisherigen Besprechungen ernteten lediglich zwei weniger als drei Punkte. Das ist ein Schnitt, über den sich andere Künstler freuen würden.

(lacht) Die oberflächliche Bewertung interessiert mich eher weniger. Mir ging es dabei mehr um die Inhalte.

Was stimmt denn mit denen nicht?

Es geht einfach um die Art und Weise, wie einige Songs oder auch künstlerische Hintergründe beschrieben werden. Da finden sich mitunter schon ziemlich viele Frechheiten und Beleidigungen.

Dafür klingst du aber gerade auffällig amüsiert.

Wir haben ja auch gebrüllt vor Lachen, als wir die Texte gelesen haben. Unabhängig davon, dass wir natürlich eine ganz andere Sichtweise der Dinge haben, waren die Reviews ja sehr witzig geschrieben. Und wir können natürlich auch verstehen, wenn sich manch einer da draußen von unserer permanenten Gute-Laune-Musik penetriert fühlt (lacht).

Macht ihr euch Sorgen über den Rezensionstext zu eurem neuen Album?

Nein. Sollten wir?

Nein. Momentan schwanke ich noch zwischen drei und vier Punkten hin und her.

Wie gesagt: Die Wertung interessiert uns nur sekundär. Der Inhalt zählt.

Ihr könnt sicher sein, dass es diesmal keine "Frechheiten" oder gar "Beleidigungen" zu lesen geben wird.

Ich bin gespannt. Woran liegt's?

Ich finde, dass das Album ein durchweg gelungener und authentischer Blick in den Rückspiegel geworden ist.

Schön. Das freut mich.

"Wir wollten einfach mal wieder raus aus dem ganzen Trott"

War das auch so geplant von euch?

Ja, zum Teil schon. Wir hatten zwar kein Konzept zur Hand, was den Sound betraf, aber wir wussten schon vorab, dass wir uns auf dem neuen Album wieder verstärkt um die elektronische Basis kümmern werden. Das hat auch immer viel mit der jeweiligen Live-Situation zu tun. Bei den letzten Touren haben wir verstärkt auf Gitarren gesetzt, was letztlich auch den Sound der vergangenen Alben beeinflusst hat. Das wird sich jetzt aber wieder ändern. Es gibt live kein Schlagzeug mehr und nur noch eine Gitarre. Die anderen habe ich alle verboten. Ich meine, es gibt so dermaßen viele Gitarrenbands auf der Welt; da müssen wir einfach ein bisschen dagegen steuern.

Der Vibe des Albums passt perfekt zur Jahreszeit. Wem gebührt der Dank dafür? Der Sonne Kaliforniens?

Eher weniger. Letztlich präsentiert jedes unserer Alben uns selbst. Da spielt es eigentlich keine Rolle, ob wir in Los Angeles oder sonst wo aufgenommen haben.

Warum seid ihr dann überhaupt nach Kalifornien geflogen?

Wir wollten einfach mal wieder raus aus dem ganzen Trott. Es ging uns um Veränderung. Dabei spielte der eventuelle Einfluss auf den Sound der Platte aber weniger eine Rolle. Es ging primär um uns.

Warum Kalifornien?

Ich kannte Los Angeles noch von früher. Ich liebe diese Stadt und ihren militärischen Aufbau. Die Stadt ist einfach perfekt zum Arbeiten. Da gibt's kaum kulturelle Hintergründe. Von morgens bis abends ist da Action. Da bewegt sich alles und jeder. Der ideale Ort für uns.

Ihr habt dort mit insgesamt 30 Leuten zusammengearbeitet. Hattet ihr keine Angst davor, zu viel Kontrolle abzugeben?

Oh doch. Und wie. Aber es war halt auch total spannend. So etwas hatten wir ja vorher noch nie gemacht.

Kanntet ihr die Leute wenigstens?

Nein. Wir kannten nur Peter Antanasoff (Tito & Tarantula). Bei den anderen war es jedes Mal ein Sprung ins kalte Wasser.

Klingt nach Abenteuer.

Ja, das war es auch. Wir haben uns zu der Zeit auch oft die Vertrauensfrage gestellt. Da sind wirklich bleibende Eindrücke entstanden.

"Ich kam mir oftmals vor wie ein Maler oder Klempner"

Zum Beispiel?

Wir haben beispielsweise in San Francisco mit dem Produzenten Dan The Automator (Gorillaz) zusammengearbeitet. Das war ein Typ, der kaum geredet hat. Wenn er aber dann den Mund aufgemacht hat, dann kamen da ganz prägende Sätze raus, wie zum Beispiel: "Ich finde, ihr solltet alle Hi-Hats auf den Müll werfen, damit sich der Gesang besser entfalten kann." Dann sitzt man da und guckt ein bisschen verwirrt in der Gegend rum.

Irgendwann macht's aber Sinn und man denkt sich: Cool. Dieser fremde Mensch hat total Recht. Manchmal kamen wir auch irgendwo an, wo fünf oder sechs Leute saßen, die wir alle vorher noch nie gesehen hatten. Da wurde nicht lange um den heißen Brei geredet, sondern gleich losgelegt. Das war manchmal schon ziemlich befremdlich – aber halt auch spannend.

Letztlich habt ihr das Album dann in Berlin fertiggestellt. Ging es dabei dann auch um das Zurückgewinnen der "verlorenen Kontrolle"?

Ja, absolut. Wir haben in Berlin noch unheimlich viel überarbeitet.

Klingt, als hättet ihr euch den Kalifornien-Trip auch sparen können.

Nein, um Gottes Willen. Kalifornien war schon unheimlich wichtig für uns und das Album. Vieles von dem, was in Los Angeles oder San Francisco entstanden ist, haben wir ja mitgenommen. Ich meine, wir arbeiten ja nicht fast ein halbes Jahr lang in Kalifornien und schmeißen dann am Ende alles über den Haufen.

Mir kam zu Ohren, dass dir diesmal das Schreiben der Texte sehr schwer gefallen sein soll. Stimmt das?

Ja, das stimmt. Ich habe ja zum ersten Mal mit vielen nicht deutschsprachigen Autoren zusammengearbeitet. Das war manchmal ganz schön anstrengend. Ich kam mir oftmals vor wie ein Maler oder ein Klempner – wie so ein richtiger Handwerker halt.

Fällt dir das Texten sonst leichter?

Texte schreiben ist nie leicht. Diesmal war es nur besonders schwer.

Dabei lesen sich viele deiner Texte ganz unbeschwert und locker.

Das täuscht. Texte schreiben ist elende Quälerei. Ich fühle mich da immer wieder wie vor einem riesengroßen Berg, den ich irgendwie bezwingen muss. Das läuft dann ganz oft auf so einen inneren Kampf hinaus.

So eine Form von Hassliebe?

Ja, so ungefähr. Ich meine, ich schreibe wirklich gerne. Aber manchmal raubt es mir auch unheimlich viel Energie und Zeit. Ich habe beispielsweise noch zwei Songs zu Hause, die schon lange im Kasten sind, wo aber die Texte noch nicht fertig sind. Das nervt mich dann. Aber ich kann mir die Sachen auch nicht einfach so aus dem Ärmel schütteln. Ich will ja Texte schreiben, die ich auch noch in zehn Jahren mit auf die Bühne nehmen kann. Diese Haltbarkeit ist mir unheimlich wichtig.

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