laut.de-Kritik

Ein kleines Indie-Pop-Meisterwerk.

Review von

Ehe Sängerin Charlotte und ihr Drummer Matze ihren Zweitling der Kritik zum Fraß vorwerfen konnten, legten sie einen holprig kurvenreichen Weg zurück. Mit dem ersten Ergebnis unzufrieden befördern beide ein quasi fertiges Album in den Schredder und beschließen mit neuem Produzenten einen kompletten Neustart hinzulegen. Ganz zur Freude des Rezensenten: "Love Is A Fridge" erweist sich als erstes Highlight des noch jungen Jahres.

Mit ihrer Entscheidung bewiesen Me And My Drummer Mut. Musikalisch verlässt das Duo den erfolgreichen Pfad des Erstlings und zeigt sich so experimentierfreudig wie detailverliebt. Die allgegenwärtige Schwermut weicht einer melancholischen und tanzbaren Lässigkeit, die besonders von den vielen Kontrasten innerhalb und zwischen den Songs lebt. Herauskommt ein bunter Cocktail, der vor allem eines schaft: Die Erwartungen des Hörers ein ums andere Mal zu durchkreuzen.

Zugegeben nicht ganz so tanzbar, dafür umso eindringlicher gestaltet sich der mythische Opener "Lancelot", der im bedächtigen Tempo Assoziationen einer mittelalterlichen Liebe wachruft: "I'm a man of honour / I can not be near you, my love". Bereits hier wird deutlich, dass die Entscheidung, sich vom alten Ballast zu befreien, eine gute war. Die sparsame Instrumentierung gewährt Charlotte Brandi ausreichend Freiheiten, ihre Qualitäten als Sängerin auszuspielen.

Eine völlig andere Richtung schlägt das nach vorne preschende "Gun" ein. 80er-Bubblegum-Pop mit einer Extraportion Zuckerguss, getragen von flirrenden Synthesizern und sirenenhaftem Gesang. Auch wenn der Track im übrigen Angebot ein wenig untergeht, gehört er zur Kategorie 'Pop aus einem Guss'.

"Easy On Me" überzeugt mit Glockenspiel und elektronischen Elementen, während wuchtige Drums das komplexe Gebilde zusammenhalten. Scheinbar von überall her drängen sich Details auf, die es zu entschlüsseln gilt. Und über allem schwebt der wundersam entrückte Vortrag Brandis.

Me And My Drummer verlangen ihren Hörern einiges ab, dafür werden sie in "Prague I&II" mit einem vielschichtigen, geradezu perfekten Popsong entschädigt: Tempowechsel und die Dramaturgie im Aufbau halten die Spannung hoch. Ausbrüche wie im Refrain, wenn das Duo ganz abrupt in die exotische Klanglandschaft des Orients entführt, und das tolle Songwriting Brandis ("On the top of the roof / What if you are the reason you came up there") lassen den Song noch heller als der Rest erstrahlen.

"Tie Me Bananas" lädt mit karibischen Klängen zum Daiquiri am Strand ein, während sich die Sonne am Horizont gerade verabschiedet. Aber hoppla: In einem Interview geben MAMD zu Protokoll, der Song thematisiere den Sterbekampf des Aktionskünstlers Christoph Schlingensief: "Der brauchte einen Song, der ihn getröstet hätte", so Sängerin Charlotte. Zum Ende des Songs klingt es dann noch, als würden Delphine und Wale einen Paarungstanz vollführen. Klingt zwar abgedreht, fügt sich aber wunderbar harmonisch ins Gesamtbild ein. 'Beam me up, Scotty', denke ich, während der Song in spacigen Gefilden ausklingt. Irgendwie eine schöne Vorstellung so das Zeitliche zu segnen.

Habe ich schon erwähnt, wie sehr ich dem Gesang Brandis verfallen bin? Spätestens in "Grown Up Shape" hat sie mich endgültig. Kühl und distanziert, im Stile einer desinteressierten Femme Fatale trägt sie vor, ehe die Stimmung im Refrain ins Gegenteil umschlägt und eher einer wild gewordenen Furie gleicht.

Anders als bei den Arbeiten zum ersten Entwurf des Albums setzen Me And My Drummer auf "Love Is A Fridge" zum glatten Start-Ziel-Sieg an und leisten sich keine Ausfälle. Jedes noch so kleine Detail fügt sich in ein harmonisches Ganzes. Resultat der so schwer begonnen Arbeit? Ein federleicht pulsierendes Indie-Pop-Meisterwerk.

Trackliste

  1. 1. Lancelot
  2. 2. Gun
  3. 3. Easy On Me
  4. 4. Pentonville Road
  5. 5. Prague I&II
  6. 6. Tie Me Bananas
  7. 7. Blue Splinter View
  8. 8. Nuts
  9. 9. Grown Up Shape
  10. 10. Traces In The Sand

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